Anzeigen:
Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 [→ Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung] entsprechend.
§ 707 ZPO → Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung
Gemäß §§ 719 Abs. 1 Satz 1, 707 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann, wenn gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Berufung eingelegt wird, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt werden.1)
Im Rahmen der demnach zu treffenden Ermessensentscheidung hat das Gericht die widerstreitenden Interessen des Gläubigers einerseits und des Schuldners andererseits abzuwägen.2)
Dabei hat es die Wertentscheidung des Gesetzgebers zu beachten, dass grundsätzlich den Belangen des Vollstreckungsgläubigers der Vorrang gebührt.3)
Der Vorschrift des § 709 Satz 1 ZPO ist zu entnehmen, dass der Vollstreckungsschuldner in aller Regel bereits durch die vom Gläubiger vor der Vollstreckung zu leistende Sicherheit hinreichend geschützt ist. Es entspricht daher gefestigter Rechtsprechung, dass in Fällen, in denen das angefochtene Urteil nur gegen Sicherheitsleistung des Gläubigers vollstreckbar ist, eine Einstellung der Zwangsvollstreckung allenfalls in Ausnahmefällen unter besonderen Umständen in Betracht kommen kann.4)
Zu dieser allgemeinen Erwägung tritt im Bereich des Patentrechts noch die Besonderheit, dass die Laufzeit des Patents und damit das von ihm vermittelte Unterlassungsgebot zeitlich begrenzt ist, weshalb jedenfalls bei einem zeitnahen Ablauf des Schutzrechts jedes Hinausschieben der Zwangsvollstreckung zu einem vollständigen Leerlaufen des Unterlassungsanspruchs führen kann.5)
Im Rahmen der Interessenabwägung, die bei der Entscheidung über einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Urteil wegen Patentverletzung vorzunehmen ist, kommt es u.a. auf die dem Beklagten aus der Vollstreckung drohenden Schäden an. Die Gefahr hoher, nicht kompensierbarer Schäden kann zu verneinen sein, wenn der Beklagte vorträgt, er habe die angegriffenen Geräte so abgeändert, dass sie jedenfalls danach von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch mehr machten.6)
Die Höhe der Sicherheitsleistung des Gläubigers ist so zu bemessen, dass sie einen (etwaigen) Anspruch des Schuldners auf Ersatz seines Schadens aus einer ungerechtfertigten Vollstreckung abdeckt.7)
Handelt es sich um ein Berufungsurteil nach § 708 Nr. 10 ZPO, ist der Erstattungsanspruch des Schuldners bei einer ungerechtfertigten Vollstreckung gemäß § 717 Abs. 3 Satz 2 und 3 ZPO auf die Rückgabe des von dem Schuldner aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Urteils Gezahlten oder Geleisteten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung beschränkt.8)
Sinn und Zweck der Differenzierung zwischen den Voraussetzungen des § 719 Abs. 1 und des § 719 Abs. 2 ZPO ist es, der erhöhten Richtigkeitsgewähr Rechnung zu tragen, die der Gesetzgeber, ähnlich wie in § 708 Nr. 10 und § 717 Abs. 3 ZPO einerseits und in §§ 709, 717 Abs. 2 ZPO andererseits mit Berufungsurteilen verbindet. Sie trägt den Besonderheiten der Verschränkung von Patentverletzungsprozess und Patentnichtigkeitsverfahren, die sich aus dem „Trennungsprinzip“ ergibt, nicht hinreichend Rechnung. Die sich daraus ergebende planwidrige Regelungslücke ist durch entsprechende Anwendung von § 719 Abs. 1 ZPO auszufüllen [→ Einstellung der Zwangsvollstreckung im Falle der Nichtigerklärung des Klagepatents durch das Patentgericht].9)
Es ist anerkannt, dass die Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht kommt, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einstellungsantrag bei der im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO gebotenen summarischen Prüfung festgestellt werden kann, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird oder wenn der Schuldner die Gefahr eines besonderen Schadens darlegen und glaubhaft machen kann, der über die allgemeinen Vollstreckungswirkungen hinausgeht.10)
Die im Verfahren nach §§ 707, 719 ZPO vorzunehmende summarische Prüfung, ob das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird, muss sich zumindest im Regelfall auf diejenigen tatsächlichen Feststellungen und diejenigen rechtlichen Erwägungen beschränken, die für die erstinstanzliche Entscheidung tragend sind. Die Einstellungsentscheidung darf und kann nicht die abschließende, aufgrund umfassenden rechtlichen Gehörs und mündlicher Verhandlung zu treffende Entscheidung im Berufungsrechtszug vorwegnehmen. Wenn sich also die Feststellungen oder rechtlichen Erwägungen, auf denen die erstinstanzliche Entscheidung beruht, als nicht tragfähig darstellen, spricht dies im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung für eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Wenn und weil das angefochtene Urteil mit seinen tragenden Feststellungen und Rechtsausführungen voraussichtlich keinen Bestand haben wird, ist dem obsiegenden Kläger regelmäßig zuzumuten, die Vollstreckung bis zur Entscheidung im Berufungsrechtszug zurückzustellen, ohne dass geprüft wird, ob die Verurteilung mit anderen Feststellungen oder aufgrund eines abweichenden rechtlichen Ansatzes bestätigt werden könnte. Denn der Grundsatz, dass eine Einstellung nur dann geboten ist, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einstellungsantrag bei summarischer Prüfung festgestellt werden kann, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird, beruht darauf, dass sich das Vordergericht bereits im Einzelnen mit dem Sachverhalt befasst und über die sich stellenden Fragen entschieden hat. Alternative Begründungen tatsächlicher oder rechtlicher Art, auf die die angefochtene Entscheidung nicht gestützt worden ist, können nicht das Vertrauen genießen, das die vorläufige Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Urteils und damit den grundsätzlichen Vorrang der Interessen des obsiegenden Klägers rechtfertigt.11)
Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt in Betracht, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einstellungsantrag bei der im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO gebotenen summarischen Prüfung festgestellt werden kann, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird. Im Patentverletzungsprozess liegt ein solcher Fall auch dann vor, wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass das Klagepatent in der geltend gemachten Fassung voraussichtlich nicht rechtsbeständig ist, wenn die vom Landgericht befürwortete weite Schutzbereichsbestimmung zugrunde gelegt wird.12)
Die im Verfahren nach §§ 707, 719 ZPO vorzunehmende summarische Prüfung, ob das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird, muss sich zumindest im Regelfall auf diejenigen tatsächlichen Feststellungen und diejenigen rechtlichen Erwägungen beschränken, die für die erstinstanzliche Entscheidung tragend sind.13)
Ob der Verletzungsbeklagte mit der Berufung auf die Aussage eines Zulieferers, das geschützte Herstellungsverfahren werde nicht angewandt, die Anwendung dieses Verfahrens (unbedingt) bestreitet, ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung des Kontexts zu ermitteln. Ist dies zu bejahen, kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte sich die - für seinen Standpunkt günstige - Darstellung des Zulieferers ausdrücklich zu eigen gemacht hat.14)
Partnerprojekte: waidlerwiki.de - chiemgau-wiki.de