Anzeigen:
→ unberechtigte Schutzrechtsverwarnung
Bei der Verwarnung von Abnehmern macht der Schutzrechtsinhaber sein vermeintlich verletztes Recht nicht gegenüber dem unmittelbaren Mitbewerber, sondern - was ihm grundsätzlich freisteht - gegenüber dessen Abnehmern geltend.
Richtet sich die Verwarnung an Abnehmer der beanstandeten Waren, kann ein entsprechender Anspruch auch einem Hersteller zustehen, der die Abnehmer beliefert. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der notwendige Ausgleich zwischen dem durch Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Schutzrechtsinhabers, sein Recht geltend machen zu können, und dem gleichfalls durch das Grundgesetz geschützten Interesse des Wettbewerbs, sich außerhalb des Schutzbereichs bestehender Rechte unter Beachtung der Gesetze frei entfalten zu können, nicht mehr wirksam gewährleistet wäre, wenn es dem Schutzrechtsinhaber gestattet wäre, Schutz in einem Umfang zu beanspruchen, der ihm nicht zusteht, und wenn er den wirtschaftlichen Nutzen aus einer schuldhaften Verkennung des Umfangs des ihm zustehenden Schutzes ziehen dürfte, ohne für einen hierdurch verursachten Schaden seines Mitbewerbers einstehen zu müssen.1)
Bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen ist, wenn der Schutzrechtsinhaber sein vermeintliches Recht nicht gegenüber seinem unmittelbaren Wettbewerber, sondern gegenüber dessen Abnehmern geltend macht, die damit verbundene besondere Gefährdung der Kundenbeziehungen des betroffenen Mitbewerbers zu seinen Abnehmern zu berücksichtigen. Da die Abnehmer typischerweise ein geringeres Interesse an einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Schutzrechtsinhaber haben, kann bereits die Geltendmachung von Ausschließlichkeitsrechten gegenüber den Abnehmern - unabhängig davon, ob sie berechtigt ist oder nicht - zu einem möglicherweise existenzgefährdenden Eingriff in die Kundenbeziehungen des mit dem Inhaber des Schutzrechts konkurrierenden Herstellers oder Lieferanten führen.2)
Die Haftung für eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ist nicht grundsätzlichen ausgeschlossen, wenn der rechtswidrige Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dadurch begangen wird, daß Abnehmer des Gewerbetreibenden unberechtigt in Anspruch genommen werden und der geschädigte Gewerbetreibende seine Rechte folglich weder in einem gerichtlichen Verfahren wahrnehmen kann noch in irgendeiner Form an einem solchen Verfahren beteiligt ist.3)
Das Interesse der Abnehmer, sich sachlich mit dem Schutzrechtsinhaber auseinanderzusetzen, ist typischerweise erheblich geringer als das entsprechende Interesse des mit dem Schutzrechtsinhaber konkurrierenden Herstellers. Bei dem einzelnen Abnehmer können die Umsätze mit dem vermeintlich verletzenden Erzeugnis nur geringe Bedeutung haben; außerdem steht ihm häufig die Alternative zu Gebote, ohne oder ohne erhebliche Nachteile auf ein entsprechendes Produkt des Schutzrechtsinhabers auszuweichen. Einschneidend getroffen wird in dieser Situation nicht der verwarnte Abnehmer, sondern der ihn beliefernde Hersteller.4)
Die außergerichtliche Abmahnung auch einer Vielzahl von Abnehmern bedeutet nur einen relativ geringen Aufwand und ist demgemäß in der Praxis häufig anzutreffen. Demgegenüber entschließt sich der Schutzrechtsinhaber erfahrungsgemäß nicht leicht zu einem gerichtlichen Vorgehen gegen einen Abnehmer und noch schwerer dazu, gleichzeitig eine Vielzahl von Abnehmern eines Mitbewerbers gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Ein solches Vorgehen ist mit beträchtlichem finanziellen, zeitlichen und organisatorischen Aufwand und Risiko verbunden, zumal gegebenenfalls eine Mehrzahl von Gerichten angerufen werden muß und im Unterliegensfalle die Kosten jedes Gegners zu erstatten sind. Ein Rechtsstreit kann die Geschäftsbeziehung zu den Abnehmern, die der Schutzrechtsinhaber vielfach als Kunden gewinnen will, sehr viel nachhaltiger stören als eine Abmahnung; zudem erhöht es aus Sicht des Verwarnenden die Gefahr, daß die Abnehmer sich zu Widerstand entschließen.5)
