Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG)

Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken hat in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt.1). Sie regelt abschließend, welche Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern als unlauter anzusehen und deswegen unzulässig sind.2)

Im Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken kann ein Verstoß gegen eine nationale Marktverhaltensregel die Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG allerdings nur begründen, wenn diese nationale Bestimmung eine unionsrechtliche Grundlage hat.3)

Die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern sind mit der Richtlinie 2005/29/EG auf Unionsebene vollständig harmonisiert worden. Daher dürfen die Mitgliedstaaten keine strengeren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen (Art. 4 der Richtlinie), und zwar auch nicht zur Erreichung eines höheren Verbraucherschutzniveaus.4)

Artikel 1 → Zweck der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
Harmonisiert Vorschriften über unlautere Geschäftspraktiken und schützt die Verbraucher.

Artikel 2 → Definitionen in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
Definiert wichtige Begriffe wie Verbraucher, Gewerbetreibender und unlautere Geschäftspraktiken.

Artikel 3 → Anwendungsbereich der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
Regelt unlautere Geschäftspraktiken vor, während und nach einem Handelsgeschäft.

Artikel 4 → Binnenmarkt
Verhindert, dass die Mitgliedstaaten den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr aufgrund unlauterer Geschäftspraktiken behindern.

Artikel 5 → Verbot unlauterer Geschäftspraktiken
Verbietet unlautere Geschäftspraktiken, die gegen die berufliche Sorgfalt verstoßen oder den Verbraucher täuschen.

Artikel 6 → Irreführende Handlungen
Verbietet Geschäftspraktiken, die falsche oder irreführende Informationen geben.

Artikel 7 → Irreführende Unterlassungen
Untersagt Geschäftspraktiken, die wichtige Informationen zurückhalten.

Artikel 8 → Aggressive Geschäftspraktiken
Verbietet Geschäftspraktiken, die den Verbraucher durch Belästigung oder Nötigung unter Druck setzen.

Artikel 9 → Belästigung, Nötigung und unzulässige Beeinflussung
Beschreibt die Arten von Belästigung und Nötigung, die als aggressive Geschäftspraktiken gelten.

Artikel 10 → Verhaltenskodizes
Ermöglicht Verhaltenskodizes zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken, die jedoch keine gerichtlichen Verfahren ersetzen.

Artikel 11 → Durchsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
Verpflichtet die Mitgliedstaaten, wirksame Mittel zur Durchsetzung der Richtlinie bereitzustellen.

Artikel 12 → Gerichte und Verwaltungsbehörden: Begründung von Behauptungen
Gibt Gerichten und Behörden die Befugnis, Gewerbetreibende zur Beweisführung bei Tatsachenbehauptungen zu verpflichten.

Artikel 13 → Sanktionen Richtlinie der über unlautere Geschäftspraktiken
Verpflichtet die Mitgliedstaaten, wirksame und abschreckende Sanktionen für Verstöße gegen die Richtlinie festzulegen.

Artikel 14 → Änderung der Richtlinie 84/450/EWG
Passt die Richtlinie 84/450/EWG im Bereich irreführende und vergleichende Werbung an.

Artikel 15 → Änderung der Richtlinien 97/7/EG und 2002/65/EG
Ändert die Richtlinien 97/7/EG und 2002/65/EG im Hinblick auf unbestellte Waren und Dienstleistungen.

Artikel 16 → Änderung der Richtlinie 98/27/EG und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004
Ändert die Richtlinie 98/27/EG und die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 zur Regelung unlauterer Geschäftspraktiken.

Artikel 17 → Information
Verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Verbraucher über die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie zu informieren.

Artikel 18 → Änderung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
Verpflichtet die Kommission, die Richtlinie zu überprüfen und gegebenenfalls Änderungen vorzuschlagen.

Artikel 19 → Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
Verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Richtlinie bis zum 12. Juni 2007 in nationales Recht umzusetzen.

Artikel 20 → Inkrafttreten der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
Lässt die Richtlinie am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten.

Artikel 21 → Adressaten der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
Richtet die Richtlinie an die Mitgliedstaaten.

Anhang I: erschöpfende Liste von 31 Geschäftspraktiken

Darüber hinaus stellt die Richtlinie in ihrem Anhang I eine erschöpfende Liste von 31 Geschäftspraktiken auf, die gemäß Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie „unter allen Umständen“ als unlauter anzusehen sind. Nur diese Geschäftspraktiken können ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Art. 5 bis 9 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken als unlauter gelten.5)

Anhang I, Nr. 1 → Unwahre Angabe der Zugehörigkeit zu einem Verhaltenskodex
Ein Unternehmen gibt fälschlicherweise an, einem Verhaltenskodex anzugehören.

