Erschöpfung

Bestimmungsgemäßer Gebrauch
Einfluss von Absprachen mit Dritten auf die Erschöpfung
Erhaltung und Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit
Neuherstellung
Vermietung des patentgeschützten Erzeugnisses

Erschöpfung bei Verfahrenspatenten

§ 9 S. 2 PatG → Ausschliessungsrechte

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Ausschließlichkeitsrecht aus einem Patent, das ein Erzeugnis betrifft, hinsichtlich solcher Exemplare des geschützten Erzeugnisses erschöpft, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind. Die rechtmäßigen Erwerber wie auch diesen nachfolgende Dritterwerber - einschließlich Wettbewerber des Patentinhabers - sind befugt, diese Exemplare bestimmungsgemäß zu gebrauchen [→ Bestimmungsgemäßer Gebrauch], an Dritte zu veräußern oder zu einem dieser Zwecke Dritten anzubieten.1)

Hat der Patentinhaber die mit dem Ausschließlichkeitsrecht verbundenen Befugnisse ausgeübt, indem er oder mit seiner Zustimmung ein Dritter den patentgeschützten Gegenstand in den Verkehr gebracht hat, besteht nach Sinn und Zweck des Patentrechts kein Anlass mehr, ihm darüber hinaus Einwirkungsmöglichkeiten auf das weitere Schicksal des geschützten Gegenstands zu geben. Über diesen Gegenstand zu verfügen, ist nunmehr Sache des Erwerbers, der den Gegenstand im Verhältnis zum Patentinhaber rechtmäßig erworben hat.2)

Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehören die Erhaltung und Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit, wenn die Funktions- oder Leistungsfähigkeit des konkreten Exemplars ganz oder teilweise durch Verschleiß, Beschädigung oder aus anderen Gründen beeinträchtigt oder aufgehoben ist.3)

Vom bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht umfasst sind hingegen alle Maßnahmen, die darauf hinauslaufen, ein patentgemäßes Erzeugnis erneut herzustellen [→ Neuherstellung]. Die ausschließliche Herstellungsbefugnis des Patentinhabers wird mit dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Exemplars des patentgemäßen Erzeugnisses nicht erschöpft.4)

Erschöpfung meint den Verbrauch des Patentrechts. Der Einwand ist dann begründet, wenn die Partei, die sich darauf beruft, schlüssig darlegen kann, dass der Patentinhaber selbst oder ein mit dessen Zustimmung handelnder Dritter das patentierte Erzeugnis oder das unmittelbare Erzeugnis eines patentierten Verfahrens in einem der Vertragsstaaten der EU bzw. des EWR in Verkehr gebracht hat.5)

Die Erschöpfung ist eine Einrede gegen tatbestandsmäßig begründete Ansprüche aus Verletzungshandlungen. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen stellt die Erschöpfung eine Ausnahme gegenüber den Ausschließlichkeitsrechten des Patentinhabers dar, für deren Voraussetzungen grundsätzlich derjenige darlegungs- und beweispflichtig ist, der sich auf die Erschöpfung beruft.6)

Erschöpfung meint den Verbrauch des Patentrechts. Der Einwand ist dann begründet, wenn die Partei, die sich darauf beruft, schlüssig darlegen kann, dass der Patentinhaber selbst oder ein mit dessen Zustimmung handelnder Dritter das patentierte Erzeugnis oder das unmittelbare Erzeugnis eines patentierten Verfahrens in einem der Vertragsstaaten der EU bzw. des EWR in Verkehr gebracht hat7).8)

Da das Patent seinem Inhaber als Belohnung für die Bekanntgabe der Erfindung ein (zeitlich befristetes) Ausschließlichkeitsrecht gewährt, muß diesem grundsätzlich auch die Entscheidung darüber verbleiben, ob und in welchem Umfang von dem Patentrecht Gebrauch gemacht werden kann. Hat der Patentinhaber dieses Recht jedoch ausgeübt, indem er oder mit seinem Willen ein Dritter den patentgeschützten Gegenstand in Verkehr gebracht haben, besteht kein Grund mehr, ihm darüber hinaus Einwirkungsmöglichkeiten auf das weitere Schicksal des geschützten Gegenstandes zu geben. Vielmehr ist es nunmehr allein Sache des - im Verhältnis zum Patentinhaber rechtmäßigen - Erwerbers, über den geschützten Gegenstand zu verfügen.9)

Erschöpfung der Rechte aus einem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Patent tritt jedenfalls grundsätzlich dann ein, wenn das geschützte Erzeugnis durch den Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Deutschland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder einem dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörigen Staat in Verkehr gebracht worden ist.10) (siehe: EU-weite Erschöpfung)

