Warenformmarken

§ 3 (1) MarkenG

Als Marke können alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

§ 3 (1) MarkenG → Markenfähigkeit
§ 3 (2) MarkenG → Freihaltebedürfnis an Produktformen

Unterscheidungskraft einer Warenformmarke

Nach § 3 Abs. 1 MarkenG [→Markenfähigkeit] können Marken alle Zeichen sein, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dazu gehört auch die Form einer Ware.

Der Schutz einer dreidimensionalen Formmarke bezieht sich nicht auf eine abstrakte Grundform, sondern auf die konkrete Ausgestaltung der formgebenden Merkmale der beanspruchten Ware.1)

Die wesentlichen Merkmale einer Formmarke sind daher nicht nach allgemeinen Gestaltungsprinzipien, sondern anhand der konkreten Formgebung des Zeichens zu ermitteln, die seinen Gesamteindruck bestimmt.2)

Bei der Prüfung, ob eine dreidimensionale Marke, die in der Form einer Ware besteht, Unterscheidungskraft [→ Unterscheidungskraft einer Warenformmarke] aufweist, weil ihre Gestaltung erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweicht, ist auf ihren Gesamteindruck abzustellen.3)

Abstrakte Unterscheidungskraft wird heute bei Warenformmarken in der Regel bejaht. Problematisch ist meist die konkrete Unterscheidungskraft einer Warenform, sowie ein möglicherweise bestehendes Freihaltebedürfnis an der Warenform (insbesondere § 3 II Nr. 2 MarkenG).

Die für Bildmarken entwickelten Grundsätze sind auf dreidimensionale Marken übertragbar, die in der Form der Ware bestehen.4)

Bei der Prüfung der Markenverletzung stellt sich die Frage der markenmäßigen Benutzung einer Warenformmarke.

Bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit dreidimensionaler Marken dürfen zwar keine strengeren Anforderungen angelegt werden als bei sonstigen Marken. Gleichwohl sind bei Marken, welche die Form der Ware selbst wiedergeben (= Warenformmarken) wesentliche Unterschiede gegenüber „klassischen“ Wort- oder Bildmarken zu beachten. Marken, die aus der Form einer Ware oder deren Verpackung bestehen, werden tatsächlich nicht in gleicher Weise wie Wort- oder Bildmarken aufgefasst, weil der Durchschnittsverbraucher und gleichermaßen auch der Fachverkehr aus der Form der Ware oder deren Verpackung gewöhnlich nicht auf die betriebliche Herkunft dieser Waren schließt. Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH begründet bei dieser speziellen Markenform ein „bloßes Abweichen“ von der Norm oder Branchenüblichkeit noch nicht die Unterscheidungskraft; vielmehr kann eine Marke die erforderliche Herkunftsfunktion nur dann erfüllen, wenn sie von „Norm oder Branchenüblichkeit erheblich abweicht„.5)

Solche Abweichungen müssen vom Verkehr auch ohne eingehende, d. h. ohne analysierende und vergleichende Betrachtung oder nähere Prüfung eindeutig erkennbar sein.6)

Zusammengesetzte Zeichen

Es besteht kein Erfahrungssatz dahingehend, dass der Gesamteindruck einer aus der Form sowie aus Wort- und sonstigen Bestandteilen zusammengesetzten Marke unabhängig von der konkreten Anordnung und Gestaltung der einzelnen Elemente regelmäßig durch den Wortbestandteil bestimmt wird.7)

Es besteht aber kein Erfahrungssatz dahingehend, dass der Gesamteindruck einer aus einer Form, einer Farbe, Wort- und Bildbestandteilen sowie sonstigen Ausstattungselementen zusammengesetzten dreidimensionalen Marke unabhängig von der konkreten Anordnung und Gestaltung dieser Elemente regelmäßig durch den Wortbestandteil bestimmt wird.8)

Zusammengesetzte Zeichen

Eine aus der Form der Ware bestehende, von Haus aus nicht unterscheidungskräftige Gestaltung kann als Bestandteil einer aus mehreren Zeichenelementen zusammengesetzten Marke deren Gesamteindruck maßgeblich mitbestimmen, wenn sie infolge der Benutzung des Zeichens hinreichende Kennzeichnungskraft erlangt hat; ein für die Eintragung der Form als im Verkehr durchgesetzte Marke nach § 8 Abs. 3 MarkenG genügender Kennzeichnungsgrad ist dafür nicht erforderlich.9)

Beispiele

Für die Fahrzeugkarosserieformen des Prosche 911, des Porsche Boxters10) und des Golfs wurde ein Freihaltebedürfnis konstatiert [→ Automobilformen]. Diese wurden aber aufgrund Verkehrsdurchsetzung (§ 8 III MarkenG) als Formmarken eingetragen.11)

