Verwertungsgesellschaftengesetz

Das Verwertungsgesellschaftengesetz ist ein deutsches Gesetz, das die Tätigkeit von Verwertungsgesellschaften regelt. Diese Gesellschaften nehmen Urheberrechte und verwandte Schutzrechte wahr, insbesondere für Autoren, Komponisten, bildende Künstler, ausübende Künstler und andere Rechteinhaber, die ihre Rechte nicht individuell durchsetzen können oder wollen.

Das deutsche Urheberrechtswahrnehmungsgesetz regelte bis zum 31. Mai 2016 die Wahrnehmung von Nutzungsrechten, Einwilligungsrechten oder Vergütungsansprüchen, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergaben, für Rechnung mehrerer Urheber durch Verwertungsgesellschaften. Die Wahrnehmung von Nutzungsrechten, Einwilligungsrechten oder Vergütungsansprüchen regelt seit dem 1. Juni 2016 das Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG).

§ 2 VGG

Nach § 2 Abs. 1 VGG ist eine Verwertungsgesellschaft eine Organisation, die gesetzlich oder auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung berechtigt ist und deren ausschließlicher oder hauptsächlicher Zweck es ist, für Rechnung mehrerer Rechtsinhaber Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte zu deren kollektiven Nutzen wahrzunehmen, gleichviel, ob in eigenem oder in fremdem Namen.1)

§ 8 VGG

Nutzer ist nach der in § 8 VGG niedergelegten Legaldefinition jede natürliche oder juristische Person, die eine Handlung vornimmt, die der Erlaubnis des Rechtsinhabers bedarf, oder die zur Zahlung einer Vergütung an den Rechtsinhaber verpflichtet ist. Von dem Begriff des Nutzers sind auch Hersteller, Importeure und Händler von Geräten und Speichermedien im Sinne von § 54 und § 54b UrhG erfasst.2)

§ 3 VGG

Nach § 3 Abs. 1 VGG ist eine abhängige Verwertungseinrichtung eine Organisation, deren Anteile zumindest indirekt oder teilweise von mindestens einer Verwertungsgesellschaft gehalten werden oder die zumindest indirekt oder teilweise von mindestens einer Verwertungsgesellschaft beherrscht wird. Soweit die abhängige Verwertungseinrichtung Tä- tigkeiten einer Verwertungsgesellschaft ausübt, sind nach § 3 Abs. 2 Satz 1 VGG die für diese Tätigkeiten geltenden Bestimmungen des Verwertungsgesellschaftengesetzes entsprechend anzuwenden. Danach ist die Beklagte zu 1 als Inkassogesellschaft, der die in ihr zusammengeschlossenen Verwertungsgesellschaften die von ihnen gemäß § 54h Abs. 1 UrhG wahrzunehmenden Ansprüche nach § 54 Abs. 1 und § 54b Abs. 1 UrhG zur Einziehung übertragen haben, in entsprechender Anwendung von § 35 VGG zum Abschluss eines Gesamtvertrags verpflichtet.3)

§ 34 VGG

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch Verwertungsgesellschaften (Verwertungsgesellschaftengesetz - VGG), das mit Wirkung vom 1. Juni 2016 an die Stelle des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes getreten ist, ist die Verwertungsgesellschaft verpflichtet, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen.4)

Satz 2 dieser Vorschrift bestimmt, dass die Bedingungen insbesondere objektiv und nichtdiskriminierend sein und eine angemessene Vergütung vorsehen müssen. Diese Vorschrift tritt an die Stelle des § 11 Abs. 1 UrhWG aF und dient der Umsetzung von Art. 16 der Richtlinie 2014/26/EU über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt. Danach haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung und Nutzer nach Treu und Glauben über die Lizenzierung von Nutzungsrechten verhandeln (Art. 16 Abs. 1), und sind die Lizenzbedingungen auf objektive und diskriminierungsfreie Kriterien zu stützen (Art. 16 Abs. 2 Satz 1).5)

Unter der Geltung des § 11 Abs. 1 UrhWG aF war anerkannt, dass die Abschlusspflicht der Verwertungsgesellschaft ausnahmsweise nicht besteht, wenn im Einzelfall eine missbräuchliche Ausnutzung der Monopolstellung ausscheidet und die Verwertungsgesellschaft dem Verlangen auf Einräumung von Nutzungsrechten vorrangige berechtigte Interessen entgegenhalten kann.6)

Die Beurteilung, ob eine sachlich gerechtfertigte Ausnahme von dem Abschlusszwang gegeben ist, erforderte danach eine Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Gesetzes sowie des Zwecks der grundsätzlichen Abschlusspflicht der Verwertungsgesellschaft.7)