Abgesehen davon, daß insbesondere auf sich schnell verändernden Märkten mit bei Abschluß des Rechtsstreits stark veränderten Marktverhältnissen gerechnet werden müßte, wäre es regelmäßig nicht oder nur schwer möglich, die einmal beendeten Kundenbeziehungen wieder aufzunehmen. Hinzu käme, daß der Verwarner für den durch die verlorenen Umsatzgeschäfte entstandenen Schaden nicht zu haften brauchte, der Schaden somit bei dem Mitbewerber verbliebe, während der Verwarner in jedem Fall den zusätzlichen Gewinn behalten dürfte, den er dadurch erlangt hat, daß sich die Abnehmer seines Mitbewerbers der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung gebeugt haben.6) Das wird den betroffenen Konkurrenten vielfach von der negativen Feststellungsklage abhalten, während der aus der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung gezogene Gewinn des Verwarners allenfalls durch die Verpflichtung geschmälert würde, die Kosten einer solchen negativen Feststellungsklage zu tragen. Im wirtschaftlichen Ergebnis liefe das darauf hinaus, einem Schutzrechtsinhaber zu gestatten, zu Lasten des freien Wettbewerbs nahezu risikolos den Schutzbereich seines Schutzrechts nach eigenem Gutdünken zu bestimmen. Das wäre mit dem schon vom Reichsgericht für notwendig erkannten angemessenen Interessenausgleich unvereinbar und ginge weit über dasjenige hinaus, was der wirksame Schutz der gewerblichen Schutzrechte gebietet.7)
Ohne das von der Rechtsprechung entwickelte Institut der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung ergäbe sich keine wirksame Handhabe, um einem möglicherweise existenzgefährdenden Eingriff in seine Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung von Ausschließlichkeitsrechten gegenüber seinen Abnehmern entgegenzutreten. Wäre die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung für den Verwarner ohne Haftungsrisiko, bliebe dem Mitbewerber nur die Klage auf Feststellung, daß dem aus dem Schutzrecht Verwarnenden die vermeintlichen Ansprüche nicht zustehen. Schon wegen der bis zum rechtskräftigen Abschluß eines solchen Verfahrens verstreichenden Zeit wäre hierdurch jedoch in aller Regel kein wirksamer Rechtsschutz zu erreichen.8)
Daß der Geschädigte dem Rechtsstreit gegen seinen Abnehmer gegebenenfalls als Streithelfer beitreten könnte, ändert daran grundsätzlich nichts. Abgesehen davon, daß eine solche förmliche Beteiligung an dem Rechtsstreit nicht zwingend ist, ist sie zur Wahrung der Rechte des Geschädigten ungeeignet, wenn der Abnehmer - und gerade dann stellt sich typischerweise die Frage nach einer Schadensersatzhaftung - den Streit nicht vor Gericht austragen will. Denn zu den Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei kann sich der Streithelfer nicht wirksam in Widerspruch setzen (§ 67 ZPO).9)
In den Kundenstamm eines Herstellungsunternehmens wird unmittelbar eingegriffen, wenn die belieferten Abnehmer wegen einer Schutzrechtsverletzung abgemahnt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Verwarnende vorher gegen den Hersteller der beanstandeten Gegenstände vorgegangen ist (OLG Nürnberg GRUR 1996, 48, zu § 23 PatG).10)
An einer objektiv unangemessenen gezielten Behinderung durch die Verwarnung eines Abnehmers fehlt es bei einem Zulieferer, der selbst nicht als Schutzrechtsverletzer in Betracht kam, aus denselben Gründen, die bei dieser Fallgruppe einer Haftung des Verwarnenden wegen eines betriebsbezogenen (unmittelbaren) Eingriffs in das Recht des Zulieferers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb entgegenstehen.11)
