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patentrecht:vindikationsanspruch

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Vindikationsanspruch

§ 8 S. 1 des Patentgesetzes (PatG) beschreibt den Anspruch des Berechtigten auf Abtretung des Patents.

§ 8 S. 1 PatG

Der Berechtigte, dessen Erfindung von einem Nichtberechtigten angemeldet ist, oder der durch widerrechtliche Entnahme Verletzte kann vom Patentsucher verlangen, dass ihm der Anspruch auf Erteilung des Patents abgetreten wird.

Ob ein Berechtigter nach § 8 Satz 1 und 2 PatG die Übertragung eines Patents oder die Einräumung einer Mitberechtigung daran verlangen kann, erfordert einen prüfenden Vergleich der zum Patent angemeldeten Lehre mit derjenigen, deren widerrechtliche Entnahme geltend gemacht wird. Dafür ist in erster Linie zu untersuchen, inwieweit beide Lehren übereinstimmen.1).2)

Zur Beurteilung der Frage, ob eine widerrechtliche Entnahme vorliegt, ist zunächst zu ermitteln, worin die streitgegenständliche Erfindung in ihrer Gesamtheit zu sehen ist, also welche technische Lehre entwickelt und in der Patentanmeldung sowohl in allgemeiner Form als auch in Gestalt konkreter Ausführungsformen beschrieben worden ist.3)

Der Gegenstand der Erfindung ergibt sich aus der Anmeldung insgesamt; die Patentansprüche sind dabei lediglich ein Teil der Gesamtoffenbarung4). So darf nicht allein der Gegenstand der Patentansprüche zum Maßstab für eine die (Mit-)berechtigung begründende Beteiligung genommen werden, sondern es ist die gesamte in dem Patent beschriebene Erfindung und deren Zustandekommen in den Blick zu nehmen und zu prüfen, mit welcher Leistung der Einzelne zu der in ihrer Gesamtheit zu betrachtenden Erfindung beigetragen hat.5)

Es ist ein prüfender Vergleich der zum Patent angemeldeten Lehre mit derjenigen, deren widerrechtliche Entnahme geltend gemacht wird, vorzunehmen. Dazu ist in erster Linie zu untersuchen, inwieweit beide Lehren übereinstimmen. Ob eine widerrechtliche Entnahme vorliegt, lässt sich in der dafür vorzunehmenden Gesamtschau zuverlässig nur auf der Grundlage festgestellter Übereinstimmungen zwischen der als entnommen geltend gemachten und der angemeldeten Lehre beurteilen.6)

Es ist für die Beurteilung des Abtretungsanspruchs unbeachtlich, ob die betreffende Erfindung patentfähig ist7). Denn es geht lediglich um die besseren Rechte am Gegenstand der Erfindung und nicht um dessen patentrechtliche Bewertung im Hinblick darauf, ob und mit welchem Inhalt hierauf ein Patent erteilt werden kann. Dementsprechend braucht der für die Begründung des (Mit-)Erfinderstatus erforderliche Beitrag nicht selbstständig erfinderisch sein. Es ist nicht notwendig, dass er für sich allein betrachtet alle Voraussetzungen einer patentfähigen Erfindung erfüllt.8)

Nur Beiträge, die den Gesamterfolg nicht beeinflusst haben und die in Bezug auf die Lösung unwesentlich sind oder die nach den Weisungen eines Erfinders oder eines Dritten geschaffen worden sind, reichen nicht aus, um die Stellung als (Mit) Erfinder zu begründen.9)

Die Annahme eines eine Mitberechtigung auslösenden schöpferischen Beitrags zur Entstehung des Gegenstandes der Vindikationsanmeldung setzt daher zunächst voraus, dass derjenige, der eine Mitberechtigung geltend macht, den Erfindern der Anmeldung einen auf die Lösung des technischen Problems der Anmeldung konkret zugeschnittenen Beitrag übermittelt hat. Die Übermittlung einer technischen Information, die nicht konkret ist, oder sich gar auf die Lösung eines anderen technischen Problems bezieht, kann zwar im weiteren Verlauf immer noch kausal für die Lösung des Problems der Anmeldung werden. Die Einräumung einer Mitberechtigung ist in diesem Fall aber nur dann gerechtfertigt, wenn der Kläger insoweit auch einen weiteren kausalen Anstoß zum Heranziehen dieser unkonkreten oder anderweitigen technischen Information zur Lösung des Problems der Anmeldung gegeben hat.10)

