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§ 32 (1) des Verwertungsgesellschaftsgesetzes (VGG) beschreibt die Verpflichtung der Verwertungsgesellschaft, kulturell bedeutende Werke und Leistungen zu fördern.
Die Verwertungsgesellschaft soll kulturell bedeutende Werke und Leistungen fördern.
Nach § 32 Abs. 1 VGG soll die Verwertungsgesellschaft kulturell bedeutende Werke und Leistungen fördern. Diese Vorschrift beschränkt den Kreis der Empfänger von Förderung nicht auf Rechtsinhaber, sondern ermöglicht auch die Förderung zukünftigen Schaffens von Werken und Erbringens von Leistungen.1)
Damit ist die unionsrechtlich klärungsbedürftige Frage aufgeworfen, ob es mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG, mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG sowie mit Art. 11 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/26/EU vereinbar ist, wenn nach einer Vorschrift des nationalen Rechts - hier: § 32 Abs. 1 VGG - eine Verwertungsgesellschaft kulturell bedeutende Werke fördern soll und dies zur Folge hat, dass auch Empfänger in den Genuss der Förderung gelangen, die (jedenfalls noch) nicht zum Kreis der Rechtsinhaber zählen.2)
Im Ausgangspunkt gilt das unionsrechtliche Gebot, dass die Anspruchsberechtigten des im Rahmen der Ausnahmen gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/29/EG geschuldeten gerechten Ausgleichs (Urheber und Leistungsschutzberechtigte) und der nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG geschuldeten Vergütung (die Urheber) diese Mittel unbedingt erhalten müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. Februar 2012 - C-277/10, GRUR 2012, 489 [juris Rn. 100 und 108] = WRP 2012, 806 - Luksan/van der Let; BGHZ 210, 77 [juris Rn. 46] - Verlegeranteil). Hierbei ist es zulässig, dass die Rechtsinhaber die Zahlung des gerechten Ausgleichs nicht unmittelbar erhalten, sondern ihnen ein Teil der dem gerechten Ausgleich dienenden Erlöse mittelbar über zu ihren Gunsten geschaffene soziale und kulturelle Einrichtungen ausbezahlt wird.3)
Vor diesem Hintergrund wird § 32 Abs. 1 VGG teilweise so verstanden, dass diese Vorschrift bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung keine Begünstigung von anderen Personen als Inhabern von Urheber- oder Leistungsschutzrechten gestattet, soweit letztere dem nicht zugestimmt haben.4)
Es bedarf der Klärung, ob dieses strikte Verständnis im Lichte der später ergangenen Richtlinie 2014/26/EU zugunsten der Zulässigkeit der auf einer Beschlussfassung der Mitgliederversammlung beruhenden Förderung sozialer, kultureller oder bildungsbezogener Zwecke zugunsten von Empfängern, die (jedenfalls noch) nicht zum Kreis der Rechtsinhaber zählen, zu erweitern ist.5)
Nach der Definition des Art. 3 Buchst. c der Richtlinie 2014/26/EU ist „Rechtsinhaber“ jede natürliche oder juristische Person mit Ausnahme von Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, die Inhaber eines Urheber- oder eines verwandten Schutzrechts ist oder die aufgrund eines Rechteverwertungsvertrags oder gesetzlich Anspruch auf einen Anteil an den Einnahmen aus den Rechten hat.6)
Nach Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2014/26/EU dürfen die Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung die Einnahmen aus den Rechten und die Erträge aus den Anlagen dieser Einnahmen nicht für andere Zwecke als zur Verteilung an die Rechtsinhaber verwenden, außer in Fällen, in denen sie gemäß einem nach Art. 8 Abs. 5 Buchst. d gefassten Beschluss die Verwaltungskosten einbehalten oder verrechnen oder die Einnahmen aus den Rechten und die Erträge aus den Anlagen dieser Einnahmen gemäß einem nach Art. 8 Abs. 5 gefassten Beschluss verwenden dürfen.7)
Nach Art. 8 Abs. 5 Buchst. d der Richtlinie 2014/26/EU beschließt die Mitgliederhauptversammlung über die allgemeinen Grundsätze für die Abzüge von den Einnahmen aus den Rechten und von den Erträgen aus der Anlage von Einnahmen aus den Rechten. Aus Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/26/EU ergibt sich, dass durch solche Abzüge von der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung erbrachte soziale, kulturelle oder Bildungsleistungen finanziert werden dürfen und dass solche Leistungen auf der Grundlage fairer Kriterien, insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu solchen Leistungen und deren Umfang, bereitgestellt werden müssen.8)
Nach Erwägungsgrund 3 Satz 2 der Richtlinie 2014/26/EU erbringen Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung im Interesse der Rechtsinhaber und der Öffentlichkeit soziale, kulturelle oder Bildungsleistungen. Erwägungsgrund 28 der Richtlinie 2014/26/EU erwähnt mögliche Abzüge von Kosten für soziale, kulturelle oder Bildungszwecke, die in der Entscheidungsbefugnis der Mitglieder der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung liegen sollen (Satz 1) und verlangt die Offenlegung der Regeln, nach denen Abzüge (Satz 2) und die Verwendung der Einnahmen aus den Rechten erfolgen, wobei hier Stipendien ausdrücklich erwähnt werden (Satz 3).9)
