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Dr. Martin Meggle-Freund

upc:sicherheitsleistung_fuer_die_kosten_einer_partei

finanzcheck24.de

Sicherheitsleistung für die Kosten einer Partei

Der Gerichtshof hat das Ermessen, eine Sicherheit für Rechtskosten und andere Ausgaben anzuordnen. Faktoren, die bei der Anordnung einer Sicherheitsleistung berücksichtigt werden sollten, umfassen die finanzielle Lage der anderen Partei, die Anlass zu einer legitimen und realen Besorgnis geben kann, dass eine mögliche Kostenanordnung nicht beitreibbar sein könnte und/oder die Wahrscheinlichkeit, dass eine mögliche Kostenanordnung durch das EPG nicht oder nur in unangemessen belastender Weise vollstreckbar ist.1)

Regel 158 der Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts (EPGVO) behandelt die Anordnung von Sicherheitsleistungen für die Kosten einer Partei im Verfahren.

Regel 158.1 EPGVO → Anordnung der Sicherheitsleistung durch das Gericht
Das Gericht kann auf Antrag einer Partei anordnen, dass die andere Partei eine angemessene Sicherheit für die Kosten des Rechtsstreits leistet. Es wird entschieden, ob die Sicherheitsleistung durch Hinterlegung oder Bankbürgschaft erfolgen soll.

Regel 158.2 EPGVO → Gewährung des rechtlichen Gehörs vor Anordnung
Bevor eine Sicherheitsleistung angeordnet wird, gewährt das Gericht den Parteien rechtliches Gehör. Regel 354 gilt für die Vollstreckung der Anordnung.

Regel 158.3 EPGVO → Berufungsmöglichkeit gegen die Anordnung der Sicherheitsleistung
Die Anordnung der Sicherheitsleistung muss den Hinweis enthalten, dass gemäß Artikel 73 des Übereinkommens und Regel 220.2 Berufung eingelegt werden kann.

Regel 158.4 EPGVO → Fristsetzung und mögliche Versäumnisentscheidung
Das Gericht unterrichtet die betreffende Partei darüber, dass eine Versäumnisentscheidung gemäß Regel 355 ergehen kann, wenn die Sicherheit nicht innerhalb der festgelegten Frist geleistet wird.

Regel 158.5 EPGVO → Erlass einer Versäumnisentscheidung bei Nichtleistung
Das Gericht kann eine Versäumnisentscheidung nach Regel 355 erlassen, wenn eine Partei innerhalb der festgelegten Frist keine angemessene Sicherheit leistet.

Die Befugnis zur Anordnung der Stellung einer angemessenen Sicherheit für Prozesskosten beruht auf Artikel 69(4) EPGÜ [→ Sicherheitsleistung für Kosten des Beklagten].2)

Das Auflegen einer Sicherheit ist eine Vorsichtsmaßnahme, um das Recht zu wahren, dass, als allgemeine Regel, die unterliegende Partei die angemessenen und verhältnismäßigen Prozesskosten der obsiegenden Partei trägt (festgelegt in Artikel 69(1) EPGÜ → Kostenverteilung bei obsiegender Partei).3)

Nicht nur dem Kläger, sondern auch dem Beklagten kann aufgegeben werden, eine Sicherheit für die Verfahrenskosten im Sinne von R. 158 EPGVO zu leisten.4)

Aus dem Wortlaut von Artikel 69(4) folgt, dass die Anordnung an den Beklagten, auf Antrag des Klägers eine Sicherheit für Prozesskosten zu stellen, nicht ausgeschlossen ist. Artikel 69(4) EPGÜ stellt eine Mindestnorm dar für die Umstände, unter denen diese Abhilfe verfügbar sein muss (siehe den Wortlaut ‚insbesondere‘ in Art. 69(4) EPGÜ).5)

Wenn der Kläger eine solche Sicherheit für Verfahrenskosten von dem Beklagten verlangt, hat das Gericht zu berücksichtigen, dass der Kläger freiwillig beschlossen hat, einen Rechtsstreit zu führen. Diese Tatsache hat Auswirkungen auf die Interessenabwägung bei der Ausübung des Ermessens nach Regel 158 EPGVO. Dabei muss das Gericht besonders darauf achten, dass das Recht des Beklagten auf ein faires Verfahren geschützt wird und insbesondere, dass dem Beklagten nicht die Möglichkeit genommen wird, seinen Fall wirksam vor Gericht darzustellen.6)

