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markenrecht:beurteilung_der_unterscheidungskraft_eines_angemeldeten_zeichens

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Beurteilung der Unterscheidungskraft eines angemeldeten Zeichens

Kennzeichnungsgewohnheiten
Prognose der Unterscheidungskraft
Durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft
Unterscheidungskraft von Wortfolgen
Unterscheidungskraft fremdsprachiger Wörter
Fehlende Unterscheidungskraft aufgrund eines beschreibended Begriffsinhaltes
Gebräuchliche Wörter oder Wendungen

Besteht eine Marke aus mehreren Elementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen.1)

Besteht das angemeldete Zeichen aus mehreren Bestandteilen, darf sich die Prüfung nicht darauf beschränken, ob Eintragungshindernisse hinsichtlich eines oder mehrerer Zeichenbestandteile bestehen. Die Eintragung ist vielmehr nur zu versagen, wenn das angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit die Voraussetzungen eines Schutzhindernisses erfüllt. Eine Prüfung der Gesamtheit der Bestandteile des Zeichens ist auch deshalb erforderlich, weil Bestandteile, die für sich betrachtet nicht unterscheidungskräftig sind, in ihrer Kombination unterscheidungskräftig sein können.2)

Hat eine Marke keinen für die fraglichen Waren im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt und handelt es sich bei ihr auch sonst nicht um eine sprachliche, bildliche oder gestalterische Darstellung, welche die Verbraucher – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstehen, so fehlt ihr nicht jegliche Unterscheidungseignung.3)

Der Bundesgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass ein großzügiger Maßstab anzulegen sei. Jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reiche aus, um das Schutzhindernis zu überwinden.4)

Diese Auffassung des BGH ist aber umstritten. So äußert sich der 32. Senat des BPatG in seiem Beschluß v. 24. Mai 2006 - 32 W (pat) 124/97 folgendermaßen zu den Anforderungen an die Unterscheidungskraft:

Diese Formulierungen (siehe oben) sind weitgehend der Amtlichen Begründung zum MarkenG entnommen (vgl. BlPMZ 1994, Sonderheft, S. 64), die sich ihrerseits darauf beruft, dass das europäische Recht, insbesondere die Markenrechts-Richtlinie, eine solche Auslegung fordere. Das trifft jedoch so nicht zu. Der Satz, dass ein großzügiger Maßstab anzulegen sei und jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genüge, findet sich weder im Wortlaut der Markenrechts-Richtlinie noch in der für deren Auslegung maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Diese Auffassung geht vielmehr auf eine entsprechende Mei-nung im deutschen Schrifttum zurück5). Der Europäische Gerichtshof hat demgegenüber mehrfach eine strenge und vollständige, nicht auf ein Mindestmaß beschränkte Prüfung von absoluten Schutzhindernissen angemahnt, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern.6) Dies weist eher in Richtung eines weniger großzügigen Prüfungsmaßstabes.

Allein der Umstand, dass ein bestimmtes Wort zum Grundwortschatz der deutschen Sprache gehört, noch keinen Anlass, an der Markenfähigkeit zu zweifeln. Vielmehr müsste dazu festgestellt werden können, dass das betreffende Wort schlechthin ungeeignet ist, irgendwelche Waren oder Dienstleistungen im Wettbewerb ihrer Herkunft nach zu individualisieren, so dass auch eine Verkehrsdurchsetzung von vornherein ausgeschlossen erscheint.7)

Auch der 28. Senat des BPatG schließt sich dieser Kritik an:

Das Tatbestandsmerkmal „jegliche“ i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG lässt nicht den Schluss zu, dass bereits jede noch so geringe, irgendwie geartete Unterscheidungskraft ausreichend wäre, um die markenrechtliche Herkunftsfunktion erfüllen zu können. Vielmehr muss bei der Auslegung dieses Rechtsbegriff berücksichtigt werden, dass die Herkunftsfunktion der Marke stets im Vordergrund stehen muss, während weitere mögliche Funktionen - wie etwa eine anpreisende oder produktbeschreibende Funktion - daneben nur von untergeordneter Bedeutung sein dürfen.8)

