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Der aus einem Patent in Anspruch genommene Beklagte kann gegenüber dem Unterlassungsbegehren des klagenden Patentinhabers einwenden, dieser missbrauche eine marktbeherrschende Stellung, wenn er sich weigere, mit dem Beklagten einen Patentlizenzvertrag zu nicht diskriminierenden und nicht behindernden Bedingungen [→ FRAND] abzuschließen.1)
Zwar kann der aus einem Patent in Anspruch genommene grundsätzlich dem Unterlassungsbegehren des Patentinhabers den Einwand entgegenhalten, der Patentinhaber behindere ihn mit der Weigerung, einen Lizenzvertrag abzuschließen, unbillig in einem gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr oder diskriminiere ihn gegenüber anderen Unternehmen und missbrauche damit seine marktbeherrschende Stellung.2)
Treuwidriges Handeln und ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung liegen indes nur vor, wenn der Lizenzsucher dem Patentinhaber ein unbedingtes Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages gemacht hat, das der Patentinhaber nicht ablehnen darf, ohne des Lizenzsucher unbillig zu behindern oder gegen das Diskriminierungsverbot zu verstoßen, und sich an dieses Angebot gebunden hält. Zudem muss der Lizenzsucher, der den Gegenstand des Patents bereits nutzt, bevor der Patentinhaber sein Angebot angenommen hat, diejenigen Verpflichtungen einhalten, die der abzuschließende Lizenzvertrag an die Benutzung des lizenziertes Gegenstandes knüpft, insbesondere die Lizenzgebühren zahlen oder die Zahlung sicherstellen (BGH aaO Rn. 29). Zahlt der Lizenzsucher nicht unmittelbar an den Patentinhaber, muss er die Lizenzgebühren nach § 372 S. 1 BGB unter Verzicht auf die Rücknahme hinterlegen.3)
Eine Suspendierung des aus dem Ausschließlichkeitsrecht fließenden Unterlassungsanspruchs ist auch dann, wenn das Patent für einen durch mehrere Marktteilnehmer geschaffenen Standard essentiell ist, nur dann nach § 242 BGB gerechtfertigt, wenn derjenige, der die erfinderische Lehre benutzt, ab der Aufnahme der Benutzungshandlung dem Gebot von Treu und Glauben in der Weise genügt, wie sie vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung Orange-Book-Standard konkretisiert werden.4)
Daher erscheint es sachgerecht, dass er dann, wenn er diesen Vorteil nutzt, und dabei von der erfinderischen Lehre eines Dritten Gebrauch macht, ihm den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand nur entgegenhalten kann, wenn der Dritte ihm die Einräumung einer Lizenz verweigert hat, obwohl der Benutzer der patentgemäßen Lehre seinerseits ab Aufnahme der Benutzungshandlung alles getan hat, um sich seinerseits dem Gebot von Treu und Glauben entsprechend zu verhalten.5)
Hierzu ist erforderlich, dass der Benutzer der patentgemäßen Lehre selbst diejenigen Anforderungen erfüllt, die das Kartellrecht dem Inhaber eines standardessentiellen Patents abverlangt: Er muss sich so verhalten, als hätte der Patentinhaber ihm Lizenz zu FRAND-Bedingungen erteilt, und alle Vorkehrungen dafür treffen, dass es allein am Patentinhaber liegt, sich kartellrechtskonform zu verhalten.6)
Der Lizenzsucher, der im Vorgriff auf die ihm zu erteilende Lizenz die Benutzung des Klagepatents aufnimmt, darf nicht nur seinen vertraglichen Rechten, sondern muss auch seinen vertraglichen Pflichten „vorgreifen“. Er kann dem Unterlassungsbegehren nur dann den dolo-petit-Einwand entgegenhalten, wenn er dem Patentinhaber nicht nur ein Angebot gemacht hat, das der Patentinhaber nicht ablehnen darf, sondern sich auch so verhält, als ob der Patentinhaber sein Angebot bereits angenommen hätte. In diesem Fall wäre er nicht nur berechtigt, den Gegenstand des Patents zu benutzen, sondern insbesondere auch verpflichtet, über die Benutzung regelmäßig abzurechnen und an den Patentinhaber die sich aus der Abrechnung ergebenden Lizenzgebühren zu zahlen.7)
Diskriminiert ein marktbeherrschendes Unternehmen mit der Weigerung, einen ihm angebotenen Patentlizenzvertrag abzuschließen, das um die Lizenz nachsuchende Unternehmen in einem gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr oder behindert es den Lizenzsucher damit unbillig, stellt auch die Durchsetzung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung dar. Denn das marktbeherrschende Unternehmen hindert damit das andere Unternehmen an dem Marktzutritt, den es durch den Abschluss des Lizenzvertrages zu eröffnen verpflichtet ist. Die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs ist damit ebenso verboten wie die Weigerung, den Lizenzvertrag abzuschließen, der den Unterlassungsanspruch erlöschen ließe. Ein kartellrechtlich verbotenes Verhalten darf jedoch nicht von den staatlichen Gerichten angeordnet werden.8)
