Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf Rückruf der Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, oder auf deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen in Anspruch genommen werden. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn es sich um Erzeugnisse handelt, die durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellt worden sind.
§ 140a (1), (2) PatG → Vernichtungsanspruch
§ 140a (4) PatG → Unverhältnismäßigkeit des Anspruchs auf Vernichtung, Rückruf und endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen
→ Anspruch auf Rückruf
→ Anspruch auf endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen
Der Anspruch auf Rückruf verpflichtet den Schuldner dazu, seine Abnehmer zu einer Rückgabe der von ihm gelieferten patentverletzenden Erzeugnisse aufzufordern. Ob die Abnehmer dieser Aufforderung Folge leisten, bleibt deren Entscheidung überlassen und hat auf die Verantwortlichkeit des Schuldners keine Auswirkung, sofern dieser alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen, um die Abnehmer aufgrund der Aufforderung zu einer Rückgabe zu bewegen.1)
Der Anspruch auf endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen verpflichtet den Schuldner hingegen dazu, alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die weitere oder erneute Zirkulation patentverletzender Gegenstände in den Vertriebswegen auszuschließen.2) In Einzelfällen mag zur Erreichung dieses Ziels eine bloße Aufforderung an die Abnehmer geeignet und ausreichend sein, um dieses Ziel zu erreichen. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann der Schuldner aber verpflichtet sein, dieses Ziel zusätzlich oder ausschließlich auf anderem Wege anzustreben, etwa durch rechtliche Schritte gegen einen Abnehmer, der eine Rückgabe von vornherein ablehnt.3)
Trotz dieser unterschiedlichen Zielsetzung schließen sich die beiden Ansprüche nicht gegenseitig aus. Vielmehr ergänzen sie einander.4)
Die in § 140a Abs. 3 Satz 1 PatG vorgesehenen Ansprüche auf Rückruf und auf endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen können nebeneinander geltend gemacht werden.5) Die Konjunktion „oder“ lässt sowohl das Verständnis zu, dass der Berechtigte zwischen einem der beiden Rechtsbehelfe wählen muss, als auch die Interpretation, dass der Berechtigte wahlweise das eine, das andere oder beides verlangen kann. Wenn das Gesetz an einen bestimmten Sachverhalt mehrere Ansprüche knüpft, liegt die zuletzt genannte Auslegung aber grundsätzlich näher. Im Falle der so genannten echten Anspruchskonkurrenz, d.h. wenn mehrere Ansprüche auf dasselbe Ziel gerichtet sind, stehen diese grundsätzlich unabhängig nebeneinander6). Entsprechendes gilt grundsätzlich auch dann, wenn mehrere aus demselben Sachverhalt resultierende Ansprüche auf unterschiedliche Ziele gerichtet sind.7)
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung8) kann ein Alternativverhältnis nicht auf die Erwägung gestützt werden, die beiden Ansprüche seien auf einander ausschließende Handlungen gerichtet, nämlich auf einen Rücktransport zum Lieferanten einerseits und auf eine Vernichtung beim Abnehmer andererseits. Zwar kann der Anspruch auf endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen auch dadurch erfüllt werden, dass die das Patent verletzenden Erzeugnisse unmittelbar beim Abnehmer vernichtet werden. Eine endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen kann aber auch auf andere Weise sichergestellt werden, etwa dadurch, dass der in Anspruch genommene Lieferant die Erzeugnisse zurücknimmt und selbst der Vernichtung zuführt. In der zuletzt genannten Konstellation kann sich das aufgrund des Anspruchs auf Rückruf geschuldete Verhalten teilweise mit demjenigen Verhalten decken, zu dem der Lieferant aufgrund des Anspruchs auf endgültiges Entfernen verpflichtet ist. Folglich fehlt es an einem Verhältnis gegenseitiger Exklusivität.9)
Ein Anspruch auf Rückruf aus den Vertriebswegen ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Verpflichtete im Ausland ansässig ist.10)
Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung11) ist der Anspruch auf Rückruf aus den Vertriebswegen nicht ein bloßes Hilfsmittel zur Durchsetzung des ebenfalls in § 140a PatG vorgesehenen Anspruchs auf Vernichtung.12)
Nach Art. 10 der Enforcement-Richtlinie, welche bis zum 29.04.2006 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen, sollen die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsordnungen vorsehen, dass dem Verletzten eine Möglichkeit gegeben wird, den Rückruf der patentverletzenden Ware aus den Vertriebswegen zu erreichen.13)
Diese Rechtsfolge lässt sich im Wege richtlinienkonformer Auslegung aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog herleiten, denn diese Vorschrift berechtigt den Verletzten dazu, die „Beseitigung“ der Beeinträchtigung zu verlangen.14)
Nach Art. 10 der Enforcement-Richtlinie, die bis zum 29. April 2006 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen, sollen die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsordnungen vorsehen, dass dem Verletzten eine Möglichkeit gegeben wird, den Rückruf der patentverletzenden Ware aus den Vertriebswegen zu erreichen. Diese Rechtsfolge lässt sich im Wege richtlinienkonformer Auslegung aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog herleiten, denn diese Vorschrift berechtigt den Verletzten dazu, die „Beseitigung“ der Beeinträchtigung zu verlangen. Darunter lässt sich der Rückruf patentverletzender Ware und ihre endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen subsumieren. Auch der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Enforcement-Richtlinie tendiert dazu, einen Anspruch auf Rückruf und Entfernung patentverletzender Erzeugnisse aus den Vertriebswegen bereits de lege lata anzunehmen.15)
Entsprechend der bereits bestehenden Regelung des § 140a Abs. 1 Satz 1 PatG zur Vernichtung, die in Art. 10 Abs. 1 der Enforcement-Richtlinie als Abhilfemaßnahme neben Rückruf und endgültiger Entfernung aus den Vertriebswegen genannt wird, erstreckt sich auch der Rückrufanspruch jedoch nur auf „Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind“, mithin nicht auf mittelbar patentverletzende Erzeugnisse.16)
§ 140a (1), (2) PatG → Vernichtungsanspruch
§§ 139 bis 142a PatG → Rechtsverletzungen
PatG → Patentgesetz