Keine Klageänderung

§ 264 ZPO

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

  1. die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
  2. der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
  3. statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

Voraussetzung für die Anwendung des § 264 ZPO ist es, dass sich der Klagegrund, d.h. der Lebenssachverhalt nicht ändert. Diese Norm fingiert das Nichtvorliegen einer Klagänderung in bestimmten Fällen, obwohl in diesen Fällen nach h. M. eigentlich eine Klageänderung vorliegt.

1. Der Fall des § 264 Nr. 1 ZPO

Gesetzeswortlaut: Die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen werden ergänzt oder berichtigt. Hier ist die Alternative der rechtlichen Ausführungen zu streichen, denn die rechtliche Qualifikation des Antrags spielt außer im Wettbewerbsrecht für die Definition des Streitgegenstands keine Rolle. Es geht also im Fall des § 264 Nr.1 ZPO um die Ergänzung oder Berichtigung der tatsächlichen Ausführungen. Ein Fall des Nr. 1 aus dem gewerblichen Rechtsschutz ist die verspätete Vorlage des Rollenauszugs, aus dem sich die Berechtigung für den Widerspruch ergibt.

2. Der Fall des § 264 Nr. 2 ZPO

Gesetzeswortlaut: Der Klageantrag wird in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt.

Beispiele: · Höhe einer Geldforderung · Übergang von der Leistungsklage zur Klage auf Rechnungslegung · Übergang von der Feststellung auf den Leistungsanspruch · Übergang vom bezifferten Schadensersatz zum Feststellungsantrag für zukünftigen Schadensersatz

In allen diesen Fällen liegt also aufgrund gesetzlicher Fiktion keine Klageänderung vor.

Nichtigkeitsverfahren:

Wird im Rahmen einer Nichtigkeitsklage zuerst nur der Hauptanspruch und dann darüber hinaus der Unteranspruch angegriffen (BGH GRUR 1997, 272 – Schwenkhebelverschluss – unter Bezugnahme auf BGH GRUR 1955, 531 - Schlafwagen), dann handelt es sich um einen Fall des § 264 Nr. 2 ZPO und somit nicht um eine Klageänderung.

Im Unterschied zum letztgenannten Beispiel liegt kein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO vor, wenn im Rahmen einer Nichtigkeitsklage zunächst nur der Unteranspruch und dann später noch der Hauptanspruch angegriffen werden. Dann liegt also eine Klageänderung nach § 263 ZPO vor.

Der diskutierte Unterschied Hauptanspruch → Unteranspruch = Keine Klageänderung (d.h. Fall des § 264 Nr. 2 ZPO) und Unteranspruch → Hauptanspruch = Klageänderung lässt sich vielleicht wie folgt erklären: Ein Angriff auf den Hauptanspruch ist so zentral, dass nach dessen Vernichtung nur leere Formalrechte übrig bleiben würden. Darüber hinaus enthält der Unteranspruch notwendigerweise sämtliche Merkmale des Hauptanspruchs. Daher handelt es sich hier nicht um eine Klageänderung. Umgekehrt steht dann, wenn der Unteranspruch geprüft wurde, noch nicht fest, dass im Hauptanspruch sich nichts Patentfähiges befindet. Dieser ist schlichtweg noch nicht geprüft.

Beispiel: Anspruch 1: A, B wird beansprucht Anspruch 2: A, B, C wird beansprucht. Hier sagt die Abweisung der Nichtigkeitsklage gegen den Unteranspruch 2 noch nichts über den Rechtsbestand des Hauptanspruchs aus.

Zu diesem Themenkomplex siehe auch Benkard, § 22, Rdn. 51.

Verletzungsverfahren:

Eingangsfall: Der Inhaber eines Patents mit den Merkmalen A, B, C behauptet eine identische Verletzung. Um die Frage zu klären, ob die vermeintliche Verletzungsform das Merkmal C verwirklicht, wird ein Sachverständigengutachten erstellt. Wird nun im parallelen Einspruchsverfahren das Patent mit den Merkmalen A, B, C, D aufrechterhalten, dann stellt sich die Frage, ob der Übergang des Antrags auf identische Verletzung der Merkmale A, B, C, D ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO ist. Da die Merkmale A, B, C eine Unterkombination des im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Patents sind, würde der Verletzungskläger mit seinem auf diese Merkmale beschränkten Antrag sicherlich nicht durchdringen.

