§ 5 UrhG geht auf §§ 16, 26 LUG zurück und sollte diese Regelung mit einigen Änderungen übernehmen (Begr. des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. IV/270, S. 39). In § 5 Abs. 1 UrhG wurden als amtliche Werke aus § 16 LUG die Gesetze, Verordnungen, amtlichen Erlasse und Entscheidungen übernommen, also Werke mit regelndem Inhalt.1)
Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und amtlich verfaßte Leitsätze zu Entscheidungen genießen keinen urheberrechtlichen Schutz.
Nur bei rechtlichen Regelungen liegt ein derart erhebliches öffentliches Interesse an der Verbreitung vor, dass die Ausnahme vom Urheberrechtsschutz ohne weitere Voraussetzungen gerechtfertigt ist.2)
§ 5 Abs. 1 UrhG soll nicht nur der Publizität von Gesetzen und Verordnungen dienen, sondern auch der Publizität ihrer Auslegung und Anwendung durch Verwaltungsbehörden und Gerichte.3)
Die Öffentlichkeit soll Äußerungen von Hoheitsträgern, die für die gegenwärtige oder zukünftige Amtsausübung bedeutsam sind, zur Kenntnis nehmen können, ohne daran durch urheberrechtliche Befugnisse an Werken, die zu ihrer Abfassung benutzt worden sind, gehindert zu sein.4) Das Allgemeininteresse an der Publizität amtlicher Äußerungen bezieht sich auch auf allgemeine Regelungen, die zwar formal nur an andere Behörden gerichtet sind, denen aber zumindest eine gewisse Außenwirkung zukommt.5) Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 UrhG bestimmt damit im Allgemeininteresse Inhalt und Schranken des Urheberrechts als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.6)
Wegen des Publizitätsinteresses der Allgemeinheit kann § 5 Abs. 1 UrhG auch eingreifen, wenn das Werk im urheberrechtlichen Sinn (§ 2 Abs. 2 UrhG), das der Hoheitsträger zum Inhalt seiner - vom Gesetz als „amtliches Werk“ bezeichneten - Willensäußerung gemacht hat, nicht aus dem Amt selbst herrührt und von dessen Mitarbeitern im dienstlichen Auftrag geschaffen worden ist, sondern von Mitarbeitern eines anderen Amtes oder privaten Urhebern.7). Entscheidend ist, ob und inwieweit die Verlautbarung dem Hoheitsträger als eigenverantwortliche Willensäußerung zuzurechnen ist.8) Nach dem Regelungszweck der Vorschrift kommt es auch nicht darauf an, ob die von dem Hoheitsträger als amtlicher Erlass getroffene Regelung rechtlich zulässig und wirksam ist, sofern sie nur nach seinem Willen die Verwaltungspraxis bestimmen soll.9)
Das gleiche gilt für andere amtliche Werke, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind, mit der Einschränkung, daß die Bestimmungen über Änderungsverbot und Quellenangabe in § 62 Abs. 1 bis 3 und § 63 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden sind.
