§ 2 (2) S. 4 PatKostG → Streitwert im Verfahren vor dem Bundespatentgericht
§ 51 Abs. 1 GKG → Streitwert im gewerblichen Rechtsschutz
§ 40 GKG → Zeitpunkt der Wertberechnung
§ 63 GKG → Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren
§ 32 RVG → Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren
→ Streitwert bei Verbindung von Nichtigkeitsklagen
→ Streitwert im Nichtigkeitsberufungsverfahren
→ Streitwert bei mehreren Nichtigkeitsklägern
→ Gegenstandswert des patentrechtlichen Rechtsbeschwerdeverfahrens
Nach § 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG finden für die Festsetzung des Streitwert des Patentnichtigkeitsverfahren die Vorschriften des Gerichtskostengesetztes (GKG) entsprechend Anwendung. Deshalb sind nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG die für den Wert zu erhebenden Gebühren festzusetzen, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder wenn sich das Verfahren anderweitig erledigt, wie vorliegend infolge Rücknahme der Klage.1)
Hierbei richtet sich die Höhe der Gebühren gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 PatKostG nach dem Streitwert, mithin auch nach § 51 Abs. 1 GKG [→ Streitwert im gewerblichen Rechtsschutz], wonach in Verfahren über Ansprüche nach dem Patentgesetz der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen ist.2)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dafür im Allgemeinen der gemeine Wert des Patents bei Erhebung der Klage bzw. der Einlegung der Berufung zuzüglich des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen maßgeblich.3)
Der für das vorliegende Patentnichtigkeitsverfahren gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG i. V. m. § 63 GKG festzusetzende Streitwert für die Gerichtsgebühren ist nach dem wirtschaftlichen Interesse der Allgemeinheit an der Vernichtung des angegriffenen Patents für die restliche Laufzeit zu bestimmen.4)
Die mit dem Streitpatent erzielten Umsätze können zwar in die Schätzung einfließen, sind aber nicht allein maßgeblich, vor allem, wenn sie aufgrund Verletzungsstreitigkeiten reduziert sind. Entscheidend ist vielmehr das Marktpotential des Streitpatents.5))
In der Regel wird der Streitwert nach dem Streitwert eventueller Verletzungsprozesse plus einem Aufschlag bzw. nach der Höhe eventuell geltend gemachter Schadensersatzforderungen bemessen.6)
Die (vorläufige) Streitwertfestsetzung im Verletzungsverfahren beziffert regelmäßig das Interesse des Nichtigkeitsklägers an der erstrebten Vernichtung des Streitpatents, mit der der Patentverletzungsklage die Grundlage entzogen werden soll. Eine Streitwertfestsetzung im Nichtigkeitsverfahren unterhalb dieses Betrages kommt daher regelmäßig nicht in Betracht.7)
In Ermangelung anderer Anhaltspunkte legt der Senat in ständiger Rechtsprechung die (vorläufige) Streitwertfestsetzung aus anhängigen Verletzungsverfahren zugrunde. Diese spiegelt regelmäßig das Interesse des Nichtigkeitsklägers an der erstrebten Vernichtung des Streitpatents wieder, mit der der Patentverletzungsklage die Grundlage entzogen werden soll. Dieser Betrag ist in der Regel um 25% zu erhöhen, um dem Wert der eigenen Nutzung Rechnung zu tragen.8)
Zur Bestimmung des billigen Ermessens weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass der im Verletzungsverfahren vom Kläger bezifferte Betrag der Schadensersatzforderung in voller Höhe in die Wertbestimmung einzustellen ist, wenn bei Erhebung der Nichtigkeitsklage – also im maßgeblichen Zeitpunkt nach § 40 GKG – über die streitige Höhe des wegen Verletzung des Streitpatents bereits entstandenen Schadens noch keine abschließende gerichtliche Entscheidung ergangen ist.9)
Ob sich dieser Wert als realistisch erweist oder als völlig unrealistischer „Phantasiewert“, ist im Hinblick auf die allein dem Verletzungsstreitgericht vorbehaltene konkrete Schadensermittlung eine Frage der Berechtigung der Schadensersatzforderung, die ausschließlich im Patentverletzungsprozess zu klären ist.10)
Ebenso unerheblich ist in Anbetracht der Regelung in § 144 PatG, § 51 Abs. 5 GKG, welche eine Streitwertherabsetzung ermöglichen, ob die danach maßgebliche Höhe des Streitwerts im Nichtigkeitsverfahren zu einer erheblichen Belastung für die Streitparteien führt.11)
Dem Umstand, dass der gemeine Wert des Patents in der Regel über dieses Individualinteresse hinausgeht, ist bei der Wertfestsetzung mangels anderweitiger Anhaltspunkte dadurch Rechnung zu tragen, dass der Gegenstandswert um ein Viertel höher als der Streitwert des Verletzungsprozesses angenommen wird.12)
Das Prozessgericht hat den Wert für die zu erhebenden Gebühren festzusetzen, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG).13)
Bei der Bestimmung des Werts des Patentnichtigkeitsverfahrens ist die Klagesumme einer bezifferten Patentverletzungsschadensersatzklage regelmäßig in voller Höhe zu berücksichtigen.14)
