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→ Arzneimittel
→ Funktionsarzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG Art. 1 Nr. 2 Buchst. b)
→ Pharmakologische Wirkung
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 AMG gelten Gegenstände, die ein Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 AMG enthalten oder auf die ein Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 AMG aufgebracht ist und die dazu bestimmt sind, dauernd oder vorübergehend mit dem menschlichen oder tierischen Körper in Berührung gebracht zu werden, als Arzneimittel.1)
Arzneimittel sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG unter anderem Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung [→ Pharmakologische Wirkung] wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Die Vorschrift dient der Umsetzung des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b Fall 1 der Richtlinie 2001/83/EG und ist daher unionsrechtskonform auszulegen.2)
Nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. b Fall 1 der Richtlinie 2001/83/EG sind Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen.3)
Nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG (umgesetzt durch § 2 Abs. 3a AMG) gilt diese Richtlinie in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von „Arzneimittel“ als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftsrechtliche Vorschriften geregelt ist.4)
Die Einordnung eines Präparats als Funktionsarzneimittel kann nicht auf eine Angabe gestützt werden, die nur für die Einordnung als Präsentationsarzneimittel spricht.5)
Der Begriff des Funktionsarzneimittels nach § 2 AMG ist im Sinne des europarechtlichen Arzneimittelbegriffs nach den Richtlinien 2004/27/EG vom 31. März 2004 und 2001/83/EG vom 6. November 2001 zu bestimmen.6)
Nach den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Senats aufgestellten Grundsätzen ist der Begriff des Arzneimittels weit auszulegen. Dies gilt auch für Funktionsarzneimittel im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG.7)
Dass ein Funktionsarzneimittel gegeben ist, muss von demjenigen dargelegt und im Fall des Bestreitens bewiesen werden, der sich darauf beruft.8)
Die Prüfung, ob das in Rede stehende Produkt ein Funktionsarzneimittel darstellt, ist Aufgabe der Gerichte der Mitgliedstaaten.9)
Fehlen wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung [→ Pharmakologische Wirkung] belegen, kann nicht von einem Funktionsarzneimittel ausgegangen werden.10)
Durch Artikel 1 Nr. 1 der Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Erschaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel ist der Arzneimittelbegriff neu definiert worden.
Nach Artikel 1 Nr. 1 lit. b der Richtlinie 2004/27/EG sind danach Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische [→ Pharmakologische Wirkung], immunologische oder metabolische Wirkung [→ Immunologische Wirkung, → Metabolische Wirkung] wieder herzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.
Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind der Faktor, auf dessen Grundlage, ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses, zu beurteilen ist, ob es im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2001/83 im oder am menschlichen Körper zur … oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandet werden kann.11)
Durch die neu in die Begriffsbestimmung des Funktionsarzneimittels aufgenommenen Wirkungen (pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung) stellt der Arzneimittelbegriff jedenfalls in größerem Umfang als die zuvor maßgebliche Definition des Artikel 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG auf objektive Merkmale des Produkts ab.12)
Der Begriff des Arzneimittels nach der Funktion soll diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt worden und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen und physiologische Funktionen wieder herzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen. Deshalb und um die praktische Wirksamkeit dieses Kriteriums zu gewährleisten, ist es nicht ausreichend, dass ein Erzeugnis Eigenschaften besitzt, die der Gesundheit im Allgemeinen förderlich sind, sondern muss es wirklich die Funktion der Verhütung oder Heilung besitzen.13)
Ein Erzeugnis, das einen Stoff enthält, der auch mit der normalen Nahrung aufgenommen wird, ist nicht als Arzneimittel anzusehen, wenn durch das Erzeugnis keine gegenüber den Wirkungen bei normaler Nahrungsaufnahme nennenswerte Einflussnahme auf den Stoffwechsel erzielt wird.14).
