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Nach § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG sind für die Kostenentscheidung im Nichtigkeitsverfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskosten (§§ 91 ff. ZPO) entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert.
Nach § 91 Abs. 1 ZPO [→ Kostenpflicht] hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.
Zu diesen Kosten gehören nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO [→ Kosten der Vertretung durch einen Anwalt auch die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei.
Die Zuziehung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt typischerweise als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO anzusehen ist, wenn zeitgleich mit dem Nichtigkeitsverfahren ein das Streitpatent betreffender Verletzungsrechtsstreit anhängig ist, an dem die betreffende Partei oder ein mit ihr wirtschaftlich verbundener Dritter beteiligt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2012 – X ZB 11/12, GRUR 2013, 427 – Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren (Leitsatz); Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Auflage 2018, § 91 ZPO, Rdnr. 118 ff).
Dies betrifft jedoch lediglich die Frage einer Doppelvertretung sowohl durch einen Patentanwalt, als auch durch einen Rechtsanwalt. Aus vorgenanntem Grundsatz folgt hingegen nicht, dass in Patentnichtigkeitsverfahren zweiter Instanz die Hinzuziehung des im Verletzungsverfahren tätigen Rechtsanwalts zusätzlich zu dem zur Vertretung vor dem Bundesgerichtshof zugelassenen, im Patentnichtigkeitsverfahren erster Instanz nicht tätig gewordenen Rechtsanwalts im Sinne des § 91 Abs. 2 ZPO erforderlich wäre. Im Gegenteil: Personenidentität zwischen dem rechtsanwaltlichen Vertreter im Verletzungsverfahren und demjenigen im Patentnichtigkeitsverfahren ist regelmäßig nicht erforderlich.1))
Abstimmungsbedarf zur Vorbereitung des Berufungsverfahrens entsteht im Patentnichtigkeitsverfahren regelmäßig bereits durch die oftmals erstmalige Beteiligung des zur Vertretung vor dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts. Insbesondere, wenn dieser, wie hier, zusätzlich zu einem Patentanwalt tätig wird, setzt eine sachgerechte Vertretung der Partei im Termin vor dem Bundesgerichtshof aber nicht die zusätzliche Hinzuziehung eines weiteren, bereits im Verletzungsverfahren tätigen Rechtsanwalts voraus.2))
Ob der Kostenerstattungsberechtigte im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens Kosten für mehrere Anwälte – hier: für Patent- und Rechtsanwalt - erstattet verlangen kann, hängt nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO davon ab, ob sie dem Kostenerstattungsberechtigten „erwachsen“ sind. Beauftragt der Erstattungsberechtigte mit seiner Prozessvertretung eine Anwaltssozietät, liegt dabei grundsätzlich ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) mit nur einem einzigen Auftragnehmer - nämlich der Sozietät – vor. Etwas Anderes ist aber anzunehmen, wenn der Erstattungsberechtigte mehrere Anwälte entweder ausdrücklich einzeln beauftragt hat oder sich aus den Gesamtumständen eindeutig ergibt, dass nicht nur die Sozietät als solche, sondern – insbesondere bei gemischten, aus Patent- und Rechtsanwälten bestehenden Sozietäten - mehrere bei ihr tätige Anwälte gesondert beauftragt werden sollen. Bei gemischten Sozietäten liegt die Beauftragung sowohl eines Patent- als auch eines Rechtsanwalts dabei vor allem dann nahe, wenn neben dem Nichtigkeitsverfahren auch ein Verletzungsverfahren anhängig war3) oder zumindest eine mit den Besonderheiten des Verletzungsverfahrens vergleichbare Situation vorliegt. Letzteres ist aber nicht bereits zu bejahen, wenn sich die Parteien hinsichtlich der streitigen Verletzung geeinigt und die sich hieraus ergebenden Verpflichtungen nur noch vom Bestand des Streitpatents abhängig gemacht haben. Auch die bloße Vereinbarung eines Zeithonorars reicht für die Annahme der Beauftragung von mehreren Anwälten noch nicht aus.4)
Besondere juristische Probleme, die sich während des Nichtigkeitsverfahrens ergeben (hier: kostenrechtliche Fragen), können die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten als Doppelvertretungskosten jedenfalls dann nicht rechtfertigen, wenn objektive Umstände nicht vorliegen, aus denen sich eine Tätigkeit des Rechtsanwalts zu diesen besonderen Rechtsfragen ergibt, insbesondere wenn die hierzu eingereichten Schriftsätze allein vom Patentanwalt unterzeichnet worden sind und die zur Klärung dieser Rechtsfragen erforderlichen Kenntnisse kraft seiner Ausbildung auch von einem Patentanwalt erwartet werden können.5)
Im Nichtigkeitsverfahren erster Instanz gibt es keinen Vertretungszwang durch Rechts- oder Patentanwälte. In der Praxis wird das Verfahren häufig von einem Patentanwalt, der durch seine Ausbildung über Rechtskenntnisse und praktische Erfahrung bei Anwendung der Rechtskenntnisse verfügt (§ 16 Patentanwaltsausbildungs- und Prüfungsordnung) oder einem im gewerblichen Rechtsschutz erfahrenen Rechtsanwalt geführt. Die Zuziehung eines Anwalts der jeweils anderen Fakultät ist dabei nicht von vornherein zwingend. Es sind Fallgestaltungen denkbar, die keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten aufweisen und deshalb die Mitwirkung eines Rechtsanwalts entbehrlich machen.6)