Ergeben die Feststellungen zur markenrechtlichen Unterscheidungskraft keinen eindeutigen Nachweis dafür, dass die Marke die Herkunftsfunktion erfüllen kann und dass diese Herkunftsfunktion im Vordergrund steht, widerspricht die beantragte Eintragung ins Register dem im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu berücksichtigenden Interesse, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren.9)

Einer Bezeichnung, die die Ware oder Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betrifft, fehlt die Unterscheidungskraft nur, wenn sie einen so engen beschreibenden Bezug zu den einzelnen angemeldeten Waren oder Dienstleistungen aufweist, dass der Verkehr ohne weiteres und ohne Unklarheiten den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen erfasst und deshalb in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht.10)

Bei der Beurteilung des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bestehen keine unterschiedlichen Maßstäbe für Waren- und Dienstleistungsmarken.11)

Lässt sich eine bereits bestehende Kennzeichnungspraxis nicht feststellen, genügt allein dieser Umstand als solcher nicht, um die Eignung des angemeldeten Zeichens, vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden zu werden, zu verneinen. Vielmehr bedarf es auch in diesem Fall der auf allgemeine Erfahrungssätze und den festgestellten Tatsachen gestützten Prognose darüber, wie das angemeldete Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen mutmaßlich wahrgenommen werden wird, wenn es - innerhalb der fünfjährigen Benutzungsschonfrist (vgl. § 49 MarkenG) -, wie vom Anmelder beabsichtigt, zur Kennzeichnung der betreffenden Waren oder Dienstleistungen benutzt wird.12)

Es genügt, wenn es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gibt, das angemeldete Zeichen bei den Waren und Dienstleistungen, für die es eingetragen werden soll, so zu verwenden, dass es vom Verkehr ohne weiteres als Marke verstanden wird.13)

Für die Eintragung kommt es nicht darauf an, ob die Möglichkeiten, das Zeichen als Herkunftshinweis zu verwenden, gegenüber den Verwendungen überwiegen, bei denen der Verkehr darin keinen solchen Herkunftshinweis erblickt.14)

Besteht ein Bildzeichen nur aus üblichen dekorativen Elementen der Waren, für die der Markenschutz beansprucht wird, wird es der Verkehr im Allgemeinen nicht als Herkunftsmittel auffassen, auch wenn sich auf dem Markt noch keine mit dem angemeldeten Zeichen vollständig übereinstimmende Gestaltung findet.15)

Die Frage der Unterscheidungskraft ist nicht (nur) abstrakt zu beurteilen, sondern unter Berücksichtigung aller die Verkehrsauffassung beeinflussenden Umstände, zu denen auch der Marktauftritt entsprechend gekennzeichneter Erzeugnisse zählen kann.16). Im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft sind alle relevanten Tatsachen und Umstände zu berücksichtigen, gegebenenfalls einschließlich der Ergebnisse einer vom Antragsteller vorgelegten Studie, die z.B. belegen soll, daß der Marke nicht die Unterscheidungskraft fehlt oder daß die nicht irreführend ist„ 17)

Der Beurteilung einer Marke als nicht unterscheidungskräftig steht es nicht entgegen, wenn die betreffende Bezeichnung vage ist und dem Verbraucher keinen eindeutigen Anhalt dafür bietet, welche konkreten Inhalte vermittelt werden sollen.18)

Neuheit oder Originalität sind für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke keine maßgeblichen Kriterien.19)

Ein Bildzeichen ist nur dann nicht mehr unterscheidungskräftig, wenn es die im Warenverzeichnis genannten Waren naturgetreu bildlich wiedergibt20) oder wenn es sich bei ihm um eine einfache geometrische Form oder ein sonstiges einfaches graphisches Gestaltungselement handelt, und eine solche Gestaltung - wie dem Verkehr aus Erfahrung bekannt ist - in der Werbung, auf der Ware, ihrer Verpackungen oder auf Geschäftsbriefen üblicherweise in bloß ornamentaler, schmückender Form verwendet wird21).22)

