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Dr. Martin Meggle-Freund

upc:anordnung_der_sicherheitsleistung_durch_das_gericht

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Anordnung der Sicherheitsleistung durch das Gericht

Regel 158.1 EPGVO beschreibt die Möglichkeit des Gerichts, auf Antrag einer Partei anzuordnen, dass die andere Partei eine angemessene Sicherheit [→ Prozesskostensicherheit] für die Kosten des Rechtsstreits leistet. Das Gericht entscheidet, ob die Sicherheitsleistung durch Hinterlegung oder Bankbürgschaft erfolgen soll.

Regel 158.1 EPGVO

Das Gericht kann zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens auf einen mit einer Begründung versehenen Antrag einer Partei anordnen, dass die andere Partei innerhalb einer festgelegten Frist für die Kosten des Rechtsstreits und sonstigen der antragstellenden Partei entstandenen und/oder noch entstehenden Kosten, welche die andere Partei möglicherweise tragen muss, angemessene Sicherheit [→ Prozesskostensicherheit] zu leisten hat. Beschließt das Gericht, eine solche Sicherheitsleistung anzuordnen, hat es darüber zu entscheiden, ob die Sicherheitsleistung durch Hinterlegung oder Bankbürgschaft erfolgen soll.

Gemäß Artikel 69 (4) EPGÜ [→ Sicherheitsleistung für Kosten des Beklagten] und Regel 158.1 EPGVO kann das Gericht auf begründeten Antrag einer Partei anordnen, dass der Kläger oder die andere Partei innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine angemessene Sicherheit für die von der antragstellenden Partei getragenen und/oder noch zu tragenden Verfahrenskosten und sonstigen Ausgaben leistet. Entscheidet das Gericht, eine solche Sicherheit anzuordnen, ist zu entscheiden, ob die Sicherheit durch Einzahlung oder Bankgarantie zu leisten ist.1)

Regel 158.1 RoP erlaubt es jeder Partei, eine Sicherheitsleistung für die Prozesskosten von der Gegenpartei zu verlangen. Dies gilt unabhängig von der förmlichen Position der Partei als Kläger oder Beklagter. Artikel 69(4) UPCA wird dahingehend ausgelegt, dass er auch Ansprüche eines Klägers umfasst, wenn dessen Antrag in einer Verteidigungsstrategie gegen ein Verfahren eingebettet ist.2)

Zweck der Sicherheitsleistung

Das Gericht hat das Ermessen, eine Sicherheit für Verfahrenskosten und sonstige Ausgaben anzuordnen. Bei der Anordnung einer Sicherheit sind die finanzielle Situation der anderen Partei, die berechtigte und reale Bedenken dahingehend aufkommen lassen kann, dass ein möglicher Kostenbeschluss nicht einbringbar sein könnte, und/oder die Wahrscheinlichkeit, dass ein möglicher Kostenbeschluss des EPG nicht, oder nur auf unzumutbare Weise, durchsetzbar sein könnte, zu berücksichtigen. Die Anordnung einer Sicherheit für Verfahrenskosten dient dem Schutz der Stellung und (potenziellen) Rechte des Beklagten.3)

Die Sicherheitsleistung für Kosten ist eine Vorsichtsmaßnahme, die dazu dient, die obsiegende Partei vor dem Risiko einer nicht vollständigen Wiederherstellung der im Verfahren entstandenen Kosten aufgrund der Insolvenz der unterlegenen Partei zu schützen, falls diese Kosten am Ende des Verfahrens ganz oder teilweise dieser auferlegt werden.4)

Vereinbarkeit mit den Grundrechten

Die Anordnung von Sicherheitsleistungen stellt keinen Verstoß gegen das Recht auf Zugang zur Justiz gemäß Artikel 6 EMRK [→ Recht auf ein faires Verfahren] und Artikel 47 [→ Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht] der EU-Grundrechtecharta dar, sofern keine Diskriminierung stattfindet und die betroffene Partei die Möglichkeit hat, ihren Fall effektiv vor Gericht vorzutragen.5)