Hingegen führt das Inverkehrbringen eines patentgeschützten Gegenstands durch den Patentinhaber oder mit dessen Zustimmung außerhalb des Gebiets der Europäischen Union nicht zur Erschöpfung des Rechts aus einem deutschen Patent oder einem deutschen Anteil eines europäischen Patents.11) (siehe: Internationale Erschöpfung)

Ist Erschöpfung einmal eingetreten, kann der Schutz auch nicht durch 1 UWG wieder ausgedehnt werden, d.h. Patentinhaber kann die Art und Weise des weiteren Verkehrs künftig rechtlich nicht mehr beeinflussen.

Bringt ein Dritter (beispielsweise ein Lizenznehmer) eine geschützte Vorrichtung / ein geschütztes Verfahren mit Zustimmung des Patentinhabers in Verkehr, führt das auch zur Erschöpfung.

Die Frage, welche Wirkungen sich aus vertraglichen Absprachen eines Patentinhabers mit Dritten ergeben, ist nach dem Recht des Schutzlands zu beurteilen12). Entsprechendes gilt für die Frage, ob und inwieweit Rechte aus einem Patent durch das Inverkehrbringen von Erzeugnissen erschöpft sind. Auch insoweit geht es um die Schutzwirkungen, die das Patent gegenüber Dritten zeitigt.13)

Gesetzliche Grundlagen

Territoriale Reichweite

In den o.g. Normen des UrhG, SortenschutzG und MarkenG ist die EWR-weite Erschöpfung geregelt. Grundsätzlich gilt nach deutschem Recht für sonstige Leistungsschutzrechte nationale Erschöpfung, wenn

in Verkehr gebracht wurde. Nach europäischem Recht zu Art. 28 und 30 EGV n.F. (ex-Art. 20, 36) wird jedoch die territoriale Reichweite der Erschöpfungsgründe auf den EWR erstreckt.

siehe auch

Patentverletzung
EU-weite Erschöpfung
Internationale Erschöpfung
Erschöpfung (Markenrecht)

1)
BGH, Urteil vom 8. November 2022 - X ZR 10/20 - Scheibenbremse II; m.V.a. BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 97/11, GRUR 2012, 1118 Rn. 17 - Palettenbehälter II; Urteil vom 27. Februar 2007 - X ZR 38/06, BGHZ 171, 167 Rn. 27 - Pipettensystem
2)
BGH, Urteil vom 24. Januar 2023 - X ZR 123/20 - CQI-Bericht II; m.V.a. BGH, Urteil vom 26. September 1996 - X ZR 72/94, GRUR 1997, 116, 117 - Prospekthalter; Urteil vom 14. Dezember 1999 - X ZR 61/98, BGHZ 143, 268, 271 = GRUR 2000, 299 - Karate
3)
st. Rspr.; z.B. BGH, Urteil vom 8. November 2022 - X ZR 10/20 - Scheibenbremse II
4)
BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 - X ZR 55/16 - Trommeleinheit
5)
LG Düsseldorf, 4a O 93/07; m.V.a. BGH, GRUR 1997, 116 – Prospekthalter; GRUR 2001, 223 – Bodenwaschanlage; Benkard/Scharen, PatG 10. Aufl.: § 9 Rn. 16 m.w.N.
6)
Senat GRUR 1976, 579, 581 - Tylosin; OLG Düsseldorf Mitt. 1978, 588, 589 - Inlandsvertreter; Hesse, GRUR 1972, 675, 681; vgl. auch österr. OGH ÖBl. 199, 208, 210 - Kanalreinigungsfahrzeug
7)
BGH, GRUR 1997, 116 – Prospekthalter; GRUR 2001, 223 – Bodenwaschanlage; Benkard/Scharen, PatG 10. Aufl.: § 9 Rn. 16 m.w.N.
8)
LG Düsseldorf Urteil vom 7. Oktober 2008, Az. 4a O 93/07
9)
vgl. BGH GRUR 2000, 299, 301 „Karate„ m.w.N.
10)
BGH, Urteil vom 14.12.1999 - X ZR 61/98 - Karate
11)
BGH, Urteil vom 14.12.1999 - X ZR 61/98 - Karate m.w.N.
12)
BGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - X ZR 103/19, GRUR 2022, 1209 Rn. 42 - Bakterienkultivierung; Busse/Keukenschrijver/McGuire, PatG, 9. Aufl., § 15 Rn. 17
13)
BGH, Urteil vom 24. Januar 2023 - X ZR 123/20 - CQI-Bericht II