Die Fragestellung einer demoskopischen Umfrage, durch die ermittelt werden soll, inwieweit eine Warenform herkunftshinweisend ist, hat zu berücksichtigen, dass zwischen der Bekanntheit des Produkts als solchem und der Herkunftshinweisfunktion seiner Form zu unterscheiden ist. Die Fragestellung darf daher insbesondere nicht von vornherein davon ausgehen, dass eine Gestaltung herkunftshinweisend ist.23)

Zeichen oder Angaben, die sonst als Werbemittel verwendet werden - beispielsweise als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der Waren oder Dienstleistungen, auf die sich die Marke bezieht, ohne dass sie für diese beschreibend sind -, ist nicht schon wegen einer solchen Ver-wendung die Eintragung zu versagen.24)

Zwar kann dem Umstand, dass die Durchschnittsverbraucher aus solchen Angaben gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren schließen, bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft Rechnung getragen werden25). Die Schwierigkeiten, die bei solchen Zeichenkategorien möglicherweise mit der Bestimmung der Unterscheidungskraft verbunden sind, rechtfertigen es jedoch nicht, besondere Kriterien für deren Feststellung aufzustellen.26)

Wenn die Verkehrskreise das Zeichen (auch) als Herkunftshinweis für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrnehmen, kann die Unterscheidungskraft nicht deshalb verneint werden, weil es gleichzeitig oder sogar in erster Linie als Werbemittel aufgefasst wird.27)

Einer Beschränkung der Marke darauf, dass der Schutz nur für die Anbringung des Zeichens an einer bestimmten Stelle begehrt wird (sogenannte Positionsmarke), bedarf es nicht, wenn - wie im Regelfall - praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten der Anbringung des Zeichens an verschiedenen Stellen auf oder außerhalb der Ware oder Dienstleistung in Betracht kommen, bei denen das Zeichen vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden wird.28)

Für die im Eintragungsverfahren (§ 37 Abs. 1, § 41 Satz 1 MarkenG) und im Nichtigkeitsverfahren (§ 50 Abs. 1 MarkenG) vorzunehmende Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder gefehlt hat und es daher von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen oder entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist, ist auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens abzustellen.29)