Andernfalls würden Ansprüche auf Einräumung von Mitberechtigungen ausufern und z.B. jeden Lehrenden an einer technischen Universität in die Lage versetzen, spätere Patentanmeldungen der Studierenden mit dem Argumente teilzuvindizieren, dass in der Vorlesung von ihnen mitgeteiltes technisches Wissen eingeflossen sei.11)

Miterfinder ist nur derjenige, der zu der unter Schutz gestellten Erfindung einen schöpferischen (allerdings nicht notwendig selbst erfinderischen) Beitrag [→ Schöpferischer Beitrag des Miterfinders] geleistet hat.12).

Nach § 8 PatG, § 13 Abs. 3 GebrMG kann der Berechtigte, dessen Erfindung von einem Nichtberechtigten angemeldet ist oder der durch widerrechtliche Entnahme Verletzte vom Patent- bzw. Gebrauchsmusterinhaber verlangen, dass ihm das Patent bzw. Gebrauchsmuster übertragen wird.13)

Berechtigter

Berechtigter des Anspruchs aus § 8 PatG ist der Erfinder oder sein Rechtsnachfolger.14)

Nichtberechtigter

Nichtberechtigter ist, wer nicht Erfinder oder dessen Rechtsnachfolger ist.15)

Kein Nichtberechtigter im Sinne des § 8 PatG ist somit jemand, der aufgrund einer Übertragung gemäß § 15 PatG selbst sachlich berechtigter Inhaber des Patents ist oder das Recht von einem solchen sachlich Berechtigten ableitet.16)

Eine sachliche Berechtigung kann dabei begründet werden durch jede Vollübertragung des Schutzrechts, aber auch beispielsweise durch eine treuhänderische oder zeitlich begrenzte Übertragung, etwa zur vorübergehenden Auswertung des Patents, soweit letztere noch nicht geendet hat.17)

Einwendungen

Dem auf Übertragung klagenden Erfindungsbesitzer kann jedoch entgegengehalten werden, er habe kein sachliches Recht an der Erfindung und deshalb auch kein Recht auf das Patent. Gesetzgeberischer Zweck des § 8 PatG ist es nämlich, das Auseinanderfallen von sachlichem und formellem Recht zu vermeiden. Das Patent soll derjenige erhalten, dem das Recht an der Erfindung sachlich zusteht. Wie in der Amtlichen Begründung zum Patentgesetz 1936 (Bl.f.PMZ 1936, 104 f.) zum Ausdruck gekommen ist, billigt das Gesetz dem Erfindungsbesitzer einen Anspruch lediglich aus Gründen der Beweiserleichterung zu, schließt aber den Einwand fehlender Rechtsinhaberschaft nicht aus.

Schutzfähigkeit

Die Schutzfähigkeit der entnommenen Erfindung ist nur im Einspruchsverfahren Voraussetzung für die widerrechtliche Entnahme. Für den Vindikationsanspruch spielt sie keine Rolle.18)

Vindikationsklage aufgrund widerrechtlicher Entnahme (§ 8 S.3 iVm § 8 I S.1 2. Alt PatG)

Voraussetzung ist das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der widerrechtlichen Entnahme, also im wesentlichen der Erfindungsbesitz des Klägers. Dies ist eine wichtige Erleichterung gegenüber dem Nachweis der materiellen Berechtigung, denn den möglichen Einwand der fehlenden (alleinigen) materiellen Berechtigung des Klägers hat der Beklagte zu beweisen.

Die materielle Berechtigung des Klägers ist beispielsweise nicht gegeben, wenn er nur Mitinhaber ist.