In der Kommentarliteratur findet sich für diese Konstellation keine Lösung.

Nach BGH GRUR 1964, 433 – Christbaumbehang – sind nach Ende der mündlichen Verhandlung geänderte Ansprüche der Klageschutzrechte auch noch im Revisionsverfahren zu berücksichtigen. Eine Änderung des Schutzrechts bedeutet also nach dieser Entscheidung keine Änderung des Lebenssachverhalts.

Wendet man diese Entscheidung analog auf den Eingangsfall ein, so ergibt sich, dass es sich hier um einen Fall des § 264 Nr. 2, d.h. keine Klageänderung handelt. Das Problem ist allerdings, dass hier der Prozess wegen des zusätzlichen Merkmals D möglicherweise neu aufgerollt werden muss.

In der zweiten Instanz ist die Klageänderung im Allgemeinen sehr schwierig. Sie ist im Prinzip nur mit Zustimmung des Beklagten möglich.

Antrag auf identische Verletzung → Antrag auf äquivalente Verletzung Handelt es sich beim Übergang von der identischen auf die äquivalente Verletzung um eine Änderung des Lebenssachverhalts, so ist § 264 ZPO nicht anwendbar, denn diese Norm setzt voraus, dass keine Änderung des Klagegrundes (d.h. des Lebenssachverhalts) vorliegt. Ändert sich durch den Übergang vom Antrag auf identische auf äquivalente Verletzung hingegen der Lebenssachverhalt, so ist § 264 zwar anwendbar; es stellt sich jedoch das Problem der Rechtskraft.

Sonderproblem: Im Einspruchsverfahren des obigen Eingangsfalls wird das Patent mit dem zusätzlichen Merkmal D aufrechterhalten. Die Aufnahme des zusätzlichen Merkmals D in den Klageantrag des Verletzungsverfahrens sieht der Beklagte als teilweise Klagerücknahme an, der er die Genehmigung verweigert. Es stellt sich die Frage, ob die Beschränkung auf die Merkmale A, B, C, D zur kumulativen Anwendung des § 269 ZPO (Klagerücknahme) neben § 264 Nr. 2 ZPO führt. Nach den ZPO Kommentaren ist dies zu bejahen. Folglich sind bei Aufnahme des Merkmals D zusätzlich zu den Voraussetzungen des § 264 Nr. 2 diejenigen des § 269 zu prüfen.

Im Verletzungsverfahren müssen also mögliche Änderungen des Schutzrechts in einem parallelen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überdacht werden, denn geänderte Ansprüche des Schutzrechts müssen zu geänderten Anträgen im Verletzungsverfahren führen.

3. Der Fall des § 264 Nr. 3 ZPO

Gesetzeswortlaut: Statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wird wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert.

Dieser Fall ist selten. Typisches Beispiel ist der Untergang des Gegenstandes.

Im gewerblichen Rechtsschutz wird der Übergang von der Nichtigkeitsklage nach Ablauf des Schutzrechts zur Feststellungsklage, dass das Schutzrecht nicht rechtsbeständig war, als ein Fall des § 264 Nr. 3 ZPO angesehen.

siehe auch

Keine Klageänderung

§ 264 der Zivilprozessordnung (ZPO) legt fest, dass bestimmte Änderungen in der Klage nicht als Klageänderung angesehen werden, solange der Klagegrund unverändert bleibt.

§ 264 (1) ZPO → Ergänzung oder Berichtigung der Anführungen
Erlaubt die Ergänzung oder Berichtigung der tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ohne Klageänderung.

§ 264 (2) ZPO → Erweiterung oder Beschränkung des Klageantrags
Erlaubt die Erweiterung oder Beschränkung des Klageantrags in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen ohne Klageänderung.

§ 264 (3) ZPO → Änderung des geforderten Gegenstands
Erlaubt die Forderung eines anderen Gegenstands oder des Interesses statt des ursprünglich geforderten Gegenstands aufgrund einer späteren Veränderung ohne Klageänderung.

siehe auch

ZPO, Buch 1, Abschnitt 3, Titel 1 → Allgemeine Vorschriften über die Klage
Regelt die grundlegenden Bestimmungen zur Erhebung und Änderung von Klagen, einschließlich der Voraussetzungen für die Rechtshängigkeit und die Möglichkeit der Anspruchshäufung.