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Regel 190.1 der Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts (EPGVO) beschreibt die Voraussetzungen, unter denen eine Partei die Vorlage von Beweismitteln durch die gegnerische Partei oder eine dritte Partei beantragen kann, und die Möglichkeit des Gerichts, zum Schutz vertraulicher Informationen Maßnahmen zu ergreifen.
Hat eine Partei alle vernünftigerweise verfügbaren und plausiblen Beweismittel zur Begründung ihrer Ansprüche vorgelegt und zur Begründung dieser Ansprüche Beweismittel bezeichnet, die sich in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei oder einer dritten Partei befinden, kann das Gericht auf einen mit einer Begründung versehenen Antrag der Partei, welche die Beweismittel bezeichnet hat, die Vorlage dieser Beweismittel durch die gegnerische Partei oder die dritte Partei anordnen. Zum Schutz vertraulicher Informationen kann das Gericht anordnen, dass die Beweismittel nur bestimmten namentlich genannten Personen mitgeteilt werden und einer angemessenen Geheimhaltungspflicht unterliegen.
Nach Art. 59 (1) EPGÜ [→ Anordnung der Vorlage von Beweismitteln durch gegnerische oder dritte Partei] und Regel 190.1 der Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts (EPGVO) kann die Vorlage von Beweismitteln durch eine gegnerische oder dritte Partei nur dann angeordnet werden, wenn die antragstellende Partei sämtliche vernünftigerweise zugänglichen Beweismittel zur Begründung ihrer Ansprüche vorgelegt hat. Die Anordnung setzt voraus, dass die vorgelegten Beweismittel und die beantragte Vorlage einer Beweisführung zur Klärung streitiger Tatsachen dienen und dabei der Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet bleibt.1)
Die Anordnung der Vorlage setzt zunächst regelmäßig voraus, dass eine Tatsache für die Begründung von Ansprüchen (oder Einwendungen) erheblich und beweisbedürftig ist. Hierzu hat der Antragsteller in der Antragsschrift im Einzelnen darzulegen, welche konkrete Tatsache er mit welchem Beweismittel aus welchem Grund beweisen möchte.2)
Die Anforderungen an die Darlegungslast der antragstellenden Partei umfassen eine detaillierte Beschreibung der zu beweisenden Tatsachen sowie der Beweismittel, deren Vorlage verlangt wird. Nicht substantiiert bestrittene Tatsachen bedürfen keiner Beweisführung (vgl. Regel 171.2 EPGVO → Unbestrittene Tatsachen).3)
Es ist unzulässig, abstrakte oder pauschale Anträge auf Vorlage von Beweismitteln zu stellen, die nicht konkret darlegen, welche Tatsachen bewiesen werden sollen. Der Nachweis eines konkreten Bedarfs an der Vorlage fehlt insbesondere dann, wenn die behaupteten Verstöße ohne weitere Konkretisierung oder Substantiierung auf alle angegriffenen Ausführungsformen ausgedehnt werden.4)
Eine Anordnung zur Übermittlung von Informationen gemäß R. 191 VerfO setzt voraus, dass die begehrten Informationen konkret benannt und für die Rechtsverfolgung erforderlich sind. Eine unspezifische oder pauschale Ausforschung ist unzulässig.5)
Die Anordnung der Vorlage unterliegt dem Ermessen des Gerichts und darf nicht unverhältnismäßig sein. Dabei sind die Interessen der antragstellenden Partei an der Erlangung der Beweismittel mit den Interessen der antragsgegnerischen Partei, insbesondere dem Schutz vertraulicher Informationen, abzuwägen.6)
Eine Vorlageanordnung kommt nicht in Betracht, solange die antragstellende Partei nicht alle ihr zumutbaren und zugänglichen Beweismittel ausgeschöpft hat. Dazu zählt auch die Nutzung öffentlich zugänglicher Analysewerkzeuge zur Erlangung relevanter Informationen, soweit dies der Partei zumutbar ist.7)
Auch ein Beklagter kann sich auf Regel 190.1 EPGVO berufen, um eine Anordnung zur Vorlage von (Gegen-)Beweismitteln zu beantragen.8) Aus dem weiteren Wortlaut von Regel 190.1 EPGVO geht hervor, dass es den Parteien unabhängig von ihrer Rolle als Kläger oder Beklagter möglich ist, eine Anordnung der Beweisvorlage zu beantragen. Dies ergibt sich aus der Verwendung der neutralen Formulierungen ‚a party‘ (eine Partei) und ‚the other party‘ (die gegnerische Partei).9)
Die Entscheidung über die Vorlage von Beweismitteln ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu treffen. Ist die Relevanz eines Beweismittels nicht hinreichend ersichtlich, überwiegt das Interesse der antragsgegnerischen Partei am Schutz vor unverhältnismäßigen Belastungen.10)