Missbräuchlich handelt der Patentinhaber nur, wenn der Beklagte ihm ein unbedingtes Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages gemacht hat, an das er sich gebunden hält und das der Patentinhaber nicht ablehnen darf, ohne gegen das Diskriminierungs- oder das Behinderungsverbot zu verstoßen, und wenn der Beklagte, solange er den Gegenstand des Patents bereits benutzt, diejenigen Verpflichtungen einhält, die der abzuschließende Lizenzvertrag an die Benutzung des lizenzierten Gegenstandes knüpft.9)
Dies bedeutet insbesondere, dass der Lizenzsucher die sich aus dem Vertrag ergebenden Lizenzgebühren zahlen oder die Zahlung sicherstellen muss.10)
Der Patentinhaber handelt weder missbräuchlich noch treuwidrig, wenn er Ansprüche aus dem Patent gegenüber demjenigen geltend macht, der zwar die Benutzungsbefugnis eines Lizenznehmers für sich in Anspruch nimmt, aber die Gegenleistung nicht erbringt, die der Lizenznehmer nach einem nicht diskriminierenden oder behindernden Lizenzvertrag zu erbringen verpflichtet wäre.11)
Der Höhe nach ist die Lizenzgebühr und damit auch die Leistungsverpflichtung des Lizenzsuchers auf denjenigen Betrag begrenzt, der sich aus den Bedingungen eines kartellrechtlich unbedenklichen Vertrages ergibt.12)
Hält der Beklagte die Lizenzforderung des Patentinhabers für missbräuchlich überhöht oder weigert sich der Patentinhaber, die Lizenzgebühr zu beziffern, genügt dem Erfordernis eines unbedingten Angebots ein Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages, bei dem der Lizenzgeber die Höhe der Lizenzgebühr nach billigem Ermessen bestimmt.13) Die Höhe des geschuldeten Betrages hängt dann von der Leistungsbestimmung nach § 315 BGB [→ Bestimmung der Leistung durch eine Partei] durch die Patentinhaberin ab und unterliegt damit der gerichtlichen Überprüfung.
Andernfalls könnte die Hinterlegung eines höheren als des vom Lizenzsucher selbst für angemessen gehaltenen Betrages seine Verurteilung nicht hindern, wenn sie nicht von einem Lizenzangebot in gleicher Höhe begleitet wäre. Ein „sicherheitshalber“ erhöhtes Angebot würde dem Patentinhaber indessen die Möglichkeit verschaffen, sich durch Annahme dieses Angebots gegebenenfalls auch eine überhöhte Lizenzgebühr zu sichern. Dies wäre nicht nur unbillig, sondern belastete den Patentverletzungsprozess auch in einem vermeidbaren Umfang mit der Aufgabe, die genaue Höhe einer nicht behindernden oder diskriminierenden Lizenzgebühr festzustellen. Denn der Lizenzsucher wird eher bereit sein, eine höhere, über dem aus seiner Sicht kartellrechtlich angemessenen Betrag liegende Summe zu hinterlegen, wenn ihm der – grundsätzlich weiterhin zu seiner Darlegungs- und Beweislast stehende – Einwand nicht abgeschnitten ist, eine Bestimmung der Lizenzgebühr durch den Patentinhaber in dieser Höhe sei unbillig. Der Patentinhaber bleibt auf der anderen Seite bei der Bestimmung der Lizenzgebühr vollständig frei; seine Bestimmung ist nur dann unbillig, wenn sie sich nicht an die ihm kartellrechtlich ohnehin gesetzten Schranken hält und den Lizenznehmer unbillig behindert oder gegenüber anderen Lizenznehmern diskriminiert.14)
Dass dieser Betrag auch für den Lizenzsucher nicht ohne weiteres feststellbar ist, belastet ihn nicht unbillig, denn ihn trifft für die Voraussetzungen des Lizenzierungsanspruchs grundsätzlich ohnehin die Darlegungs- und Beweislast.15)
Der Lizenzsucher hat zu den Bedingungen eines nicht diskriminierenden Vertrages über den Umfang seiner Benutzungshandlungen abzurechnen und er muss seinen sich aus der Abrechnung ergebenden Zahlungspflichten nachkommen.16)
Dabei muss der Lizenzsucher allerdings nicht an den Patentinhaber zahlen, sondern kann nach § 372 Satz 1 BGB [→ Hinterlegung] die Lizenzgebühren unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme hinterlegen. Denn die Weigerung des Patentinhabers, den Lizenzvertrag abzuschließen, rechtfertigt die entsprechende Heranziehung der Vorschriften über den Gläubigerverzug, sei es, weil der Patentinhaber auch die angebotene Zahlung nicht anzunehmen bereit ist (§ 293 BGB), sei es, weil er zwar die Zahlung anzunehmen willens, jedoch nicht bereit ist, die Gegenleistung in Gestalt der Lizenzgewährung zu erbringen (§ 298 BGB).17)