Es unterliegt mit Blick auf Art. 16 der Richtlinie 2014/26/EU, insbesondere der darin angeordneten Verhandlungsmaxime von Treu und Glauben, keinem ernsthaften unionsrechtlichen Zweifel, dass diese Grundsätze auch nach Inkrafttreten des § 34 VGG fortgelten.8)

Für die Bestimmung der angemessenen Vergütung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 VGG ist danach der wirtschaftliche Wert der Nutzung von entscheidender Bedeutung.9)

Das Diskriminierungsverbot, dem die Verwertungsgesellschaften nicht nur gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 VGG, sondern auch als Normadressaten des kartellrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes unterliegen, und dem durch die Indizwirkung anderer Gesamtverträge Rechnung getragen wird, entfaltet auch Binnenwirkung bezüglich der in einem Gesamtvertrag getroffenen Regelungen, die folglich relevant ungleiche Sachverhalte nicht gleich behandeln dürfen.„.10)

Bei der Kabelweitersendung mittels Internet Protocol (IP-TV) kann ein für die Bestimmung der angemessenen Vergütung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 VGG relevanter wirtschaftlicher Wert der Nutzung nicht bereits in der hierbei erfolgenden Erhebung von Nutzerdaten, sondern erst in deren wirtschaftlicher Verwertung durch die Kabelnetzbetreiber liegen.11)

§ 35 VGG

Nach § 35 VGG (vormals § 12 UrhWG) ist eine Verwertungsgesellschaft verpflichtet, mit Nutzervereinigungen über die von ihr wahrgenommenen Rechte einen Gesamtvertrag zu angemessenen Bedingungen abzuschließen.12)

Verwertungsgesellschaften haben allerdings - anders als Nutzervereinigungen (vgl. § 12 UrhWG, § 35 VGG) - keinen Anspruch auf Abschluss eines Gesamtvertrags.13)

Beantragt die Verwertungsgesellschaft bei der Schiedsstelle den Abschluss eines Gesamtvertrags, kann deshalb die Nutzervereinigung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 UrhSchiedsV erklären, dass sie zum Abschluss nicht bereit ist; gibt sie diese Erklärung ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb eines Monats, ist das Verfahren nach § 1 Abs. 3 Satz 2 UrhSchiedsV einzustellen.14)

Lässt die Nutzervereinigung sich allerdings auf das von der Verwertungsgesellschaft bei der Schiedsstelle eingeleitete Verfahren ein oder beantragt sie bei der Schiedsstelle selbst den Abschluss eines Gesamtvertrags und können sich die Parteien nicht über den Abschluss eines Gesamtvertrags einigen, kann jeder Beteiligte - also nicht nur die nach § 12 UrhWG, § 35 VGG anspruchsberechtigte Nutzervereinigung, sondern auch die Verwertungsgesellschaft - vor dem für den Sitz der Schiedsstelle zuständigen Oberlandesgericht München gemäß § 16 Abs. 4 Satz 1 UrhG Klage auf Festsetzung eines Gesamtvertrags erheben15). Das schließt die Möglichkeit ein, einer Klage der anderen Partei eine Widerklage entgegenzusetzen.16)

§ 130 VGG

Verzichtet das Oberlandesgericht in einem nach § 130 VGG festgesetzten Gesamtvertrag auf die Regelung über den Wegfall des Gesamtvertragsrabatts bei Einleitung behördlicher oder gerichtlicher Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit der vertraglichen Vergütung durch den Vertragspartner, so entspricht dies mit Blick auf dessen gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Justizgewährungsanspruch billigem Ermessen.17)

Bei der Festsetzung eines Gesamtvertrags können vergleichbare Regelungen in anderen Gesamtverträgen einen gewichtigen Anhaltspunkt für die Billigkeit einer Regelung bieten. Dies gilt insbesondere, wenn diese Verträge zwischen den Parteien oder unter Beteiligung einer der Parteien geschlossen worden sind.18))