Ermessensausübung

Die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß Regel 158.1 RoP liegt im Ermessen des Gerichts. Es müssen alle relevanten Faktoren berücksichtigt werden, insbesondere die finanzielle Lage der betroffenen Partei und das Risiko, dass eine mögliche Kostenentscheidung nicht durchgesetzt werden kann.6)

Im Rahmen der Ermessensausübung gemäß Artikel 69 (4) EPGÜ [→ Sicherheitsleistung für Kosten des Beklagten] und Regel 158.1 EPGVO muss das Gericht die relevanten Tatsachen und Umstände abwägen. Es obliegt der antragstellenden Partei, Tatsachen und Argumente vorzubringen, warum eine solche Anordnung im Einzelfall angemessen ist. Dementsprechend muss die antragstellende Partei einen 'begründeten Antrag' stellen, wobei die Beweislast für die Tatsachen grundsätzlich bei der Partei liegt, die sich auf diese Tatsachen beruft, Artikel 54 EPGÜ [→ Beweislast]. Auf der anderen Seite ist es Sache der antwortenden Partei, die vorgebrachten Tatsachen und Gründe in substantieller Weise zu bestreiten, insbesondere da diese Partei üblicherweise Kenntnis von und Zugang zu entsprechenden Beweismitteln in Bezug auf ihre finanzielle Situation und (den Standort ihrer) Vermögenswerte hat.7)

Eine Kaution für Kosten kann angemessen sein und sollte angeordnet werden, wenn die finanzielle Lage einer der Parteien Anlass zu berechtigten und ernsthaften Bedenken gibt, dass eine mögliche Kostenanordnung nicht realisierbar ist und/oder die Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine mögliche Kostenanordnung des Gerichts nicht vollstreckbar ist oder nur mit unzumutbarer Schwierigkeit durchgesetzt werden kann.8)

Der Gerichtshof hat das Ermessen, eine Sicherheit für Rechtskosten und andere Ausgaben anzuordnen. Faktoren, die bei der Anordnung einer Sicherheitsleistung berücksichtigt werden sollten, umfassen die finanzielle Lage der anderen Partei, die Anlass zu einer legitimen und realen Besorgnis geben kann, dass eine mögliche Kostenanordnung nicht beitreibbar sein könnte und/oder die Wahrscheinlichkeit, dass eine mögliche Kostenanordnung durch das EPG nicht oder nur in unangemessen belastender Weise vollstreckbar ist.9)

Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Sicherheitsleistung für die Kosten ist es unerheblich, ob der Kläger bereit ist, dem Beklagten die Kosten zu erstatten, wenn ein Kostenbeschluss zugunsten des Beklagten erlassen würde;10)

Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Sicherheitsleistung für die Kostenist es ebenfalls unerheblich, ob ein Kostenbeschluss zugunsten des Beklagten erwartet wird. Das Gericht sollte sich nicht auf die Bewertung der Erfolgswahrscheinlichkeit des Falls einlassen;11)

Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Sicherheitsleistung für die Kosten ist es nicht erforderlich, dass nachgewiesen wird, dass eine Vollstreckung unmöglich ist. Es genügt, dass der Beklagte nachweist, dass die Vollstreckung eines Kostenbeschlusses unzumutbar belastend ist. Die Last, dies darzulegen, liegt bei dem Antragsteller eines Beschlusses zur Sicherheitsleistung für die Kosten. Zu diesem Zweck muss der Antragsteller nicht nur Beweise zum anwendbaren ausländischen Recht im Gebiet, in dem der Beschluss vollstreckt werden soll, vorlegen, sondern auch zu dessen Anwendung.12)

Eine Verpflichtung der Gegenpartei, bestimmte Ansprüche nur unter bestimmten Bedingungen weiterzuverfolgen, ändert nichts an der Möglichkeit, Sicherheitsleistungen anzuordnen, wenn weiterhin ein realistisches Kostenrisiko besteht.13)