Bei der Patentnichtigkeitsklage handelt es sich um eine Popularklage, die bei in Kraft stehendem Patent von Jedermann ohne das Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses erhoben werden kann. Die Gefahr, dass eine unabsehbare Zahl von Klägern das Patent angreift, besteht allerdings regelmäßig nicht, da im Allgemeinen nur im Verletzungsprozess vom Patentinhaber in An-spruch genommene Personen oder Unternehmen oder solche, denen eine Inanspruchnahme droht, ihrerseits ein Kostenrisiko eingehen und Nichtigkeitsklage erheben werden. Dass der Patentinhaber bei subjektiver Klagehäufung einem erhöhten Kostenrisiko ausgesetzt ist, ist dabei zwangsläufige Folge dieser Ausgestaltung des Klagerechts und daher grundsätzlich hinzunehmen.15)
Maßgeblich für die Wertbestimmung ist die wirtschaftliche Ausbeute, die der Patentinhaber mit der Verwertung des Patents erzielen kann (§ 9 PatG und Art. 64 EPÜ). Der Patentinhaber kann neben der Eigennutzung die Rechte aus dem Patent gegenüber Wettbewerbern mittels Erhebung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen geltend machen. Er kann aber auch Lizenzvereinbarungen über eine Benutzung der Lehre des Patents treffen und nach Beendigung der Lizenzvereinbarung durch Zeitablauf oder Kündigung gegebenenfalls erneut Unterlassungsansprüche stellen. Der Wert des Patents verändert sich durch die unterschiedlichen Verwertungsarten nicht.16)
Wird das Streitpatent von mehreren Klägern in demselben Umfang angegriffen, ist für eine Aufteilung des Streitwerts auf die einzelnen Klagen und eine gesonderte Wertfestsetzung für den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des einzelnen Klägers kein Raum.17) → Streitwert des Nichtigkeitsverfahrens
Wird nach teilweiser Vernichtung des Streitpatents im ersten Rechtszug nur von einer Seite Berufung eingelegt oder die zunächst von beiden Seiten eingelegte Berufung von einer Seite zurückgenommen, führt dies im Grundsatz dazu, dass nur das durch die verbleibenden Berufungsanträge umschriebene Klageziel in den Berufungsstreitwert einfließt.18)
Der Umstand, dass das Streitpatent als standardessentiell [→ Standardessentielle Patente] angesehen wird, vermag es für sich gesehen nicht zu rechtfertigen, den Streitwert des Patentnichtigkeitsverfahrens auf einen Betrag festzusetzen, der den Streitwert der auf dieses Patent gestützten Verletzungsprozesse um mehr als ein Viertel übersteigt.19) Der Umstand, dass es sich um ein Patent handelt, dessen Nutzung für den Zugang zu einem bestimmten Markt essentiell ist, findet in der Regel bereits bei der Festsetzung des Streitwerts im Verletzungsprozess [§ 20 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO → Streitwert im Patentverletzungsverfahren] Berücksichtigung.20)
Ist das mit der Nichtigkeitsklage angegriffene Patent Teil eines Portfolios aus zahlreichen Schutzrechten, das typischerweise in seiner Gesamtheit lizensiert wird, wird die Marktstellung des Inhabers durch den Wegfall dieses einzelnen Rechts in der Regel nur marginal beeinträchtigt. Dieser führt zwar nicht dazu, dass der Eigennutzungsanteil oder der Wert des Patents insgesamt als marginal zu bewerten ist. Er hat aber zur Folge, dass ein Zuschlag von 25 % auf den addierten Streitwert anhängiger Verletzungsverfahren auch für solche Patente in der Regel den Wert der Eigennutzung angemessen widerspiegelt.21)
Für die Festsetzung des Streitwerts im Patentnichtigkeitsverfahren sind Wertänderungen, die nach Erhebung der Klage bzw. Einlegung des Rechtsmittels eingetreten sind, grundsätzlich unerheblich. Zu berücksichtigen sind jedoch Erkenntnisquellen, die zwar erst nach dem maßgeblichen Stichtag zutage getreten sind, aber ein neues Licht auf die Wertverhältnisse an diesem Tag werfen.22)
Wenn in der Berufungsinstanz des Nichtigkeitsverfahrens nicht mehr über den gesamten erstinstanzlichen Streitgegenstand zu entscheiden ist, kann es angezeigt sein, für die zweite Instanz einen niedrigeren Streitwert festzusetzen. Eine solche Reduzierung ist jedoch in der Regel nicht angemessen, wenn die Unterschiede im Streitgegenstand weder für ein anhängiges oder bereits abgeschlossenes Verletzungsverfahren noch für den sonstigen Wert des Streitpatents von erkennbarer Bedeutung sind.23)
Die während der möglichen Restlaufzeit eines Formulierungspatents zu erwartenden Umsätze der Patentinhaberin mit einem bestimmten Arzneimittel bilden keine geeignete Grundlage für die Festsetzung des Streitwerts eines Patentnichtigkeitsverfahrens, wenn dieses Arzneimittel von der Lehre des Streitpatents keinen Gebrauch macht. 24)
Der Streitwert eines Verletzungsrechtsstreits bildet grundsätzlich auch dann einen maßgeblichen Anhaltspunkt für den Wert des mit einer Nichtigkeitsklage angegriffenen Patents, wenn die Anträge im Verletzungsverfahren zurückgenommen worden sind.25)