Vindikationsklage nach Anmeldung durch den Nichtberechtigten (§ 8 S.3 iVm § 8 I S.1 1. Alt PatG)

Es ist auf die materielle Berechtigung (§ 6 PatG) abzustellen, der Erfindungsbesitz ist nicht maßgeblich. Damit kann beispielsweise der Erbe, der eine widerrechtliche Entnahme mangels Erfindungsbesitzes nicht geltend machen kann, seinen Vindikationsanspruch geltend machen.

Anspruchsvoraussetzungen:

  • Materielle Berechtigung des Klägers
  • Nichtberechtigung des Beklagten
  • Wesensgleichheit zwischen angemeldeter bzw. patentierter Erfindung und Erfindungsbesitz des Klägers / Einsprechenden
  • Kausalität (Gegenstand der Anmeldung / des Patents muß ursächlich auf den Erfindungsbesitz des Verletzten zurückgehen; 'Entnahme')
  • Anmeldung ohne Zustimmung des Erfindungsbesitzers (Widerrechtlichkeit)
  • Frist (§ 8 S. 3, 4 und 5)

Im auf widerrechtliche Entnahme gestützten Vindikationsprozess kann dem bloßen Erfindungsbesitzer seine mangelnde materielle Berechtigung an der Anmeldung / dem Patent entgegengehalten werden. Vom Gericht muß der Einwand voll berücksichtigt werden. 19)

Die Widerrechtlichkeit kann auch darin liegen, daß ein Miterfinder einer Erfindergemeinschaft alleine angemeldet hat, obwohl er hierzu nur in Gemeinschaft mit den übrigen Miterfindern berechtigt ist.

Anmeldung durch den Arbeitnehmererfinder nach Inanspruchnahme

Bei Anmeldung durch den Arbeitnehmer nach Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber besteht ebenfalls ein Übertragungsanspruch wegen Anmeldung durch Nichtberechtigten (§ 8 I S. 1, 1. Alt.) vgl. GRUR 2011, 733 „Anforderungen an ordnungsgemäße Diensterfindung“.

siehe auch

§ 8 PatG → Vindikation
Regelt die Ansprüche des Berechtigten, dessen Erfindung von einem Nichtberechtigten angemeldet wurde.