Anhang I, Nr. 2 → Verwendung von Gütezeichen ohne Genehmigung
Ein Unternehmer verwendet ein Gütezeichen oder Qualitätskennzeichen ohne die erforderliche Erlaubnis.

Anhang I, Nr. 3 → Unwahre Angabe über die Billigung eines Verhaltenskodex
Es wird fälschlicherweise behauptet, ein Verhaltenskodex sei von einer Stelle gebilligt worden.

Anhang I, Nr. 4 → Unwahre Angabe über Bestätigung, Billigung oder Genehmigung durch eine Stelle
Eine Ware, Dienstleistung oder Handlung wird fälschlicherweise als von einer Stelle genehmigt dargestellt.

Anhang I, Nr. 5 → Unzureichende Aufklärung über eine unzulängliche Bevorratung
Es wird nicht hinreichend informiert, dass eine beworbene Ware nur unzureichend verfügbar ist.

Anhang I, Nr. 6 → Lockangebote mit unzureichender Bevorratung und verweigerter Lieferung
Ein Unternehmen bewirbt eine Ware, zeigt sie aber nicht oder nimmt Bestellungen nicht an.

Anhang I, Nr. 7 → Unwahre Angabe über begrenzte Verfügbarkeit von Waren oder Dienstleistungen
Es wird ein falscher Eindruck über eine zeitlich begrenzte Verfügbarkeit erweckt, um zum schnellen Kauf zu drängen.

Anhang I, Nr. 8 → Kundendienstleistungen in einer anderen als der Geschäftssprache
Der Kundendienst wird in einer anderen Sprache als der verhandelten Sprache angeboten, ohne dies vorher anzugeben.

Anhang I, Nr. 9 → Unzutreffender Eindruck der Verkehrsfähigkeit von Waren oder Dienstleistungen
Es wird fälschlicherweise behauptet, eine Ware oder Dienstleistung sei verkehrsfähig.

Anhang I, Nr. 10 → Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des Angebots dar
Der Eindruck wird erweckt, dass gesetzlich vorgeschriebene Rechte eine Besonderheit des Angebots seien.

Anhang I, Nr. 11 → Verbot als Information getarnter Werbung
Werbung wird als neutrale Information getarnt, um die Kunden zu täuschen.

Anhang I, Nr. 12 → Unwahre Angaben über Gefahren für die persönliche Sicherheit
Es wird fälschlicherweise behauptet, der Verzicht auf den Kauf berge eine Gefahr für die persönliche Sicherheit.

Anhang I, Nr. 13 → Verbot der Täuschung über betriebliche Herkunft der beworbenen Ware oder Dienstleistung
Der Ursprung oder die Herkunft der Ware oder Dienstleistung wird irreführend dargestellt.

Anhang I, Nr. 14 → Förderung von Schneeball- oder Pyramidensystemen
Ein System wird beworben, bei dem der Verdienst hauptsächlich durch die Rekrutierung weiterer Teilnehmer entsteht.

Anhang I, Nr. 15 → Unwahre Angabe über Geschäftsaufgabe oder Standortverlegung
Es wird fälschlicherweise behauptet, das Unternehmen werde bald schließen oder umziehen.

Anhang I, Nr. 16 → Unzutreffende Angabe über Gewinnchancen bei Glücksspielen durch bestimmte Waren
Es wird behauptet, der Kauf einer Ware erhöhe die Chancen bei einem Glücksspiel.

Anhang I, Nr. 17 → Unwahre Angabe über das Gewinnen von Preisen oder Vorteilen
Ein Preis wird versprochen, obwohl es diesen nicht gibt, oder er ist an eine Zahlung geknüpft.

Anhang I, Nr. 18 → Unwahre Angabe über Heilwirkungen von Waren oder Dienstleistungen
Eine Ware oder Dienstleistung wird fälschlicherweise als heilend beworben.

Anhang I, Nr. 19 → Unwahre Angabe über Marktbedingungen oder Bezugsquellen
Es wird eine falsche Darstellung der Marktbedingungen gegeben, um den Verbraucher zu benachteiligen.

Anhang I, Nr. 20 → Verbot von Wettbewerben ohne tatsächliche Preisvergabe
Wettbewerbe werden angeboten, ohne dass die versprochenen Preise vergeben werden.