Die Veröffentlichung im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme setzt ein spezifisches Verbreitungsinteresse der Behörde voraus. Das öffentliche Interesse muss gegenüber dem Verwertungsinteresse des Verfassers des Werkes überwiegen und die möglichst weite und von Urheberrechten freie Verbreitung erfordern. Diese Voraussetzung ist bei amtlichen Werken ohne regelnden Inhalt nicht ohne weiteres gegeben. Nicht ausreichend ist das allgemeine Interesse, das die Allgemeinheit an jeder Veröffentlichung einer Behörde hat. Vielmehr muss ein besonderes Interesse vorliegen, das nach Art und Bedeutung der Information gerade darauf gerichtet ist, dass der Nachdruck oder die sonstige Verwertung des die Information vermittelnden Werks für jedermann freigegeben wird.10)
Ein solches Interesse liegt insbesondere vor, wenn es um die Abwehr von Gefahren geht. In derartigen Fällen ist die rasche und umfassende Information der Allgemeinheit erforderlich11). Auf der anderen Seite fehlt das besondere Interesse in der Regel, wenn das Werk nur allgemeine Informationen aus dem Bereich der Daseinsvorsorge vermittelt. Beispiele sind amtliche Statistiken, Kartenwerke oder allgemeine Merkblätter. In die-sen Fällen erfordert das allgemeine Informationsinteresse nicht die Rechtsfolge des § 5 Abs. 2 UrhG 12). Im Zweifel sind alle Umstände des Einzelfalls abzuwägen. Je bedeutsamer die Information ist, desto eher liegt ein spezifisches Verbreitungsinteresse vor. Ist die Information weniger bedeutsam, wird die Abwägung in der Regel ergeben, dass die allgemeine Kenntnisnahme bereits durch eine erfolgte Veröffentlichung sichergestellt ist, ohne dass zusätzlich eine urheberrechtsfreie Verbreitung erforderlich wäre13).14)
Nach der Gesetzesbegründung beruht die Gemeinfreiheit amtlicher Werke schon nach älteren Recht (§§ 16, 26 LUG) darauf, dass das öffentliche Interesse die möglichst weite und ungehinderte Verbreitung solcher Werke erfordert und die kraft Amtes zu ihrer Schaffung berufenen Verfasser entweder überhaupt kein Interesse an der Verwertung ihrer Leistungen haben oder ihre Interessen hinter denen der Allgemeinheit zurücktreten müssen.15)
Der Gesetzgeber wollte gerade auch Werken für den (inner-) amtlichen Gebrauch vollen Rechtsschutz gewähren und etwa bei Kartenwerken nur Ausnahmefälle der Art zulassen, dass eine Behörde Karten von einer Meeresküste veröffentlicht, um Badende vor gefährlichen Stellen zu warnen.16)
Die Rechtsprechung hat daraus den Schluss gezogen, dass das amtliche Interesse an der freien Veröffentlichung nach Art und Bedeutung der Information gerade darauf gerichtet sein muss, die Verwertung der die Information vermittelnden Leistung jedermann freizugeben, während amtliche Statistiken und Informationsschriften ohne rechtserheblichen Inhalt grundsätzlich den Schutz des Urheberrechtsgesetzes genießen, soweit nicht besondere akute Gefahrenlagen ein öffentliches Interesse an ihrer möglichst raschen und umfassenden Verbreitung begründen.17)
Der Umstand, dass es sich bei den UdP um amtlichen Zwecken dienende Berichte handelt, die von Staatsbediensteten in Erfüllung ihrer Dienstpflichten geschaffen wurden, berührt weder die Urheberrechtsfähigkeit der Berichte noch das Bestehen von Verwertungsrechten auf Seiten der Verfasser oder des Dienstherrn.18)
Bei amtlichen Werken ist die Kollisionslage mit der Informationsfreiheit und der Pressefreiheit allerdings nicht dadurch geprägt, dass das Interesse der staatlichen Stellen darauf gerichtet ist, dem Urheber einen gerechten Lohn für seine Schöpfung zu sichern. Die UdP werden von Staatsbediensteten in Erfüllung ihrer Dienstpflichten erstellt. Die Verfasser der Berichte werden nicht über eine wirtschaftliche Verwertung der Berichte, sondern über ihre Dienstbezüge entlohnt. Auch im Streitfall dient die Geltendmachung der Urheberrechte durch die Klägerin nicht der Wahrung wirtschaftlicher Interessen, sondern der Geheimhaltung bestimmter Berichtsinhalte. Das steht jedoch der Gewährung von Urheberrechtsschutz nicht entgegen.19) Das Urheberrechtsgesetz schützt mit dem Veröffentlichungsrecht (§ 12 UrhG) auch das Interesse des Urhebers an einer Geheimhaltung des Inhalts seines Werkes.20)
Ob § 5 Abs. 2 UrhG bei richtlinienkonformer Auslegung auch auf amtliche Datenbanken anwendbar ist, ist umstritten.
Den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ist es nicht fremd, dass amtliche Werke vom Urheberrechtsschutz ausgenommen sind. Die Revidierte Berner Übereinkunft enthält in Art. 2 Abs. 4 einen entsprechenden Vorbehalt. Soweit ersichtlich, werden amtliche Werke daher auch nach dem Urheberrecht vieler Mitgliedstaaten als gemeinfrei angesehen.21)