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Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.
§ 23 (1) Nr. 1 KUG → Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte
§ 23 (1) Nr. 2 KUG → Personen als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit
§ 23 (1) Nr. 3 KUG → Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen
§ 23 (2) KUG → Einschränkung der Abbildungsfreiheit bei berechtigtem Interesse des Abgebildeten
§ 22 KUG → Recht am eigenen Bild
Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG sind erfüllt, wenn die Verbreitung oder Schaustellung des Bildnisses einem höheren Interesse der Kunst dient. Eine Verbreitung des Bildnisses liegt vor bei einer Weitergabe (insbesondere) körperlicher Exemplare des Bildnisses, eine Zurschaustellung bei dessen Sichtbarmachung für die Öffentlichkeit.1)
Die Verbreitung oder Schaustellung des Bildnisses dient einem Interesse der Kunst, wenn sie zu einem der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG [→ Kunstfreiheit] unterfallenden Zweck erfolgt.2) Der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vermittelte Schutz hängt nicht von einer bestimmten künstlerischen Qualität ab.3)
Es ist nicht erforderlich, dass es sich bei dem verwendeten Bildnis um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt.4)
Auf § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG kann sich allerdings nicht berufen, wer keinen dem Schutzbereich der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterfallenden Zweck verfolgt, sondern durch Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken allein sein Geschäftsinteresse befriedigen will.5)
Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch die Werbung für ein Kunstwerk - ebenso wie das Kunstwerk selbst - den Schutz der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG in ihrem sogenannten Wirkbereich genießt.6)
Ein Überwiegen wirtschaftlicher gegenüber künstlerischen Zwecken schließt den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG nicht aus7), ist aber bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen.8)
Sofern der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG eröffnet ist, erfordert die Beurteilung, ob die Verbreitung oder Schaustellung des Bildnisses der Klägerin einem höheren (also überwiegenden) Interesse der Kunst dient, eine - revisionsrechtlich voll zu überprüfende - Abwägung zwischen dem Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit und dem von der Beklagten wahrgenommenen Interesse, ein in ihrer Verantwortung aufgeführtes Kunstwerk zu vermarkten. Der Prüfung ist ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, der den widerstreitenden Interessen ausreichend Rechnung trägt.9)
Ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG wird verletzt, wenn der Abbildung ein - bei der Abwägung nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG noch nicht berücksichtigter - eigenständiger Verletzungsgehalt innewohnt, beispielsweise durch die Art ihrer Gewinnung oder Darstellung.10)
Soweit eine Bildnisverwendung mit einer Wortäußerung zusammentrifft, ist auch Letztere in die Prüfung der Frage einzubeziehen, ob Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten verletzt werden.11) Hierfür ist der objektive Sinn der Äußerung aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums zu ermitteln.12)
Die Sinndeutung unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht.13)
Auszugehen ist vom Wortlaut der Äußerung, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann. Darüber hinaus muss der Gesamtzusammenhang, in dem die Äußerung gefallen ist, in den Blick genommen werden. Fernliegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn unter Zugrundelegung dieses Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zu Grunde zu legen. Zeigt sich aber, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist bei der weiteren Prüfung von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen.14)
An einer geschlossenen, aus sich heraus aussagekräftigen Tatsachenbehauptung fehlt es hingegen bei Äußerungen, die in einem Maße vieldeutig erscheinen, dass sie gar nicht als eigenständige Behauptung eines bestimmten Sachverhalts verstanden, sondern ohne Weiteres als in tatsächlicher Hinsicht unvollständig und ergänzungsbedürftig erkannt werden, insbesondere bei Slogans und schlagwortartigen Äußerungen.15)
Der Wortlaut der Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG, der darauf abstellt, ob die Verbreitung oder Schaustellung des Bildnisses - nicht das Bildnis selbst - einem höheren Interesse der Kunst dient, schließt eine Verwendung des Bildnisses für ein anderes Kunstwerk ohne Weiteres ein. Es kommt auch nicht darauf an, ob das andere Kunstwerk von demselben Künstler stammt, der das Bildnis gefertigt hat.16))
Vor dem Hintergrund des weiten Schutzbereichs der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist auch die Bewerbung des anderen Kunstwerks vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst. Dieser Sichtweise steht nicht entgegen, dass der Senat in seiner Entscheidung „Marlene Dietrich“ nicht (auch) diese Vorschrift, sondern nur § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG angewendet hat. In diesem Fall bestand kein für Dritte erkennbarer Zusammenhang zwischen den beworbenen Produkten und dem Musical, so dass die Kunstfreiheit nicht einschlägig war.17)
Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG → Kunstfreiheit
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