ln der unberechtigten Verwarnung eines Mitbewerbers wegen vermeintlicher Verletzung eines Ausstattungsschutzrechtes liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein unmittelbarer Eingriff in den Gewerbebetrieb des Zulieferers der angegriffenen Ausstattung, solange Verletzer des vermeintlichen Schutzrechtes nicht in erster Linie der Hersteller oder Lieferant ist.12)
Zwar wird der Zulieferer in der Belieferung des verwarnten Abnehmers unabhängig davon behindert, ob er bei Bestehen des Schutzrechtes selbst Ansprüchen des Verwarnenden ausgesetzt wäre. Eine solche Behinderung allein verleiht jedoch noch keine Anspruchsberechtigung. Die durch die Abnehmerverwarnung gestörte Kundenbeziehung ist nicht absolut geschützt, sondern genießt Schutz nur, soweit die Wirkung des Ausschließlichkeitsrechts nach einem Korrelat in Gestalt der Haftung des Rechtsinhabers für unberechtigte Verwarnungen verlangt.13)
Behauptet der Verwarnende nicht (wie etwa bei der Inanspruchnahme des letzten Abnehmers in einer Lieferkette) zugleich eine Schutzrechtsverletzung durch den Anbieter der vorangegangenen Vertriebsstufe, sondern nimmt er einen Hersteller in Anspruch, der sich bei der Herstellung des Erzeugnisses auf die Zuliefertätigkeit eines Dritten stützte, so stehen diesem Dritten Ansprüche wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung nicht zu, da er den angeblichen Schutzrechtsverletzer lediglich beliefert hat, ohne selbst nach der Rechtsauffassung des Verwarnenden als Verletzer zu erscheinen.14)
Verwarnt der Patentinhaber unberechtigterweise den Vertreiber eines vermeintlich patentverletzenden Erzeugnisses, stehen dem Hersteller, nicht aber dessen Zulieferern Ansprüche wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung zu. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Zulieferer als mittelbarer Verletzer in Betracht käme, wenn durch den Vertrieb des Erzeugnisses das Patent verletzt würde.15)
Lässt sich der Verwarnung des Abnehmers des (angeblich) patentverletzenden Endprodukts nicht - ausdrücklich oder nach dem Zusammenhang der abgegebenen Erklärungen - entnehmen, dass der Verwarnende auch ein Verbotsrecht nach § 10 PatG gegenüber dem Zulieferer des Herstellers behauptet, scheidet ein Eingriff in das Recht des Zulieferers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus.16)
Das dem Schutzrechtsinhaber verliehene Ausschließlichkeitsrecht schließt jeden Wettbewerber von der Benutzung des nach Maßgabe der jeweiligen gesetzlichen Vorschriften definierten Schutzgegenstandes aus. Diese einschneidende, die Freiheit des Wettbewerbs begrenzende Wirkung des Ausschließlichkeitsrechts verlangt nach einem Korrelat, welches sicherstellt, daß der Wettbewerb nicht über die objektiven Grenzen hinaus eingeschränkt wird, durch die das Gesetz den für schutzfähig erachteten Gegenstand und seinen Schutzbereich bestimmt.17)
Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen dazu, daß die Grenzen des Schutzbereichs eines Rechts im Einzelfall typischerweise nicht evident sind. Deswegen besteht grundsätzlich die Gefahr, daß es dem Schutzrechtsinhaber gelingt, unberechtigte Schutzbereichsvorstellungen durchzusetzen.18)
Eine Behinderung, die sich aus der rechtmäßigen Ausübung von Schutzrechten ergibt, ist grundsätzlich wettbewerbskonform und dementsprechend von den betroffenen Mitbewerbern hinzunehmen.19). Daraus ergibt sich jedoch nichts dafür, daß auch eine Behinderung hinzunehmen wäre, die sich aus einer Überschreitung der dem Schutz gewerblicher Schutzrechte gesetzten Grenzen ergibt (unberechtigte Schutzrechtsverwarnung).
Es entspricht deshalb ständiger, auf das Reichsgericht zurückgehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition [→ Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Geschäftsbetrieb] sowohl des Verwarnten als auch desjenigen Gewerbetreibenden darstellen kann, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung eines Ausschließlichkeitsrechts gegenüber dem verwarnten Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden.20)
Partnerprojekte: waidlerwiki.de - chiemgau-wiki.de