Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte [→ Zeitgeschehen];
§ 23 (1) Nr. 2 KUG → Personen als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit
§ 23 (1) Nr. 3 KUG → Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen
§ 23 (1) Nr. 4 KUG → Bildnisse in höherem Interesse der Kunst
§ 23 (2) KUG → Einschränkung der Abbildungsfreiheit bei berechtigtem Interesse des Abgebildeten
§ 22 KUG → Recht am eigenen Bild
→ Zeitgeschehen
→ Nutzung eines Bildnisses für Werbezwecke
→ Schutz der Pressewerbung (Grundrecht)
Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Dieser darf nicht zu eng verstanden werden. Er beschränkt sich nicht auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung, sondern ist vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen. Mit Blick darauf umfasst er ganz allgemein das Geschehen der Zeit, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse.1)
Es gehört zum Kern der Pressefreiheit, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht.2)
Auch unterhaltende Beiträge, etwa über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen, nehmen grundsätzlich an diesem Schutz teil, ohne dass dieser von der Eigenart oder dem Niveau des jeweiligen Beitrags oder des Presseerzeugnisses abhängt.3)
Sofern der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eröffnet ist, erfordert die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine - revisionsrechtlich voll zu überprüfende - Abwägung zwischen dem Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und dem von der Beklagten wahrgenommenen Informationsinteresse der Öffentlichkeit.4)
Der Prüfung ist ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, der den widerstreitenden Interessen ausreichend Rechnung trägt.5)
Bei der Gewichtung des Informationsinteresses der Allgemeinheit kommt dem Informationswert der Abbildung und der sie begleitenden Berichterstattung eine entscheidende Bedeutung zu.6)
Eine solche Gewichtung ist nicht aufgrund der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) ausgeschlossen, weil das Recht der Presse, nach publizistischen Kriterien selbst über Gegenstand und Inhalt ihrer Berichterstattung zu entscheiden, nicht von der Abwägung mit den geschützten Rechtspositionen derjenigen befreit, über die berichtet wird.7)
Zwar steht es der Presse grundsätzlich frei, Textberichte durch Bilder zu illustrieren, ohne dass eine Bedürfnisprüfung stattfindet, ob die Bebilderung veranlasst war.8) Enthält das Presseerzeugnis eine dem Schutz der Pressefreiheit unterliegende Bildberichterstattung über eine prominente Person, darf auch mit deren Bildnis auf dem Titelblatt geworben werden. Erschöpft sich eine Berichterstattung aber nur darin, einen Anlass für die Abbildung einer prominenten Person zu schaffen, weil ein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung nicht erkennbar ist, begrenzt das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten nicht nur die Berichterstattung, sondern auch die Werbung für das Presseerzeugnis.9)
Auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG kann sich allerdings nicht berufen, wer keinem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit nachkommt, sondern durch Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken allein sein Geschäftsinteresse befriedigen will [→ Nutzung eines Bildnisses für Werbezwecke].10)
Bei der Gewichtung des Persönlichkeitsrechts des Abgebildeten ist die Intensität des in Rede stehenden Eingriffs zu berücksichtigen, die sich auch auf eine ungewollte Vereinnahmung für fremde kommerzielle Werbeinteressen beziehen kann.11)
Ein Eingriff hat besonderes Gewicht, wenn die Werbung den Eindruck erweckt, die abgebildete Person identifiziere sich mit dem beworbenen Produkt, empfehle es oder preise es an.12)
Erhebliches Gewicht kommt einem Eingriff aber auch dann zu, wenn - ohne dass der Bildberichterstattung eine ausdrückliche Empfehlung des Abgebildeten für das Produkt entnommen werden kann - durch ein unmittelbares Nebeneinander der Ware und des Abgebildeten in der Werbung das Interesse der Öffentlichkeit an der Person und deren Beliebtheit auf die Ware übertragen wird, weil der Betrachter der Werbung eine gedankliche Verbindung zwischen dem Abgebildeten und dem beworbenen Produkt herstellt, die zu einem Imagetransfer führt.13)
Dagegen hat der Eingriff geringeres Gewicht, wenn die Abbildung einer prominenten Person in der Werbung weder Empfehlungscharakter hat noch zu einem Imagetransfer führt, sondern lediglich die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das beworbene Produkt lenkt.14)