Es bedarf einer Abwägung zwischen dem Interesse des Beklagten an der Vorlage von Beweismitteln, die für seine FRAND-Verteidigung nützlich sein können, und dem Interesse der anderen Partei und ihrer Vertragspartner, vertrauliche Informationen zu schützen. Das Gericht erster Instanz hat bei der Entscheidung über einen Antrag auf Anordnung der Beweisvorlage gemäß Regel 190 EPGVO einen Ermessensspielraum. Dieser Ermessensspielraum umfasst auch eine Entscheidung über den Antrag unter Berücksichtigung der durch den Berichterstatter, den Vorsitzenden Richter oder den Spruchkörper gemäß Regel 334(e) EPGVO festgelegten Reihenfolge, in der über Streitpunkte zu entscheiden ist.11)
Die Beurteilung eines Antrags auf Anordnung der Beweisvorlage kann vom jeweiligen Stand des Verfahrens abhängen. Es kann vorkommen, dass ein solcher Antrag in einem bestimmten Verfahrensstand die Voraussetzungen der Erforderlichkeit, Erheblichkeit und Verhältnismäßigkeit noch nicht erfüllt, während in einem späteren Stand des Verfahrens diese Voraussetzungen als erfüllt angesehen werden können.12)
Obwohl der Wortlaut von Art. 5(1) der Richtlinie 2014/104/EU auf den ersten Blick Raum für eine großzügige Betrachtung lässt, hat der EuGH bei der Auslegung der Bestimmung im Rahmen von laufenden Ermittlungen durch eine Wettbewerbsbehörde entschieden, dass die nationalen Gerichte verpflichtet sind, die Offenlegung von Beweismitteln auf das strikt relevante, verhältnismäßige und erforderliche Maß zu beschränken.13)
Das Gericht erster Instanz, das die beste und umfassende Kenntnis der ihm vorliegenden Rechtssache hat, verfügt über einen Ermessensspielraum bei der Entscheidung über einen Antrag auf Anordnung der Beweisvorlage. Dieser Ermessensspielraum umfasst auch eine Entscheidung über den Antrag in Übereinstimmung mit der durch den Berichterstatter, den Vorsitzenden Richter oder den Spruchkörper gemäß R.334(e) VerfO festgelegten Reihenfolge, in der über die Streitpunkte zu entscheiden ist.14)
Im Rahmen der Entscheidung zur Abwägung zwischen dem Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens und dem Recht auf Wahrung von Geschäftsgeheimnissen hat der EuGH anerkannt, dass der Schutz von Geschäftsgeheimnissen ein allgemeiner Grundsatz ist. Wie oben erwähnt, wird in der Richtlinie 2004/48/EG, insbesondere in Art. 6, festgestellt, dass die Vorlage von Beweismitteln unter dem Vorbehalt des Schutzes vertraulicher Informationen steht.15)
Informationen dürfen grundsätzlich nicht vor Ablauf der Duplikfrist der Gegenseite angeordnet werden, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, die eine solche Maßnahme rechtfertigen.16)
Bei der Anordnung der Übermittlung von Informationen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das Interesse des Antragstellers an der Informationsbeschaffung ist gegen das Interesse der Antragsgegner am Schutz vertraulicher Informationen abzuwägen.17)
Der Antragsteller muss darlegen, dass die begehrten Informationen zur Durchsetzung der Ansprüche unerlässlich sind. Informationen, die bereits durch andere zumutbare Mittel erlangt werden können, rechtfertigen keine Anordnung.18)
Informationen dürfen nur dann angeordnet werden, wenn sie für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich sind und der Vortrag des Antragstellers ohne diese Informationen lückenhaft bleibt.19)
Eine Anordnung zur Erteilung von Auskünften gemäß R. 191 Alt. 1 VerfO, Art. 67 (1) (a), (c) EPGÜ vor Abschluss der Entscheidung über eine Patentverletzungsklage setzt besondere Umstände voraus, die darlegen, warum die Informationen vor einer Sachentscheidung benötigt werden.20)
Der Antragsteller einer Auskunftserteilung nach R. 191 Alt. 2 VerfO muss darlegen, warum die begehrten Informationen für die Rechtsverfolgung vernünftigerweise benötigt werden, und alle ihm zumutbaren eigenen Ermittlungen ausschöpfen.21)
Eine Anordnung zur Erteilung von Auskünften darf nicht dazu verwendet werden, die andere Partei zu einem „richtigen Vortrag“ zu zwingen. Die gerichtliche Beweiswürdigung und Beurteilung der Sachlage erfolgt nach der umfassenden Prüfung des Parteivortrags und der Beweismittel.22)
Die Anordnung auf Übermittlung von Informationen i.S.d. R. 191 Alt. 2 EPGVO dient allein dem Zweck, dem Antragsteller benötigte Informationen zu liefern. Demgegenüber kann sie grundsätzlich nicht dazu verwendet werden, die andere Partei, die sich zu einer Tatsache, auf die sich der Antragsteller zur Begründung seiner geltend gemachten Ansprüche oder Einwendungen stützt, erklärt hat, zu richtigem Vortrag anzuhalten, wenn der Antragsteller der Auffassung ist, die Erklärung der anderen Partei sei unrichtig.23)
Regel 190 EPGVO → Anordnung der Beweisvorlage
Erlaubt dem Gericht, auf Antrag einer Partei die Vorlage von Beweismitteln durch die gegnerische Partei oder eine dritte Partei anzuordnen und beschreibt die Anforderungen an den Antrag.
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