Besondere Vorsicht muss dabei vom Gericht gewahrt werden, dass das Recht des Beklagten auf ein faires Verfahren geschützt wird (Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, erwähnt in der Präambel des EPGÜ), insbesondere, dass dem Beklagten nicht die Möglichkeit genommen wird, seinen Fall effektiv vor dem Gericht zu präsentieren.7)

Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Sicherheitsleistung für die Kosten ist es unerheblich, ob der Kläger zu einem finanziell soliden Unternehmensverbund gehört, falls keine Sicherheiten oder besonderen Umstände vorliegen. Es ist nur die finanzielle Lage des Klägers selbst relevant;8)

Der Zweck einer Sicherheit ist es, das (potenzielle) Recht des Beklagten auf Ersatz von Verfahrenskosten zu sichern. Das Berufungsgericht des Einheitlichen Patentgerichts hat bestätigt, dass das Gericht, wenn es sein Ermessen gemäß Art. 69(4) des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht („EPGÜ“) und Regel 158 EPGVO ausübt, in Anbetracht der von den Parteien vorgebrachten Tatsachen und Argumente entscheiden muss, ob die finanzielle Lage des Klägers Anlass zu einer berechtigten und realen Sorge gibt, dass eine mögliche Kostenentscheidung nicht eintreibbar ist und/oder die Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine mögliche Kostenentscheidung des EPG in einer unzumutbar belastenden Weise nicht durchsetzbar ist. Es ist damit nur die finanzielle Position des Klägers selbst – und nicht seiner Unternehmensgruppe – relevant.9)

Ein Gericht muss die Partei, die zur Sicherheitsleistung verpflichtet ist, darüber informieren, dass eine Entscheidung im Versäumnisfall ergehen kann, wenn die Sicherheit nicht innerhalb der festgelegten Frist geleistet wird [Regel 158.4 EPGVO → Fristsetzung und mögliche Versäumnisentscheidung].10)

Das Gericht kann eine Sicherheitsleistung für Verfahrenskosten anordnen, wenn die finanzielle Situation der beklagten Partei berechtigte und konkrete Bedenken hervorruft, dass ein etwaiger Kostenbeschluss nicht durchsetzbar oder nur auf unangemessen belastende Weise vollstreckbar ist.11)

Das Gericht hat bei der Anordnung einer Sicherheitsleistung für Kosten einen Ermessensspielraum. Es muss dabei insbesondere die wirtschaftliche Lage der betroffenen Partei und die Durchsetzbarkeit eines möglichen Kostenbeschlusses berücksichtigen.12)

Die Beweislast für die Notwendigkeit einer Sicherheitsleistung liegt bei der Partei, die den Antrag stellt. Sobald jedoch Gründe und Tatsachen glaubhaft gemacht wurden, obliegt es der Gegenseite, diese substantiiert zu widerlegen, da sie regelmäßig Kenntnis über ihre finanzielle Lage hat.13)

Artikel 69(4) EPGÜ [→ Sicherheitsleistung für Kosten des Beklagten] erlaubt eine Sicherheitsleistung für Kosten nicht nur in den dort ausdrücklich genannten Fällen, sondern auch in anderen Verfahrenskonstellationen, wie z. B. bei Patentverletzungsklagen. Dies wird durch Regel 158(1) der Verfahrensordnung weiter bestätigt, die eine Sicherheitsleistung zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens ermöglicht.14)

Die Höhe der Sicherheitsleistung orientiert sich an den voraussichtlichen erstattungsfähigen Kosten des Verfahrens. Eine reduzierte Sicherheitsleistung kann verhältnismäßig sein, wenn die zukünftigen Verfahrenskosten und deren Komplexität nicht vollständig absehbar sind.15)

Gegenanträge auf Sicherheitsleistungen müssen in einem gesonderten Verfahren gestellt werden. Sie können nicht im Rahmen einer Stellungnahme zu einem bestehenden Antrag eingebracht werden, wenn sie nicht direkt damit zusammenhängen.16)

Das Gericht muss bei der Ermessensausübung nach Art. 69(4) EPGÜ und Regel 158 EPGVO [→ Sicherheitsleistung für die Kosten einer Partei] feststellen, ob die finanzielle Situation des Klägers zu berechtigten und tatsächlichen Bedenken Anlass gibt, dass ein möglicher Kostenbeschluss nicht durchsetzbar sein könnte.17)