Die äußere Form von (Armband-)Uhren unterliegt regelmäßig einem Freihaltebedürfnis der Mitbewerber und ist als Marke nicht schutzfähig.12)

Die äußere Form eines Käseproduktes ist regelmäßig im Sinne des Allgemeininteresses freizuhalten, falls sie nicht ausnahmsweise erheblich von der gängigen Formenvielfalt bei Käse abweicht.13)

Art. 2 der Richtlinie ist dahin auszulegen, dass der Gegenstand einer Markenanmeldung, die sich auf alle denkbaren Formen eines durchsichtigen Behältnisses oder Auffangbehälters als Teil der äußeren Oberfläche eines Staubsaugers bezieht, kein „Zeichen“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt und damit auch keine Marke im Sinne dieser Bestimmung sein kann.14))

Wird ein Produkt in Form der Marke hergestellt, schwächt dies nicht die originäre Kennzeichnungskraft der Marke wegen beschreibender Anklänge im Hinblick auf die Waren, für die sie Schutz beansprucht, wenn die Form des Produkts nicht funktionsbedingt vorgegeben oder die Ware beschreibend ist.15)

Rechtsprechung

Literatur

siehe auch

§§ 3 - 6 MarkenG → Marken und geschäftliche Bezeichnungen, Vorrang und Zeitrang

1)
BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2017 - I ZB 3/17 - Traubenzuckertäfelchen; zu Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziffer ii GMV aF vgl. EuGH, GRUR 2017, 66 Rn. 47 - Simba Toys/Seven Towns; BGH, GRUR 2008, 71 Rn. 16 - Fronthaube; GRUR 2008, 510 Rn. 21 - Milchschnitte; Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 9 Rn. 309; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 14 MarkenG Rn. 358
2)
BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2017 - I ZB 3/17 - Traubenzuckertäfelchen; m.V.a. BGH, Beschluss vom 20. November 2003 - I ZB 48/98, GRUR 2004, 507, 509 = WRP 2004, 749 - Transformatorengehäuse; BGHZ 182, 325 Rn. 30 - Legostein
3)
BGH, Beschluss vom 6. April 2017 - I ZB 39/16 - Schokoladenstäbchen III
4)
BPatG, Entsch. v. 10. Dezember 2008 - 29 W (pat) 67/07; m.V.a. BGH GRUR 2001, 239 f. - Zahnpastastrang
5)
BPatG, Beschl. v. 25 W (pat) 14/12 - Schwimmbad-Isolierbaustein; m.V.a. EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 49 - Henkel; GRUR Int. 2004, 631, Tz. 39 – Dreidimensionale Tablettenform I; GRUR Int. 2004, 635, Tz. 37 - Dreidimensionale Tablettenform II; GRUR Int. 2004, 639, Tz. 37 – Dreidimensionale Tablettenform III; GRUR Int. 2005, 135, Nr. 31 - Maglite; GRUR Int. 2006, 226, Nr. 31 - Standbeutel; GRUR Int. 2006, 842, Nr. 26 - Form eines Bonbons II; siehe auch BGH GRUR 2004, 329, 330 - Käse in Blütenform; GRUR 2004, 507, 509 – Transformatorengehäuse
6)
BPatG, Beschl. v. 25 W (pat) 14/12 - Schwimmbad-Isolierbaustein; m.V.a. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 232 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen, insbesondere auch EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 49 - Henkel; MarkenR 2004, 461, Tz. 31 - Maglite; MarkenR 2004, 456 - Seifenstück; MarkenR 2006, 19 - Standbeutel
7)
BGH, Urteil vom 23. September 2015 - I ZR 105/14 - Goldbären; auch BGH, Urt. v. 25. Oktober 2007 - I ZR 18/05 - TUC-Salzcracker; m.V.a. BGHZ 169, 295 Tz. 22 - Goldhase
8)
BGH, Urteil vom 23. September 2015 - I ZR 105/14 - Goldbären; m.V.a. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 - I ZR 37/04, BGHZ 169, 295 Rn. 22 - Goldhase I
9)
BGH, Urt. v. 25. Oktober 2007 - I ZR 18/05 - TUC-Salzcracker
10)
BGH, Beschl.vom 15. Dezember 2005 – I ZB 33/04
11)
BPatG 13.10.2004, 28 W (pat) 98/00, 115/00 und 102/00; und BPatG 13.10.2004, 28 W (pat) 95/00; BGH I ZB 33/04; I ZB 34/04
12)
BPatG, Beschl. v. 26.04.2006, 28 W (pat) 117/04, Rado-Uhr II
13)
BPatG, Beschluss vom 30. 11. 2005 – 28 W (pat) 67/99
14)
EuGH, Urt. v. 25. 1. 2007 - C-321/03 (Dyson Ltd/Registrar of Trade Marks
15)
BGH, Urteil vom 2. Juni 2016 - I ZR 75/15 - Wunderbaum II