siehe auch

§ 8 (2) Nr. 1 MarkenG → Unterscheidungskraft

1)
BGH, Beschluss vom 15. Mai 2014 - I ZB 29/13 - DüsseldorfCongress; m.V.a. EuGH, Urteil vom 16. Septem-ber 2004 C329/02, Slg. 2004, I8317 = GRUR 2004, 943 Rn. 28 Sat.2
2)
BGH, Beschluss vom 22. Mai 2014 - I ZB 64/13 - ECR-Award; m.V.a. BGH, Beschluss vom 10. Juni 2010 I ZB 39/09, GRUR 2011, 65 Rn. 10 = WRP 2011, 65 Buchstabe T mit Strich
3)
st. Rspr.; vgl. BGH BlPMZ 2002, 85 – INDIVIDUELLE
4)
vgl. z. B. BGH GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2005, 257, 258 - Bürogebäude; auch BGH, Beschl. v. 11. Oktober 2001 - I ZB 5/99; BGH GRUR 1999, 1089, 1091 - YES
5)
s. dazu ausführlich Hacker GRUR 2001, 630, 631 f.
6)
EuGH GRUR 2003, 604, 608 [Nr. 59] - Libertel; GRUR 2004, 674, 680 [Nr. 123] - Postkantoor
7)
BPatG, 32 W (pat) 39/03; m.V.a. BPatG GRUR 1998, 572, 573 - Zahl 9000
8) , 9)
BPatG, Entscheidung vom 4. Februar 2009 - 28 W (pat) 233/07 - MINI PLUS
10)
BGH, Beschluß vom 16. 12. 2004 - I ZB 12/02, BerlinCard
11)
BGH, Beschluss vom 15. Mai 2014 - I ZB 29/13 - DüsseldorfCongress
12) , 28)
BGH, Beschluss vom 31. März 2010 - I ZB 62/09 - Marlene-Dietrich-Bildnis II
13)
BGH, Beschluss vom 31. März 2010 - I ZB 62/09 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; m.V.a. BGH GRUR 2008, 1093 Tz. 22 - Marlene-Dietrich-Bildnis I, m.w.N.
14)
BGH, Beschluss vom 31. März 2010 - I ZB 62/09 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; m.V.a. EuGH GRUR 2010, 228 Tz. 45 - Audi [Vorsprung durch Technik]
15)
BGH, Beschluss vom 1. Juli 2010 - I ZB 68/09 - Hefteinband
16)
BPatG Beschl. v. 16.02.2005 - 32 W (pat) 213/03 - Salatfix; vgl. Senatsbeschluss GRUR 2004, 685 – LOTTO
17)
EuGH C-363/99 - Postkantoor
18)
vgl. BGH GRUR 2000, 882 - BÜCHER FÜR EINE BESSERE WELT
19)
EuGH, Urt. v. 31. Mai 2006 - Form einer Wurst; m.V.a.Urteil Form einer braunen Zigarre und Form eines Goldbarrens, Randnr. 44
20)
BGH WRP 1997, 755 - Autofelge; WRP 1999, 526 - Etiketten, mit weiteren Nachw
21)
vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 – St. Pauli Girl; GRUR 2001, 734, 735 - Jeanshosentasche; HABM Mitt. 2001, 273, 275 – M-förmige Steppnähte
22)
BPatG, Beschl. v. 7. März 2006 - 27 W (pat) 105/05
23)
BGH, Urt. v. 25. Januar 2007 - I ZR 22/04 - Pralinenform; vgl. dazu Niedermann, GRUR 2006, 367 ff.; vgl. weiter Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 8 Rdn. 352; Hasselblatt/Eichmann, Münchener Anwaltshandbuch Gewerblicher Rechtsschutz, 2. Aufl., § 9 Rdn. 36
24)
BGH, Beschluss vom 31. März 2010 - I ZB 62/09 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; m.V.a. EuGH, Urt. v. 4.10.2001 - C-517/99 P, Slg. 2001, I-6959 = GRUR 2001, 1148 Tz. 40 - Merz & Krell [Bravo], zu Art. 3 Abs. 1 lit. d MarkenRL; vgl. ferner EuGH, Urt. v. 21.10.2004 - C 64/02 P, Slg. 2004, I-10031 = GRUR 2004, 1027 Tz. 41 - Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; EuGH GRUR 2010, 228 Tz. 35 - Audi [Vorsprung durch Technik], beide zu Art. 7 Abs. 1 lit. d GMV
25)
EuGH GRUR 2001, 1148 Tz. 35 - Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]
26)
BGH, Beschluss vom 31. März 2010 - I ZB 62/09 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; m.V.a. EuGH GRUR 2004, 1027 Tz. 36 - Erpo Möbelwerk Das Prinzip der Bequemlichkeit; GRUR 2010, 228 Tz. 38 - Audi Vorsprung durch Technik
27)
BGH, Beschluss vom 31. März 2010 - I ZB 62/09 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; für einen Werbeslogan EuGH GRUR 2010, 228 Tz. 45 - Audi Vorsprung durch Technik
29)
BGH, Beschluss vom 18. April 2013 - I ZB 71/12 - Aus Akten werden Fakten; Aufgabe von BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009 - I ZB 30/06, GRUR 2009, 411 = WRP 2009, 439 - STREETBALL; Beschluss vom 9. Juli 2009 - I ZB 88/07, GRUR 2010, 138 = WRP 2010, 260 Rocher- Kugel; Anschluss an EuGH, Beschluss vom 23. April 2010 C332/09, MarkenR 2010, 439 HABM/ Frosch Touristik FLUGBÖRSE
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