Höhe der Sicherheitsleistung

Die Höhe der Sicherheitsleistung bemisst sich an den voraussichtlichen Prozesskosten der antragstellenden Partei. Das Gericht hat bei der Festsetzung der Höhe ein Ermessen, wobei die Interessen beider Parteien sowie die finanziellen Möglichkeiten der Partei, die die Sicherheit leisten muss, berücksichtigt werden müssen.14)

Darlegungslast für die Notwendigkeit der Sicherheitsleistung

Die Partei, die die Sicherheitsleistung beantragt, trägt die Darlegungslast, dass die finanzielle Situation der Gegenpartei ein realistisches Risiko birgt, dass Prozesskosten nicht erstattet werden können. Nach einer glaubhaften Darstellung der Umstände liegt es an der Gegenpartei, diese Behauptungen substanziiert zu widerlegen.15)

Die Beweislast liegt beim Antragsteller, jedoch gilt, dass, sobald die Gründe und Tatsachen im Antrag in glaubhafter Weise dargelegt worden sind, es an der gegnerischen Partei liegt, diese Gründe und Tatsachen zu widerlegen und zwar in substantiierter Weise, insbesondere da diese Partei in der Regel Kenntnis und Beweismittel zu ihrer finanziellen Lage haben wird.16)

Rechtsmittel gegen die Anordnung einer Sicherheitsleistung

Sobald eine Anordnung zur Hinterlegung einer Sicherheitsleistung für Kosten erlassen wurde, kann die davon betroffene Partei beim Berufungsgericht gemäß Regel 220 EPGVO [→ Berufungsfähige Entscheidungen] beantragen, diese Anordnung aufzuheben, wenn sie der Auffassung ist, dass sie ohne die notwendigen rechtlichen Grundlagen oder ohne korrekte Bewertung der faktischen Beweise, die von den Parteien vorgelegt wurden, ergangen ist.17)

Eine Anordnung für eine Sicherheitsleistung muss gemäß Regel 158.3 EPGVO [→ Berufungsmöglichkeit gegen die Anordnung der Sicherheitsleistung] einen Hinweis enthalten, dass eine Berufung gemäß Artikel 73 UPCA und Regel 220.2 EPGVO [→ Berufung bei anderen Anordnungen] eingelegt werden kann. Das Fehlen dieses Hinweises führt jedoch nicht automatisch zu einem Verlust des Rechts, die Zulassung zur Berufung zu beantragen. Ebenso kann das Fehlen des Hinweises nicht als implizite Zulassung der Berufung ausgelegt werden.18)

Wenn eine Anordnung keinen Hinweis gemäß Regel 158.3 EPGVO [→ Berufungsmöglichkeit gegen die Anordnung der Sicherheitsleistung] enthält, bleibt es der unterlegenen Partei möglich, beim Gericht erster Instanz einen separaten Antrag auf Zulassung zur Berufung zu stellen. Die fehlende Angabe hat daher keinen Einfluss auf das Recht der Partei, die Berufung zu verfolgen.19)

Die Zulassung zur Berufung kann entweder bereits in der Anordnung selbst oder nachträglich durch eine separate Entscheidung des Gerichts erster Instanz erteilt werden. Erst wenn das Gericht erster Instanz die Zulassung verweigert, kann eine Partei eine Ermessensüberprüfung durch das Berufungsgericht beantragen.20)

Nachträgliche Änderung der Sicherheitsleistung

Wenn nach der Erlassung einer Anordnung zur Sicherheitsleistung für Kosten und einer etwaigen Berufung die tatsächlichen Umstände, die der Anordnung zugrunde liegen, sich ändern, können sowohl die von der Maßnahme betroffene Partei als auch die davon begünstigte Partei beim Gericht beantragen, die Anordnung aufzuheben oder deren Bestimmungen zu ändern. Den Parteien diese Möglichkeit zu geben, selbst bei Fehlen einer spezifischen und direkten rechtlichen Bestimmung, ist notwendig, um die Maßnahme mit ihrem Zweck in Einklang zu bringen, nämlich das Risiko der Nichterstattung oder erheblichen Schwierigkeiten bei der Erstattung der Verfahrenskosten zu adressieren.21)