1)
BGH, Urteil vom 26. Juli 2022 - X ZR 1/21 - Brustimplantat; Bestätigung von BGH, Urteil vom 20. Oktober 2015 - X ZR 149/12, GRUR 2016, 265 Rn. 22 - Kfz-Stahlbauteil; Urteil vom 4. August 2020 - X ZR 38/19, GRUR 2020, 1186 Rn. 41 - Mitralklappenprothese). Ob und gegebenenfalls inwieweit eine widerrechtliche Entnahme vorliegt, lässt sich in der dafür vorzunehmenden Gesamtschau zuverlässig nur auf der Grundlage festgestellter Übereinstimmungen zwischen der als entnommen geltend gemachten und der angemeldeten Lehre beurteilen. Das gilt schon deshalb, weil dem Vindikationsanspruch auch derjenige ausgesetzt ist, der keine vollständige und eventuell für sich allein schutzfähige Erfindung, aber einen wesentlichen Beitrag zu dem von ihm angemeldeten oder für ihn geschützten Gegenstand entnommen hat, sofern das Entnommene einen erfinderischen Beitrag, einen schöpferischen Anteil oder eine qualifizierte Mitwirkung an dem Gegenstand der Anmeldung oder des erteilten Schutzrechts darstellt((BGH, Urteil vom 17. Januar 1995 - X ZR 130/93, Mitt. 1996, 16, 18 Gummielastische Masse I
2)
BGH, Urteil vom 20. Oktober 2015 - X ZR 149/12 - Kfz-Stahlbauteil
3)
LG München I, Endurteil vom 22.02.2018 - 7 O 4209/17; m.V.a. BGH GRUR 2011, 903, Rn. 23 – Atemgasdrucksteuerung
4)
BGH GRUR 2005, 1023, 1024 – Einkaufswagen II
5)
LG München I, Endurteil vom 22.02.2018 - 7 O 4209/17; m.V.a. BGH GRUR 1979, 540, 541 – Biedermeiermanschetten
6)
LG München I, Endurteil vom 22.02.2018 - 7 O 4209/17; m.V.a. BHG, Urteil vom 20.12.2015, X ZR 149/12 – Kfz-Stahlbauteil
7)
BGH, Urteil vom 17.05.2011, X ZR 53/08 - Atemgasdrucksteuerung
8)
LG München I, Endurteil vom 22.02.2018 - 7 O 4209/17; m.V.a. BGH, GRUR 2004, 50 [51] – Verkranzungsverfahren
9) , 10)
LG München I, Endurteil vom 22.02.2018 - 7 O 4209/17
11)
LG München I, Endurteil vom 22.02.2018 - 7 O 4209/17; m.V.a. Landgericht München I, 7 O 19987/15, Urteil vom 22.12.2016
12)
LG München I, Endurteil vom 22.02.2018 - 7 O 4209/17; m.V.a. BGH, GRUR 1969, 133, 135 - Luftfilter; BGH, GRUR 1977, 784, 787 - Blitzlichtgeräte; BGH, GRUR 2001, 226, 227 - Rollenantriebseinheit; BGH, Mitt 1996, 16, 18 - Gummielastische Masse
13)
LG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2007, 4a O 324/06 - Übertragung von Schutzrechten in der Insolvenz
14)
BGH GRUR 1982, 95 – Pneumatische Einrichtung
15) , 16) , 17)
LG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2007, 4a O 324/06 - Übertragung von Schutzrechten in der Insolvenz; m.V.a. BGH GRUR 1982, 95 – Pneumatische Einrichtung
18)
BGH GRUR 1962, S. 140 „ Stangenführungsrohre„:„Hier wie dort (bei Anmeldung und Patent) würde die Zulassung des Einwands fehlender Schutzfähigkeit des Entnommenen dazu führen, daß in einem Rechtsstreit, der lediglich die Klärung der Rechtsinhaberschaft zum Ziel hat, nicht so sehr um dies eigentliche Streitthema als vielmehr um die dem Streitstoff fremde und erst nach längerer Prüfung entscheidbare Frage gestritten wird, ob das von beiden Streitteilen in Anspruch Genommene ein schutzfähiges Recht darstellt oder nicht. Damit würde der Prozeß um die Berechtigung des Abtretungsverlangens durch Belastung mit einem ihm wesensfremden zusätzlichen Streitstoff eine Verzögerung erfahren, die schon mit dem Wesen und Zweck der erfinderrechtlichen Vindikation unvereinbar ist.“
„Die Zulassung des Einwands fehlender Schutzfähigkeit des Entnommenen gegenüber dem erfinderrechtlichen Vindikationsanspruch wäre darüber hinaus aber auch eine unnötige Erschwerung oder gar Gefährdung des Begehrens des Verletzten auf Rechtsschutz. Dies gilt etwa dann, wenn der Verletzte die Erlangung des Schutzrechts überhaupt nicht anstrebt, sich vielmehr nur davor sichern will, daß der Entnehmer das entnommene Geistesgut zu einem ihm zustehenden Ausschließungsrecht ausbaut, auf das er sich vielleicht gerade in seinen Auseinandersetzungen gegenüber dem Verletzten berufen wird. Entsprechendes gilt aber auch dann, wenn der Verletzte die Anmeldung eines Schutzrechts beabsichtigte, der Entnehmer ihm aber zeitlich zuvorgekommen ist, so daß der Verletzte den erfinderrechtlichen Vindikationsanspruch dadurch geltend macht, daß er Abtretung des Anspruchs auf Erteilung des Patents verlangt, also in die Rechtsstellung des Entnehmers aus einer noch schwebenden Patentanmeldung einrücken will. Bei Sachlagen dieser Art ist noch nicht abzusehen, ob die Anmeldung tatsächlich zur Erteilung des Schutzrechts führen wird.“
19)
GRUR 1991, 127 „Objektträger“: „a) Zutreffend hat das BerG angenommen, daß ein Erfindungsbesitzer nach §§ 13 GebrMG, 8 PatG nur dann einen Anspruch auf Übertragung des Rechts geltend machen kann, wenn er sachlich berechtigt ist.„
patentrecht/vindikationsanspruch.txt · Zuletzt geändert: 2025/01/18 08:37 von mfreund