Anhang I, Nr. 21 → Unzutreffende Angaben über kostenlose Angebote
Es wird behauptet, ein Angebot sei kostenlos, obwohl versteckte Kosten anfallen.

Anhang I, Nr. 22 → Unzutreffende Zahlungsaufforderungen für unbestellte Waren oder Dienstleistungen
Es wird der Eindruck erweckt, eine nicht bestellte Ware oder Dienstleistung sei bereits bestellt.

Anhang I, Nr. 23 → Unzutreffender Eindruck der Verbrauchereigenschaft des Unternehmers
Es wird fälschlicherweise der Eindruck erweckt, der Unternehmer sei ein Verbraucher.

Anhang I, Nr. 24 → Unzutreffender Eindruck über Kundendienstverfügbarkeit in der EU
Der Eindruck wird erweckt, dass ein Kundendienst in einem anderen EU-Land verfügbar ist, obwohl dies nicht der Fall ist.

Anhang I, Nr. 25 → Erwecken des Eindrucks, den Raum ohne Vertragsabschluss nicht verlassen zu können
Es wird der Eindruck vermittelt, dass der Verbraucher den Raum nicht ohne Abschluss eines Vertrags verlassen kann.

Anhang I, Nr. 26 → Nichtbeachtung einer Aufforderung zum Verlassen der Wohnung bei persönlichen Besuchen
Trotz Aufforderung verlässt der Unternehmer die Wohnung nicht oder kehrt zurück, ohne dass dies rechtlich gerechtfertigt ist.

Anhang I, Nr. 27 → Verhinderung der Durchsetzung von Rechten aus einem Versicherungsvertrag
Der Verbraucher wird daran gehindert, seine vertraglichen Rechte aus einem Versicherungsverhältnis durchzusetzen.

Anhang I, Nr. 28 → Kauffaufforderungen an Kinder
Kinder werden direkt aufgefordert, Produkte zu kaufen oder ihre Eltern zum Kauf zu überreden.

Anhang I, Nr. 29 → Nicht bestellte Waren oder Dienstleistungen
Waren oder Dienstleistungen werden ohne Bestellung geliefert, um die Bezahlung zu erzwingen.

Anhang I, Nr. 30 → Angabe über Gefährdung des Arbeitsplatzes oder Lebensunterhalts bei Nichtabnahme der Ware
Es wird behauptet, der Arbeitsplatz oder Lebensunterhalt des Unternehmers sei gefährdet, wenn der Verbraucher das Produkt nicht kauft.

Anhang I, Nr. 31 → Förderung oder Bewerbung eines Produkts mit falschen Behauptungen über seine Heilungsfähigkeit
Es wird fälschlicherweise behauptet, ein Produkt habe die Fähigkeit, Krankheiten, Funktionsstörungen oder Missbildungen zu heilen, obwohl es dafür keine Beweise gibt.

siehe auch

Sekundärrecht der Europäischen Union
Umfasst die von den EU-Institutionen erlassenen Rechtsakte wie Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse, die auf Grundlage des Primärrechts (Verträge) erlassen werden und in den Mitgliedstaaten verbindlich sind.

1)
vgl. Art. 4 der Richtlinie; EuGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - C-304/08, Slg. 2010, I-254 = GRUR 2010, 244 Rn. 41 = WRP 2010, 232 - Zentrale/Plus Warenhandelsgesellschaft
2)
BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 - I ZR 2/11 - GOOD NEWS; m.V.a. EuGH, Urteil vom 23. April 2009 - C-261/07 und C-299/07, Slg. 2009, I-2949 = GRUR 2009, 599 Rn. 51 = WRP 2009, 722 - VTB/Total Belgium und Galatea/Sanoma
3)
BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 158/14 - Der Zauber des Nordens; m.V.a. BGH, GRUR 2010, 652 Rn. 11 - Costa del Sol; BGH, Urteil vom 22. März 2012 - I ZR 111/11, GRUR 2012, 1159 Rn. 9 = WRP 2012, 1384 - Preisverzeichnis bei Mietwagenangebot; Beschluss vom 18. September 2014 - I ZR 201/12, GRUR 2014, 1208 Rn. 11 = WRP 2014, 1444 - Preis zuzüglich Überführung
4)
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 4/06 - Millionen-Chance II; m.V.a. EuGH, GRUR 2010, 244 Rn. 41 - Plus; BGH, GRUR 2008, 807 Rn. 17 - Millionen-Chance I
5)
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 4/06 - Millionen-Chance II; m.V.a. EuGH, GRUR 2010, 244 Rn. 44 f. - Plus