In dem Einheitspatentsystem hat das Gericht die Befugnis, eine Sicherheit für Prozesskosten und andere Auslagen gemäß Regel 158 EPGVO freizugeben oder zu ändern, wenn die Gründe für die Anordnung der Sicherheitsleistung nicht mehr bestehen oder sich geändert haben.22)

Wenn das Gericht bereits einer Partei auferlegt hat, eine Sicherheit für die Rechtskosten und andere Aufwendungen der gegnerischen Partei zu leisten, wird ein nachfolgender Antrag dieser Partei auf eine zusätzliche Sicherheit (im Vergleich zu der bereits gewährten) als Antrag auf Änderung der bereits gewährten Sicherheit durch Erhöhung ihres Betrags betrachtet.23)

In einer Situation, in der der Sicherheitsbetrag für Kosten in Bezug auf die höchstmöglichen erstattungsfähigen Kosten festgelegt wurde, wie sie durch den vom Kläger angegebenen Wert des Verfahrens bestimmt werden, ist eine nachträgliche Reduzierung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche ohne Bedeutung für die Bestimmung dieses Wertes, da letzterer das objektive Interesse widerspiegeln soll, das vom Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung verfolgt wurde, gemäß Regel 370 (6) EPGVO, und jede spätere Änderung dieses Interesses unerheblich ist.24)

siehe auch

Regel 158 → Sicherheitsleistung für die Kosten einer Partei
Erlaubt dem Gericht, auf Antrag einer Partei die andere Partei zur Leistung einer angemessenen Sicherheit für die Kosten des Rechtsstreits und sonstigen Kosten zu verpflichten.

1) , 7)
Lokalkammer München, ORD_59602/2024, UPC_CFI_437/2024, 26. November 2024
2) , 5) , 6) , 13) , 14) , 15)
EPG, Zentralkammer Paris, Beschl. v. 14. Oktober 2024 – UPC_CFI_230/2024
3)
Lokalkammer München, ORD_59602/2024, UPC_CFI_437/2024, 26. November 2024; m.V.a. CoA, UPC_CoA_218/2024, Beschluss 17.09.2024; LD München, UPC_CFI_15/2023, 29.09.2023; CD München, UPC_CFI_252/2023, Beschluss 30.10.2023; LD Helsinki, UPC_CFI_214/2023, Beschluss 20.10.2023; LD Paris, UPC_495/2023, Beschluss 21.05.2024; LD Nordisch-Baltisch, UPC_CFI_380/2023, Beschluss 20.08.2024; LD Düsseldorf, UPC_CFI_373/2023, Beschluss 06.09.2024
4) , 16) , 17) , 21) , 23) , 24)
EPG, Zentralkammer Paris, Beschl. v. 27. Dezember 2024 – UPC_CFI_164/2024
8)
EPG, Zentralkammer Paris, Beschl. v. 27. Dezember 2024 – UPC_CFI_164/2024; m.V.a. CoA, Beschluss vom 17. September 2024, UPC_CoA_217-219-221/2024
9) , 10) , 11) , 12)
UPC_CoA_548/2024, APL_52969/2024, Entscheidung vom 29. November 2024
18) , 19) , 20)
EPG, Berufungsgericht, Entscheidung vom 9. Oktober 2024, UPC_CoA_586/2024
22)
EPG, Zentralkammer Paris, Beschl. v. 27. Dezember 2024 – UPC_CFI_164/2024; m.V.a. München CD, Beschluss vom 17. Dezember 2024, UPC_CFI_252/2023
upc/anordnung_der_sicherheitsleistung_durch_das_gericht.txt · Zuletzt geändert: 2025/01/03 06:31 von mfreund