siehe auch

Verwertungsgesellschaft
Richtlinie 2014/26/EU

1) , 12) , 14) , 16)
BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 36/15 - Gesamtvertrag PCs
2)
BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 36/15 - Gesamtvertrag PCs; m.V.a. Begründung zum Regierungsentwurf eines VG-RichtlinieUmsetzungsgesetzes, BT-Drucks. 18/7223, S. 83 f.
3)
BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 36/15 - Gesamtvertrag PCs; m.V.a. Begründung zum Regierungsentwurf eines VGRichtlinie-Umsetzungsgesetzes, BT-Drucks. 18/7223, S. 72; zu § 12 UrhWG vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2015 - I ZR 151/13, GRUR 2016, 792 Rn. 22 - Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik; BGH, GRUR 2017, 161 Rn. 29 - Gesamtvertrag Speichermedien
4) , 5)
BGH, Beschluss vom 25. April 2019 - I ZR 113/18 - Deutsche Digitale Bibliothek
6)
BGH, Beschluss vom 25. April 2019 - I ZR 113/18 - Deutsche Digitale Bibliothek; m.V.a. BGH, Urteil vom 22. April 2009 - I ZR 5/07, BGHZ 181, 1 Rn. 11 - Seeing is Believing
7)
BGH, Beschluss vom 25. April 2019 - I ZR 113/18 - Deutsche Digitale Bibliothek; m.V.a. BGHZ 181, 1 Rn. 13 - Seeing is Believing
8)
BGH, Beschluss vom 25. April 2019 - I ZR 113/18 - Deutsche Digitale Bibliothek; m.V.a. den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/26/EU, BT-Drucks. 18/7223, S. 55, 83; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 34 VGG Rn. 5; BeckOK.UrhR/Freudenberg, 23. Edition [Stand: 15. Januar 2019], § 34 VGG Rn. 14
9)
BGH, Urteil vom 25. Juli 2024 - I ZR 27/23 - Gesamtvertrag Kabelweitersendung; m.V.a. BGH, Urteil vom 29. Januar 2004 - I ZR 135/00, GRUR 2004, 669 [Rn. 17] = WRP 2004, 1057 - Musikmehrkanaldienst; Urteil vom 27. Oktober 2011 - I ZR 125/10, GRUR 2012, 711 [Rn. 20] = WRP 2012, 945 - Barmen Live; Urteil vom 27. Oktober 2011 - I ZR 175/10, GRUR 2012, 715 [Rn. 26] = WRP 2012, 950 - Bochumer Weihnachtsmarkt; Urteil vom 25. Oktober 2012 - I ZR 162/11, GRUR 2013, 717 [Rn. 25] = WRP 2013, 911 - Covermount, jeweils mwN
10)
BGH, Urteil vom 25. Juli 2024 - I ZR 27/23 - Gesamtvertrag Kabelweitersendung; m.V.a. BGH, GRUR 2021, 1181 [Rn. 53] - Gesamtvertrag USB-Sticks und Speicherkarten, mwN
11)
BGH, Urteil vom 25. Juli 2024 - I ZR 27/23 - Gesamtvertrag Kabelweitersendung
13)
BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 36/15 - Gesamtvertrag PCs; m.V.a. vgl. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl., § 12 UrhWG Rn. 3
15)
st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 5. April 2001 - I ZR 132/98, GRUR 2001, 1139, 1142 = WRP 2001, 1345 - Gesamtvertrag privater Rundfunk; Urteil vom 20. März 2013 - I ZR 84/11, GRUR 2013, 1220 Rn. 18 = WRP 2013, 1627 - Gesamtvertrag Hochschul-Intranet; BGH, GRUR 2015, 61 Rn. 30 - Gesamtvertrag Tanzschulkurse; GRUR 2016, 792 Rn. 23 - Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik; GRUR 2017, 161 Rn. 31 - Gesamtvertrag Speichermedien
17)
BGH, Urteil vom 25. Juli 2024 - I ZR 27/23 - Gesamtvertrag Kabelweitersendung; BGH, Beschluss vom 11. September 2024 - I ZR 132/23
18)
BGH, Beschluss vom 11. September 2024 - I ZR 132/23; BGH, Urteil vom 25. Juli 2024 - I ZR 27/23 - Gesamtvertrag Kabelweitersendung; m.V.a. BGH, Urteil vom 20. März 2013 - I ZR 84/11, GRUR 2013, 1220 [Rn. 19] = WRP 2013, 1627 - Gesamtvertrag Hochschul-Intranet; BGH, Urteil vom 18. Juni 2014 - I ZR 215/12, GRUR 2015, 61 [Rn. 31] = WRP 2015, 56 - Gesamtvertrag Tanzschulkurse; BGH, Urteil vom 19. November 2015 - I ZR 151/13, GRUR 2016, 792 [Rn. 24] = WRP 2016, 1123 - Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik; BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - I ZR 212/14, GRUR 2017, 161 [Rn. 32] = WRP 2017, 193 - Gesamtvertrag Speichermedien