Der Kostengläubiger hat die Notwendigkeit der Doppelvertretung im Einzelfall substantiiert nachzuweisen.7)
Kosten der Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren verlangen deshalb eine Prüfung im Einzelfall.8)
Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO [→ Prozeßkosten] sind die für die Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendigen Kosten zwar durch eine Prüfung im Einzelfall zu ermitteln. Bei Prüfung der Notwendigkeit kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte.9)
Die Partei darf ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen.10)
Die Parteien verpflichtet, die Kosten im Rahmen des Verständigen möglichst niedrig zu halten.11)
Demgemäß schränkt § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Erstattungspflicht dahin ein, dass die Kosten mehrerer (Rechts-)Anwälte nur insoweit zu erstatten sind, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen.12)
Die Kostenbeschränkung des § 91 Abs. 2 Satz 2 PatG gilt im übrigen auch, wenn eine seltene Spezialmaterie zu bearbeiten ist.13)
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bei der Einleitung eines Nichtigkeitsverfahrens ist typischerweise jedenfalls dann notwendig ist, wenn zeitgleich mit dem Nichtigkeitsverfahren ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig ist. In diesen Fällen ist regelmäßig das Vorgehen in beiden Verfahren aufeinander abzustimmen, beispielsweise im Hinblick auf die Beurteilung der Tragweite einer beschränkten Verteidigung im Nichtigkeitsverfahren.14)
Dies gilt auch dann, wenn sich die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage im Laufe des Verfahrens als vorrangiger Streitpunkt erweist.15)
Anders der 4. Senat:
Aufgrund der Kompetenz der Patentanwälte kann nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass Kosten für einen hinzugezogenen Rechtsanwalt immer dann notwendig sind, wenn ein paralleles Verletzungsverfahren anhängig und die Koordination beider Verfahren erfolgen soll (z. B. Auswirkungen und Tragweite von Beschränkung, Vergleich). Notwendig sind solche Kosten erst, wenn der Patentanwalt für bestimmte Rechtsfragen nicht zuständig ist und er die zuverlässige Beantwortung nicht auf einem gegenüber der Gebühr des Rechtsanwalts günstigerem Wege erhalten kann.16)
Notwendig ist die Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren nur dann, wenn bei Erhebung der Klage anwaltliche Leistungen zu erbringen sind, für die mangels entsprechender Ausbildung weder ein Patentanwalt allein noch ein Rechtsanwalt allein kompetent ist.17)))
Soweit im Nichtigkeitsverfahren die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wegen eines zeit-gleich anhängigen, das Streitpatent betreffenden Verletzungsverfahren als notwendig angesehen wird, kann diese Wertung jedenfalls dann nicht auf ein paralleles Verfügungsverfahren übertragen werden, wenn sich Verfügungs- und Nichtigkeitsverfahren nur kurz zeitlich überschneiden. Ein spezieller Abstimmungsbedarf, etwa hinsichtlich der Auswirkungen einer beschränkten Verteidigung des Patents auf das Verletzungsverfahren, der die Notwendigkeit einer Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren begründen könnte, ist in diesem Fall nicht gegeben.18)
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Nichtigkeitsverfahren ist typischerweise jedenfalls auch im Hinblick auf eine erschöpfende gütliche Beilegung der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsstreitigkeiten erforderlich, auf die das Gericht in jeder Lage des Verfahrens hinwirken soll (§ 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 278 Abs. 1 ZPO).19)
Ein Vergleich im Nichtigkeitsverfahren beinhaltet in der Regel auch eine umfassende Erledigung des Verletzungsstreits. Auch insofern ist eine enge Abstimmung zwischen beiden Verfahren und damit eine Beteiligung von Patentanwalt und Rechtsanwalt erforderlich und sinnvoll.20)
Trotz der erforderlichen Einzelfallprüfung, darf die im Hinblick auf die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten als geboten anzusehende typisierende Betrachtsweise bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren nicht durch eine übermäßige Differenzierung der Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit de facto außer Kraft besetzt werden.21))
Auch wenn es bei der Beurteilung der Notwendigkeit von Kosten auslösenden Maßnahmen auf den Zeitpunkt ihrer Veranlassung ankommt, ist diese ex-ante Sichtweise bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren nicht uneingeschränkt anwendbar. Der tatsächliche Verfahrensverlauf kann vielmehr als Indiz für die Beurteilung der Frage herangezogen werden, ob die entsprechende Vorgehensweise einer Partei zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange letztlich erforderlich war oder nicht.22))
Die Kosten einer Doppelvertretung vor dem Bundespatentgericht in Nebenverfahren (wie z. B. im Kostenfestsetzungsverfahren) sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig, da regelmäßig eine Vertretung durch einen Rechts- und zugleich einen Patentanwalt nicht erforderlich ist.23)
→ Doppelvertretung im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren
→ Vertretung
→ Kosten des Patentanwalts (im Zivilprozeß)
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