Der Sache nach wird damit dem Interesse des Lizenzsuchers Rechnung getragen, seinen Anspruch auf Rückzahlung gezahlter Lizenzgebühren für den Fall zu sichern, dass die Klage mangels Verletzung abgewiesen wird.18)
Entsprechend der Regelung in § 11 Abs. 2 UrhWG steht es der Hinterlegung der Lizenzgebühr nicht entgegen, dass die Höhe des geschuldeten Betrages noch nicht feststeht, d.h. in diesem Fall von der Leistungsbestimmung nach § 315 BGB [→ Bestimmung der Leistung durch eine Partei] abhängt. Ist ein jedenfalls ausreichender Betrag hinterlegt, kann sich das Verletzungsgericht, wenn auch die übrigen Voraussetzungen des „Zwangslizenzeinwands“ vorliegen, mit der Feststellung begnügen, dass der Patentinhaber zur Annahme des Lizenzvertragsangebots und zur Bestimmung der Lizenzgebühr nach billigem Ermessen verpflichtet ist.19)
Macht der Lizenzsucher ein Angebot zu üblichen Vertragsbedingungen, wird sich der Patentinhaber jedoch nur dann darauf berufen können, er müsse einzelne Vertragsbedingungen nicht akzeptieren, wenn er insoweit andere Bedingungen anbietet, die mit seinen kartellrechtlichen Pflichten vereinbar sind.20)
Ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung kommt nicht in Betracht, wenn der Lizenzsucher lediglich ein bedingtes Lizenzangebot macht, insbesondere den Vertragsschluss nur unter der Bedingung anbietet, dass das Verletzungsgericht die von ihm geleugnete Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform bejaht. Auf ein solches Angebot muss sich der Patentinhaber auch sonst nicht einlassen; es kann daher auch seinem Unterlassungsbegehren nicht entgegengehalten werden. 21)
Streitet der Benutzer der erfinderischen Lehre indes in erster Linie die Benutzungshandlung ab und ist allenfalls hilfsweise bereit, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen und zu erfüllen, ist ihm der dolo-agit-Einwand verwehrt. Der bloße Umstand, dass der Patentinhaber ein standardessentielles Schutzrecht besitzt, kann nicht zur Folge haben, dass er an der Durchsetzung des aus dem Schutzrecht fließenden Unterlassungsanspruchs gehindert ist. Denn hierin offenbart sich allein der Monopolcharakter des technischen Schutzrechts. An der Durchsetzung ist der Inhaber aus kartellrechtlichen Gründen erst dann gehindert, wenn er eine Marktmacht geltend macht, die ihre Grundlage nicht im Ausschließlichkeitsrecht selbst findet sondern allein in externen Umständen, hier dem Standardisierungsprozess, begründet ist. Um diesen nicht im Ausschließlichkeitsrecht selbst begründeten Marktvorteil zu kompensieren, ist der Patentinhaber gehalten, lizenzwilligen Dritten zu FRAND-Bedingungen eine Lizenz einzuräumen und kann sein Ausschließlichkeitsrecht folglich dann nicht durchsetzen, wenn er sich diesem Schritt verweigert.22)
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 31 des TRIPS-Überein-kommens. Denn die Vorschrift lässt die Zuerkennung eines Rechts zur Benut-zung des Gegenstands eines Patents ohne Zustimmung des Patentinhabers grundsätzlich zu, sofern die Erlaubnis zu einer solchen Benutzung aufgrund der Umstände des Einzelfalles geprüft wird. Die weitere Voraussetzung, nach der, wer die Benutzung plant, sich vor der Benutzung erfolglos bemüht haben muss, die Zustimmung des Rechtsinhabers zu angemessenen geschäftsüblichen Be-dingungen zu erhalten (Art. 31 lit. b), ist nach Art. 31 lit. k für die Vertragsstaa-ten nicht verpflichtend, wenn die Benutzung gestattet ist, um eine in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren festgestellte wettbewerbswidrige Praktik ab-zustellen. Im Übrigen ist sie auch erfüllt, wenn der Verletzer des Klagepatents sich vor der Aufnahme der Benutzung vergeblich um eine Lizenz zu nicht dis-kriminierenden Bedingungen bemüht hat. Ob das Übereinkommen von den Vertragsstaaten verlangt, dass das kartellrechtlich begründete Nutzungsrecht durch einen hoheitlichen Akt eingeräumt wird, wie die Revisionserwiderung unter Berufung auf Rombach (aaO S. 322) aus Art. 31 lit. a und i ableiten will, kann dahinstehen, da hierfür jedenfalls die gerichtliche Prüfung im Patentverletzungsverfahren ausreicht, in dem verbindlich entschieden wird, ob und inwieweit dem Benutzer der Erfindung ein Anspruch auf die Einräumung einer Lizenz zusteht.23)
Dies bedeutet insbesondere, dass der Lizenzsucher die sich aus dem Vertrag ergebenden Lizenzgebühren zahlen oder die Zahlung sicherstellen muss.24)
SEPs → Standard-essentielle Patente
→ FRAND
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