Anti-Suit Injunction (ASI)

Mit Anti-Suit Injunction (ASI) wird im angelsächsischen Rechtskreis die Befugnis eines Gerichts bezeichnet, einer Partei im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, ein Verfahren vor einem ausländischen Gericht einzuleiten oder fortzusetzen.

Ein (ausländisches) Prozessführungs- [→ Anti-Suit Injunction] und/oder Vollstreckungsverbot [→ Anti-Enforcement Injunction] verstößt gegen den allgemeinen europäischen Justizgewährungsanspruch (Art. 47 EU-Charta). Die Verbote stehen auch im Widerspruch zum deutschen Justizgewährungsanspruch gem. Art. 2 Abs. 1 [→ Allgemeines Persönlichkeitsrecht], 19 Abs. 4 GG [→ Rechtsweggarantie] und sind als unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zu qualifizieren.1)

Der Gerichtshof hat entschieden, dass der Erlass einer gerichtlichen Anordnung, die einer Partei die Einleitung oder Fortführung eines Verfahrens vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats untersagt, mit der Verordnung Nr. 44/2001 unvereinbar ist. Solche Anordnungen („anti-suit injunctions“) untergraben das Vertrauen zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten und beeinträchtigen die durch die Verordnung geschaffene einheitliche Zuständigkeitsregelung.2)

Jedes Gericht eines Mitgliedstaats ist befugt, selbstständig über seine Zuständigkeit zu entscheiden, auch in Bezug auf die Vorfrage der Gültigkeit und Anwendbarkeit einer Schiedsvereinbarung. Eine „anti-suit injunction“ würde diese Autonomie verletzen.3)

Verfahren, die nicht unmittelbar in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 fallen, dürfen deren praktische Wirksamkeit nicht beeinträchtigen. Die Verordnung gewährleistet einheitliche Regeln und gegenseitiges Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten, was durch „anti-suit injunctions“ gefährdet würde.4)

Eine Anti-Suit Injunction, die den Kläger daran hindert, Patentverletzungsverfahren vor deutschen Gerichten weiterzuführen, stellt einen Eingriff in die Eigentumsrechte des Patentinhabers dar und widerspricht dem deutschen Rechtsverständnis.5)

Ein vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen die Stellung eines Antrags auf Erlass einer Anti-Suit Injunction kann gerechtfertigt sein, wenn andernfalls die Rechte des Patentinhabers an seinen Patenten in Deutschland erheblich beeinträchtigt würden.6)

Eine einstweilige Verfügung, die der Abwehr einer Anti-Suit Injunction dient, verletzt nicht die Hoheitsrechte eines anderen Staates, sofern sie nur die Rechte am deutschen Territorium schützt und reflexartige extraterritoriale Wirkungen unvermeidbar sind.7)

Es stellt eine Eigentumsbeeinträchtigung dar, wenn der Patentinhaber an der Ausübung seines Ausschließlichkeitsrechts gemäß §§ 9 ff., 139 ff. PatG gehindert wird. Das Patentrecht als Ausschließlichkeitsrecht (§ 9 PatG) wird faktisch wertlos, wenn dem Patentinhaber die Möglichkeit genommen wird, dieses Recht durch staatliche Gewalt im Rahmen eines ordentlichen Gerichtsverfahrens durchzusetzen.8)

Eine Anti-Suit-Injunction nach US-amerikanischem Recht verstößt gegen deutsches Recht, da sie darauf abzielt, der Antragsgegnerin ihre Klagebefugnisse im Inland zu entziehen.9)

Der Begriff Anti-Anti-Suit Injunction (AASI) bezeichnet eine gerichtliche Anordnung, die verhindern soll, dass eine Partei in einem anderen Rechtsgebiet eine Anti-Suit-Injunction beantragt oder weiterverfolgt.10)

siehe auch

FRAND

1)
EPG, Lokalkammer München, Beschl. v. 11. Dezember 2024 – UPC_CFI_791/2024
2) , 3) , 4)
EuGH, Urteil vom 10. Februar 2009, Rechtssache C-185/07, Allianz SpA und Generali Assicurazioni Generali SpA / West Tankers Inc., ECLI:EU:C:2009:69
5) , 6) , 7)
OLG München, Urteil vom 12. Dezember 2019 - 6 U 5042/19
8)
LG München, Urteil vom 2. Oktober 2019 - 21 O 9333/19
9)
LG München, Urteil vom 2. Oktober 2019 - 21 O 9333/19; Rn. 60–61
10)
vgl. LG München, Urteil vom 2. Oktober 2019 - 21 O 9333/19