Die Beweislast dafür, warum ein Beschluss über Kostensicherheit in einem bestimmten Fall angebracht ist, liegt bei dem Beklagten, der einen solchen Antrag stellt.18)

Die relative finanzielle Lage des Klägers im Vergleich zu der des Beklagten ist kein Kriterium für R.158 RoP, insbesondere wenn es sich bei der Finanzierung um eine bewusste unternehmerische Entscheidung handelt.19)

Die Beantwortung der Frage, ob eine Anordnung oder Entscheidung von einer vom Gericht festzusetzenden Sicherheit abhängig gemacht werden soll (Regel 118.8 der Verfahrensordnung), bedarf stets einer Einzelfallprüfung, bei der das Interesse der Klägerin an einer effektiven Durchsetzung ihres Schutzrechts mit dem Interesse an der effektiven Durchsetzung möglicher Schadenersatzansprüche im Fall einer späteren Aufhebung des Urteils abzuwägen ist. Zu den Faktoren, die bei der Frage nach der Anordnung einer Sicherheitsleistung zu berücksichtigen sind, gehören die finanzielle Lage des Klägers, die Anlass zu der berechtigten und realen Sorge geben kann, dass ein möglicher Schadenersatzanspruch nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand durchgesetzt und/oder vollstreckt werden kann. Ob und inwieweit solche Faktoren vorliegen, ist anhand der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen und Argumente zu ermitteln.20)

Das Gericht hat das Ermessen, eine Sicherheit für Rechtskosten und andere Auslagen zu verlangen. Gemäß der Rechtsprechung des EPG (siehe CoA, Beschluss vom 17. September 2024 in der Sache UPC_CoA_217/2024, Audi ./. NST) muss das Gericht bei der Ausübung seines Ermessens nach Art. 69(4) EPGÜ und Regel 158 EPGVO in Anbetracht der von den Parteien vorgetragenen Fakten und Argumente feststellen, ob die finanzielle Lage des Klägers Anlass zu einer berechtigten und realen Sorge gibt, dass ein mögliches Kostenurteil nicht vollstreckbar sein könnte und/oder die Möglichkeit besteht, dass ein mögliches Kostenurteil des EPG unangemessen oder nicht durchsetzbar ist. Die Beweis- und Begründungslast, warum eine Sicherheitsanordnung für die Kosten in einem bestimmten Fall angemessen ist, liegt beim Antragsgegner, der einen solchen Antrag stellt, aber – sobald die Gründe und Fakten im Antrag glaubhaft gemacht wurden – liegt es am Kläger, diese Gründe und Fakten in nachvollziehbarer Weise anzufechten, insbesondere da diese Partei normalerweise Kenntnis und Beweise über ihre finanzielle Situation hat. Es obliegt dem Kläger darzulegen, dass und warum eine Sicherheitsanordnung unangemessen in ihr Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf eingreift.21)

siehe auch

EPGVO, Teil 1, Kapitel 6 → Prozesskostensicherheit
Behandelt die Sicherheitsleistung für die Kosten einer Partei und für Gerichtskosten.

1) , 8)
UPC_CoA_548/2024, APL_52969/2024, Entscheidung vom 29. November 2024
2) , 3) , 4) , 5) , 6) , 7)
EPG, Lokalkammer Düsseldorf, Beschl. v. 3. Dezember 2024 – UPC_CFI_140/2024
9)
EPG, Zentralkammer München, Beschl. v. 17. Dezember 2024 – UPC_CFI_252/2023; m.V.a. CoA-Beschluss vom 17. September 2024 in der Sache CoA_217/2024, Audi/NST, CoA-Beschluss vom 29. November 2024, Aarke/Sodastream
10)
EPG, Beschwerdegericht, Entscheidung vom 27. September 2024, UPC_CoA_217/2024
11) , 12) , 13) , 14) , 15) , 16)
EPG, Zentralkammer Paris, Anordnung vom 27. September 2024 – UPC_CFI_164/2024
17) , 18) , 19)
EPG, Lokalkammer München, Entscheidung vom 2. Oktober 2024, UPC_CFI_54/2024
20)
EPG, Lokalkammer Düsseldorf, Entscheidung vom 10. Oktober 2024, UPC_CFI_483/2023
21)
EPG, Lokalkammer Düsseldorf, Beschl. v. 27. Dezember 2024 – UPC_CFI_99/2024
upc/sicherheitsleistung_fuer_die_kosten_einer_partei.txt · Zuletzt geändert: 2024/12/31 08:13 von mfreund