Die für die Beurteilung der Verwendung von Bildnissen im Rahmen von Werbeanzeigen entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen für eine redaktionelle Bildberichterstattung, die (auch) der Eigenwerbung dient.15)
Für die Abwägung ist weiter bedeutsam, ob der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nur dessen lediglich einfachrechtlich geschützten vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt oder darüber hinaus dessen auch verfassungsrechtlich gewährleisteten ideellen Bestandteil betrifft. Den nur einfachrechtlich geschützten vermögensrechtlichen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts kommt nicht grundsätzlich der Vorrang gegenüber der verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit zu.16)
Das abgestufte Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG steht sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang.17)
Es ist zudem mit der Richtlinie 95/46/EG [→ Datenschutzrichtlinie] zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr vereinbar.18)
Ein Foto, das eine prominente Person zeigt und von einem breiten Publikum als Symbolbild (hier: für eine Kreuzfahrt) angesehen wird, darf - selbst in einem redaktionellen Kontext - nicht schrankenlos zur Bebilderung eines Presseartikels (hier: über ein Gewinnspiel, dessen Hauptgewinn eine Kreuzfahrt ist) genutzt werden. Der Symbolcharakter des Fotos ist vielmehr in die nach §§ 22, 23 KUG vorzunehmende umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen einzustellen.19)
Auch durch unterhaltende Beiträge kann nämlich Meinungsbildung stattfinden; solche Beiträge können die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen und beeinflussen als sachbezogene Informationen. Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse in den gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, innerhalb dessen sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist. Deshalb muss die Presse zur Wahrnehmung ihrer meinungsbildenden Aufgaben nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält. Auch wenn die Presse zur Wahrung der Pressefreiheit und zur Vermeidung einer vom Grundgesetz untersagten Zensur selbst nach publizistischen Kriterien entscheiden darf, worüber sie berichten will, kann sie sich damit nicht der Abwägung mit der geschützten derjenigen entziehen, über die sie berichten will. Deshalb muss eine Interessenabwägung stattfinden, und zwar zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner andererseits. Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen desto schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist. Das Interesse der Leser an bloßer hat gegenüber dem Schutz der regelmäßig ein geringeres Gewicht. Diese Grundsätze gelten auch für Personen von hohem Bekanntheitsgrad. Deshalb kann auch bei den bisher so genannten Personen der Zeitgeschichte nicht außer Betracht bleiben, ob die Berichterstattung zu einer mit einem Sachgehalt beiträgt, der über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgeht. Das schließt es freilich nicht aus, dass je nach Lage des Falles für den Informationswert einer Berichterstattung auch der Bekanntheitsgrad des Betroffenen von Bedeutung sein kann. In jedem Fall ist bei der Beurteilung des Informationswerts bzw. der , ob es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinn des allgemein interessierenden Zeitgeschehens handelt, ein weites Verständnis geboten, damit die Presse ihren meinungsbildenden Aufgaben werden kann, die nach wie vor von größter Bedeutung sind.20)
Dabei ist der Begriff des Zeitgeschehens in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zugunsten der Pressefreiheit zwar in einem weiten Sinn zu verstehen, doch ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, sodass eine Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden.21)
