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→ Parallelimport von Arzneimitteln
→ Umverpackung der Markenware
Nach Art. 76 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel teilt jeder Großhändler, der nicht Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen ist und ein Arzneimittel aus einem anderen Mitgliedstaat einführt (Parallelimport), dem Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen und der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in den das Arzneimittel eingeführt werden soll, seine Absicht zur Einfuhr des Arzneimittels mit. Im Fall von Arzneimitteln, für die keine Genehmigung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt wurde, lässt die Mitteilung an die zuständige Behörde zusätzliche Verfahren aufgrund der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats und an die zuständigen Behörden für die Überprüfung der Mitteilung zu zahlende Gebühren unberührt. § 67 Abs. 7 Satz 1 AMG setzt die in dieser Regelung enthaltene Pflicht zur Unterrichtung des Zulassungsinhabers in das deutsche Recht um. Der Parallelimporteur hat außerdem bei der zuständigen Behörde - in Deutschland beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) - die Zulassung des für den Import vorgesehenen Arzneimittels in einem vereinfachten Verfahren nach den §§ 21, 25, 73 AMG zu beantragen 1)
Die Vorabunterrichtung dient allerdings nicht nur dem Schutz der berechtigten Interessen des Markeninhabers, dem die Nachprüfung ermöglicht werden soll, ob die beabsichtigte Verfahrensweise des Parallelimporteurs die Markenrechte verletzt. Vielmehr wird auch dem Interesse des Parallelimporteurs an einer möglichst schnellen Vermarktung des importierten Arzneimittels im Inland Rechnung getragen, weil der Markeninhaber innerhalb einer angemessenen Frist auf die Unterrichtung durch den Parallelimporteur zu reagieren hat.2)
Der Markeninhaber kann dem Parallelimporteur den Vertrieb umgepackter Arzneimittel unter der Marke bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen nicht untersagen, wenn der Importeur dem Markeninhaber vorab das Feilhalten des umgepackten Arzneimittels anzeigt.3)
Die Vorabunterrichtung durch den Parallelimporteur dient zwar in erster Linie dem Schutz der berechtigten Interessen des Markeninhabers, dem die Nachprüfung ermöglicht werden soll, ob die beabsichtigte Verfahrensweise des Parallelimporteurs seine Markenrechte verletzt.4)
Mit der Vorabunterrichtung wird aber, da der Markeninhaber innerhalb einer angemessenen Frist auf die Unterrichtung durch den Parallelimporteur zu reagieren hat, auch dem Interesse des Parallelimporteurs an einer möglichst schnellen Vermarktung des importierten Arzneimittels im Inland Rechnung getragen.5)
Der Parallelimporteur soll in einem angemessenen Zeitraum Klarheit darüber erlangen, ob er zum Umpacken der mit der Marke versehenen Arzneimittel berechtigt ist und diese nach Erhalt der dafür erforderlichen Genehmigungen vertreiben darf.6)
Der Gerichtshof hat in der ersten Boehringer-Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben, dass das System der Unterrichtung nur dann angemessen funktionieren kann, wenn alle Beteiligten sich in redlicher Weise bemühen, die berechtigten Interessen des anderen zu achten.7)
Die somit im wechselseitigen Interesse bestehende Pflicht zur Vorabunterrichtung durch den Parallelimporteur begründet eine Sonderbeziehung, die sich in einem gesetzlichen Schuldverhältnis mit dem Markeninhaber konkretisiert, wenn der Importeur den Markeninhaber im dargestellten Sinne unterrichtet.8)
Dieses gesetzliche Schuldverhältnis ist wie jede Rechtsbeziehung den Grundsätzen von Treu und Glauben unterworfen.9)
Der Zweck der Vorabunterrichtung zwischen den Beteiligten, in kurzer Zeit Klarheit darüber zu schaffen, ob die von dem Parallelimporteur an-gekündigte Art und Weise der Vermarktung des importierten Arzneimittels vom Markeninhaber beanstandet wird, hat zur Folge, dass der Parallelimporteur auf die Reaktion des Markeninhabers vertrauen darf. Beanstandet dieser das beabsichtigte Umverpacken in der angezeigten Form nicht oder nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt, kann der Parallelimporteur sich darauf verlassen, der Markeninhaber werde einen Schadenersatzanspruch gegen den Parallelimporteur nicht auf einen bislang nicht gerügten tatsächlichen oder rechtlichen Aspekt stützen.10)
Macht der Markeninhaber gleichwohl einen Anspruch unter Berufung auf einen Umstand geltend, den er in einem angemessenen Zeitraum nach der Vorabunterrichtung nicht beanstandet hat, handelt er treuwidrig (§ 242 BGB), weil er sich dadurch zu seinem Verhalten auf die Vorabunterrichtung in Widerspruch setzt.11)
Das Vertrauen des Verletzers auf eine Duldung seines Verhaltens kann nach den Umständen des Einzelfalls dann nicht schutzwürdig sein, wenn dem Markeninhaber ein Einschreiten zunächst rechtlich oder tatsächlich nicht möglich oder nicht zumutbar war und die Rechts- oder Sachlage sich später maßgeblich geändert hat.12)
Es ist Sache des nationalen Gerichts, im Einzelfall den Umfang der Entschädigung zu bestimmen, die der Parallelimporteur gegebenenfalls leisten muss, wenn er die vorherige Unterrichtung des Markeninhabers über ein umgepacktes Arzneimittel unterlassen hat und diesem dadurch ein Schaden entstanden ist.13)
Beanstandet der Markeninhaber gegenüber dem Parallelimporteur auf dessen Vorabunterrichtung das beabsichtigte Umverpacken des parallel importierten Arzneimittels nicht oder nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt, kann ein Schadensersatzanspruch des Markeninhabers nach § 14 Abs. 6 MarkenG, der auf einen bislang nicht geltend gemachten Aspekt gestützt wird, für den jeweiligen Zeitraum, für den das angegriffene Verhalten zunächst unbeanstandet geblieben ist, wegen widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB ausgeschlossen sein, ohne dass es darauf ankommt, ob auch der Unterlassungsanspruch verwirkt ist.14)
Der Schutzrechtsinhaber verliert seine Ansprüche nach dem Besonderen Mechanismus des EU-Beitrittsvertrags vom 16. April 2003 nicht schon dadurch, dass er sich auf eine Anfrage desjenigen, der ein dem Mechanismus unterliegendes Arzneimittel importieren oder im Inland vertreiben will, auf seine Rechte beruft, ohne konkret mitzuteilen, aus welchem Schutzrecht er diese herleitet.15)
Stellt sich der Parallelimport eines Arzneimittels allein deswegen als rechtswidrig dar, weil die Vorabinformation des Markeninhabers, die Voraussetzung für die Erschöpfung gewesen wäre, unterblieben ist, kommt im Rahmen der Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie ein verhältnismäßig niedriger Vergütungssatz in Betracht.16)
Der Parallelimporteur, der es versäumt, den Markeninhaber vorab zu informieren, und der deswegen eine Markenverletzung begeht, kann - wenn der Markeninhaber diese Art der Schadensberechnung gewählt hat - verpflichtet sein, den Gewinn aus dem Vertrieb des parallelimportierten Arzneimittels vollständig herauszugeben.17)
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