Nach Erwägungsgrund 28 Satz 4 der Richtlinie 2014/26/EU sollten Rechtsinhaber diskriminierungsfrei Zugang zu den damit finanzierten sozialen, kulturellen oder Bildungsleistungen erhalten. Bezogen auf nicht verteilbare Beträge sieht Art. 13 Abs. 6 der Richtlinie 2014/26/EU („Verteilung an die Rechtsinhaber“) vor, dass die Mitgliedstaaten die zulässigen Verwendungen durch Regelungen festlegen können, denen zufolge diese Beträge gesondert und unabhängig zur Finanzierung von sozialen, kulturellen oder Bildungsleistungen zugunsten von Rechtsinhabern verwendet werden müssen.10)
Die Regelungen in Art. 11 Abs. 4, Art. 8 Abs. 5 Buchst. d und Art. 12 Abs. 4 sowie Erwägungsgrund 3 und 28 der Richtlinie 2014/26/EU lassen ein Verständnis dahingehend zu, dass den Verwertungsgesellschaften die Erbringung sozialer, kultureller oder bildungsbezogener Leistungen nach Maßgabe der Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung auch zugunsten anderer Empfänger als der Rechtsinhaber möglich sein soll. Die Begünstigung von Schöpfern zukünftiger Werke oder von Erbringern zukünftiger Leistungen, die (noch) keine Rechtsinhaber sind, durch Druckkostenzuschüsse, Forschungszuschüsse oder Stipendien könnte als zulässige Verwendung für „andere Zwecke“ im Sinne des Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2014/26/EU anzusehen sein, sofern die Beschlussfassung der Mitgliederversammlung dies vorsieht. Die in Art. 13 Abs. 6 der Richtlinie 2014/26/EU vorgesehene Ermächtigung zugunsten der Mitgliedstaaten, die Verwendung von nicht verteilbaren Beträgen zur Finanzierung von sozialen, kulturellen oder Bildungsleistungen zugunsten der Rechtsinhaber zu regeln, zwingt nicht zu einem anderweitigen Verständnis, weil es hier nicht um „Abzüge“, sondern die Verteilung von „Einnahmen aus den Rechten“ geht, die auch nach Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2014/26/EU zugunsten der Rechtsinhaber zu erfolgen hat. Mit Blick darauf, dass die Gewährleistung des gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/29/EG vorzusehenden gerechten Ausgleichs (Urheber und Leistungsschutzberechtigte) und der nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG geschuldeten Vergütung (Urheber) als Ausprägung des Schutzes des geistigen Eigentums gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta angesehen werden kann, könnte die in der Kompetenz der Mitgliederversammlung liegende Mittelverwendung zugunsten anderer Empfänger als der Rechtsinhaber als gesetzliche Regelung der Eigentumsnutzung im Sinne des Art. 17 Abs. 1 Satz 3 EU-Grundrechtecharta angesehen werden. Der Gebrauch des Eigentums kann Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der das Eigentum in seinem Wesensgehalt antastet11)
Nach Erwägungsgrund 3 Satz 2 der Richtlinie 2014/26/EU erbringen Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung soziale, kulturelle oder Bildungsleistungen nicht nur im Interesse der Rechtsinhaber, sondern auch der Öffentlichkeit. Die gesetzliche Einschränkung des Vergütungsanspruchs durch die Möglichkeit der Förderung von Empfängern, die nicht Rechtsinhaber sind, dürfte nicht per se unverhältnismäßig sein und das Eigentumsgrundrecht auch nicht in seinem Wesensgehalt antasten. Zu prüfen bliebe die Wahrung der Verhältnismäßigkeit mit Blick auf die Umsetzung im Einzelfall.12)
Für den Fall, dass die Erbringung sozialer, kultureller oder bildungsbezogener Leistungen gemäß Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/26/EU nur an Rechtsinhaber zulässig ist, besteht unionsrechtlicher Klärungsbedarf dahingehend, ob die Zulässigkeit der Erbringung solcher Leistungen davon abhängig ist, dass ihr Empfänger einen gegenwärtigen Vergütungsanspruch innehat, oder ob die Inhaberschaft eines gegenwärtig nicht zu vergütenden Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts ausreicht, sowie ob die Zulässigkeit solcher Leistungen das Bestehen eines Wahrnehmungsvertrags mit der Verwertungsgesellschaft voraussetzt (Vorlagefrage 2).13)
Ist die Erbringung sozialer, kultureller oder bildungsbezogener Leistungen gemäß Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/26/EU ausschließlich gegenüber Rechtsinhabern im Sinne von Art. 3 Buchst. c der Richtlinie 2014/26/EU zulässig, so sind unter schiedliche Gestaltungen denkbar: Ein Rechtsinhaber kann einen gegenwärtigen Vergütungsanspruch haben, oder zwar ein urheberrechtlich geschütztes Recht innehaben, aber keinen gegenwärtigen Vergütungsanspruch. Weiter kann danach differenziert werden, ob der Rechtsinhaber einen Wahrnehmungsvertrag mit der Verwertungsgesellschaft abgeschlossen hat oder nicht. Es ist zu klären, ob sich diese unterschiedlichen Umstände auf die Zulässigkeit der Erbringung sozialer, kultureller oder bildungsbezogener Leistungen gemäß Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/26/EU auswirken.14)
§ 32 VGG → Kulturelle Förderung; Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen
Regelt die Förderung kulturell bedeutender Werke und die Einrichtung von Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen durch Verwertungsgesellschaften.
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