Die Grundrechte der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und des Schutzes der Persönlichkeit (Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG) sind ihrerseits nicht vorbehaltlos gewährleistet. Die Pressefreiheit findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Zu diesen zählen unter anderem die in §§ 22 f. KUG und auch Art. 8 EMRK. Die in §§ 22 f. KUG enthaltenen Regelungen sowie die vor Art. 10 EMRK verbürgte Äußerungsfreiheit beschränken zugleich als Bestandteile der verfassungsgemäßen Ordnung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG den Persönlichkeitsschutz. Die Auslegung und Anwendung solcher Schrankenregelungen und ihre abwägende Zuordnung zueinander durch die Gerichte hat der interpretationsleitenden Bedeutung der von der Schrankenregelung bestimmten Grundrechtsposition Rechnung zu tragen sowie die entsprechenden Gewährleistungen der europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Bestimmung der Reichweite des durch Art. 8 Abs. 1 EMRK dem privaten des Einzelnen gewährten Schutzes der situationsbezogene Umfang der berechtigten Privatheitserwartungen des Einzelnen zu berücksichtigen ist22); auch kann die Gewährleistung des Art. 8 Abs. 1 EMRK einen Anspruch auf Schutz durch die staatlichen Gerichte vor Veröffentlichung von Bildnissen des Einzelnen aus seinem Alltagsleben einschließen23).24)
Über die Reichweite dieses Schutzes ist im konkreten Fall durch Berücksichtigung der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 10 Abs. 1 EMRK gewährleisten Äußerungsfreiheit und ihrer in Art. 10 Abs. 2 EMRK geregelten Schranken im Wege der Abwägung zu entscheiden.25)
Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen desto schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist. Das Interesse der Leser an bloßer hat gegenüber dem Schutz der Privatsphäre regelmäßig ein geringeres Gewicht.26)
Der gehört selbst bei Prominenten zum regelmäßig geschützten Kernbereich der Privatsphäre.27)
Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen durch die Presse ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen28). Danach besteht eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Einwilligungserfordernis des § 22 KUG bei Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Nr. 1 KUG), wobei die Verbreitung des Bildnisses allerdings unzulässig ist, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden.29)
Auch bei Personen, die unter dem Blickpunkt des zeitgeschichtlichen Ereignisses i. S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG an sich ohne ihre Einwilligung die Verbreitung ihres Bildnisses dulden müssten, ist eine Verbreitung der Abbildung nicht zulässig, wenn hierdurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).30)
Maßgebend für die Beurteilung, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens.
Schon nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 09.01.1907 (KUG), vor allem aber im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst der Begriff der Zeitgeschichte nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, und wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt.31)
Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG nimmt nach der Intention des Gesetzgebers und nach Sinn und Zweck der Regelung in Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG Rücksicht auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit. Die Belange der Öffentlichkeit sind gerade bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals “aus dem Bereich der Zeitgeschichte” zu beachten. Eine Abwägung der widerstreitenden Rechte und Grundrechte der abgebildeten aus Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sowie aus Art. 1 Abs. 1,2 Abs. 1 GG einerseits und der Presse aus Art. 10 EMRK und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits ist schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte erforderlich. Dabei ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher der Pressefreiheit und zugleich dem Schutz der Persönlichkeit und ihrer ausreichend Rechnung trägt. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen.32)
Kommt es mithin für diese Abwägung maßgeblich auf den Informationswert der Abbildung an, so kann, da im Streitfall die beanstandete Abbildung im Zusammenhang mit einer Wortberichterstattung verbreitet worden ist, bei der Beurteilung diese zugehörige Wortberichterstattung nicht unberücksichtigt bleiben.33)
Der Begriff der Zeitgeschichte ist im weitesten Sinne zu verstehen und bezeichnet den Bereich, der zwischen Tagesaktualität und angesiedelt wird und in der Öffentlichkeit beachtet wird und Aufmerksamkeit findet.34)
Für die Zulässigkeit der Veröffentlichung ohne Einwilligung gemäß § 23 Abs. 1 KUG reicht es jedoch nicht aus, wenn nur die Umstände von zeitgeschichtlicher Bedeutung sind. Vielmehr müssen stets sowohl das Ereignis bzw. die Umstände als auch die abgebildete die Zeitgeschichte ausmachen.35)