Ein Erzeugnis, das aus einem Stoff besteht, der auch bei normaler Ernährung als Abbauprodukt im menschlichen Körper entsteht, ist nicht als Arzneimittel anzusehen, wenn die unmittelbare Aufnahme dieses Stoffes zu keiner gegenüber den Wirkungen bei normaler Nahrungsaufnahme nennenswerten Einflussnahme auf den Stoffwechsel führt.15)
Dabei ist für die Abgrenzung zwischen Arzneimittel und Lebensmittel auch die Definition des Lebensmittels heranzuziehen.16)
Der Begriff des Funktionsarzneimittels soll nur diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen.17)
Steht die Abgrenzung eines Funktionsarzneimittels von sonstigen Produkten, namentlich Lebensmitteln, in Frage, bedarf es einer auf den Einzelfall bezogenen Beurteilung, in die alle Merkmale des Erzeugnisses, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften - wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen -, die Modalitäten des Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, einzubeziehen sind.18)
Ein Erzeugnis, dessen Wirkungen durch einen Stoff erzielt werden, der in entsprechender Menge in angemessener Weise auch mit der normalen Nahrung aufgenommen werden kann, kann auch dann als Lebensmittel und nicht als Arzneimittel anzusehen sein, wenn die empfohlene Häufigkeit der Aufnahme nicht den üblichen Ernährungsgewohnheiten entspricht.19)
Das Produkt muss sich „nennenswert auf den Stoffwechsel“ auswirken und die Funktionsbedingungen des Körpers „wirklich“ beeinflussen muss, damit es als Funktionsarzneimittel eingestuft werden kann.20) Das Bundesverwaltungsgericht spricht insoweit zutreffend von einer „Erheblichkeitsschwelle“, wonach die Wirkungen eines Produkts über diejenigen hinausgehen müssen, die auch durch die Nahrungsaufnahme ausgelöst werden.21)
Streitig ist, ob aufgrund der Neufassung von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG durch die Richtlinie 2004/27/EG bei der Einordnung als Arzneimittel die in der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. nur EuGH, Urteil vom 09.06.2005 - C-211/03, C-299/03, C-316/03,C-317/03, C-318/03 -, Rn. 30 m.w.N., veröffentlicht etwa in WRP 2005, 863ff) neben der pharmakologischen Wirkung im weiteren (also immunologische, metabolische oder pharmakologische Wirkung i. e. S. umfassende) Sinne entwickelten weiteren Merkmale wie „Modalitäten seines Gebrauchs, Umfang der Verbreitung, Bekanntheit bei den Verbrauchern und mögliche Risiken seiner Verwendung“ nach wie vor zu berücksichtigen sind.22)
Diese Frage hat das Bundesverwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof mit Beschluss vom 14.12.2006 (3 C 38.06, veröffentlicht etwa in Juris) in einem Vorabentscheidungsverfahren vorgelegt.23)
Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind dabei der Faktor, auf dessen Grundlage - ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses - zu beurteilen ist, ob dieses im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt werden kann.24)
Mit der Bestimmung des Begriffs des Arzneimittels in Artikel 1 Nr. 1 lit. b der Richtlinie 2004/27/EG vom 31.03.2004 ist nunmehr anders als unter Geltung des Arzneimittelbegriffs nach Artikel 1 Nr. 2 in der ursprünglichen Fassung der Richtlinie 2001/83/EG vom 06.11.2001 von einem einheitlichen europäischen Begriff des Funktionsarzneimittels und einer Vollharmonisierung in diesem Bereich auszugehen.25)
Nach Ablauf der Umsetzungsfrist gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2004/27/EG vom 31.03.2004 am 30.10.2005 ist die Bestimmung des § 2 AMG, die den nationalen Arzneimittelbegriff regelt, richtlinienkonform im Sinne des neugefassten europarechtlichen Arzneimittelbegriffs auszulegen (BGH a.a.O.).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - vor Inkrafttreten der Richtlinie 2004/27/EG mit Ablauf der Umsetzungsfrist am 30.10.2005 - ist für die Einordnung eines Produkts als Arznei- oder Lebensmittel seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung entscheidend, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher darstellt. Die Verkehrsauffassung knüpft regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Vorstellung des Verbrauchers von der Zweckbestimmung des Produkts kann weiter durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft, durch ihm beigefügte oder in Werbeprospekten enthaltene Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie durch die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher entgegentritt, beeinflusst sein26). Diese Abgrenzung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zum gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriff nach der Richtlinie 2001/83/EG vom 06.11.200127).28)
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat bislang in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass bei der Beurteilung, ob ein Arzneimittel oder ein sonstiges Produkt, insbesondere ein Lebensmittel, vorliegt, entscheidend seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung ist, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt (vgl. BGH NJW 2001, 2812, 2813 - 3-fach-Dosis; BGH GRUR 2002, 910 - Muskelaufbaupräparate; BGH WRP 2000, 512 - L-Carnitin). Die Vorstellung der Verbraucher kann unter anderem durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, wobei besondere Bedeutung den pharmakologischen Eigenschaften eines Mittels zukommt, weil ein verständiger Durchschnittsverbraucher im allgemeinen nicht annehmen wird, ein sonstiges - etwa als Lebens- bzw. Nahrungsergänzungsmittel angebotenes - Produkt sei tatsächlich ein Arzneimittel, wenn es in der empfohlenen Dosierung keine pharmakologischen Wirkungen hat.29)
Diese Kriterien erfahren in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nunmehr insoweit eine Veränderung, als infolge der neuen gemeinschaftsrechtlichen, nämlich wirkungsbezogenen Begriffsbestimmung des Funktionsarzneimittels vorrangig auf objektive Merkmale des Produkts abzustellen ist, wobei ergänzend für die Abgrenzung zwischen einem Arzneimittel und einem sonstigen Produkt die gesetzliche Definition des fraglichen Mittels heranzuziehen ist.(OLG Köln, Entsch. v. 21.12.2007 - 6 U 64/06; m.V.a. BGH - Arzneimittelwerbung im Internet))
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