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verfahrensrecht:vorrang_der_leistungsklage_gegenueber_der_feststellungsklage

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Vorrang der Leistungsklage gegenüber der Feststellungsklage

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses [→ Feststellungsinteresse ] zu bejahen, wenn dem Recht oder der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Ungewissheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen.1)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlt das Feststellungsinteresse grundsätzlich dann, wenn ein Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann.2)

Der Vorrang der Leistungsklage steht der Annahme eines Feststellungsinteresses nicht entgegen, wenn auch die Entscheidung über die Feststellungsklage zur endgültigen Streitbeilegung führt, etwa weil die Parteien sich darauf verständigt haben, das streitige Rechtsverhältnis im Wege der Feststellungsklage klären zu lassen.3)

Demgegenüber fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse, wenn der Kläger seinen Anspruch mit der Leistungsklage geltend machen kann, es sei denn, die Schadensentwicklung ist im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgeschlossen.4)

Ebenso ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch anerkannt, dass keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage besteht, eine Feststellungsklage vielmehr trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig ist, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt.5)

Insbesondere ist die Erhebung einer Feststellungsklage zulässig, wenn die Schadensentwicklung im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgeschlossen ist, was hier jedenfalls für den geltend gemachten im Ausland eingetretenen Schaden zu bejahen ist. Selbst wenn in einem solchen Fall in der Berufungsinstanz eine Bezifferung möglich wird, braucht der Kläger nicht auf eine Leistungsklage überzugehen, die Feststellungsklage bleibt vielmehr zulässig.6)

Im gewerblichen Rechtsschutz besteht ein Feststellungsinteresse auch dann, wenn der Kläger den ersatzfähigen Schaden bereits bei Klageerhebung hätte abschließend beziffern können. Dies gilt auch für den im gewerblichen Rechtsschutz atypischen Fall, in dem die Frage des Umfangs der Verletzung von Schutzrechten durch den Verletzer keine Rolle spiele, sondern die Schadenshöhe allein mit Tatsachen aus der Sphäre des Verletzten begründet werden soll. Auch dann reiche es vielfach aus, wenn das Gericht die Verpflichtung des Verletzers dem Grunde nach ausspricht.7)

Der Vorrang der Leistungsklage gilt aber nicht ausnahmslos. Wenn zu erwarten ist, dass eine Feststellungsklage zur endgültigen Erledigung des Rechtsstreits führt, etwa weil von der Bereitschaft des Beklagten zur Leistung schon nach einem rechtskräftigen Feststellungsurteil auszugehen ist, bestehen gegen ihre Zulässigkeit keine Bedenken.8)

Das Feststellungsinteresse entfällt im gewerblichen Rechtsschutz in der Regel nicht schon dann, wenn der Kläger im Wege der Stufenklage auf Leistung klagen könnte.9)

Dafür sprechen prozessökonomische Erwägungen, weil die Schadensberechnung auch nach erteilter Auskunft häufig Schwierigkeiten bereitet und eine eingehende Prüfung der Berechnungsmethode des Schadens erfordert. Zudem schützt die Feststellungsklage den Verletzten in stärkerem Maße vor Verjährung. Die Erhebung der Stufenklage hat nur eine Hemmung der Verjährung zur Folge, die gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB sechs Monate nach einem Stillstand des Verfahrens endet. Soll die Verjährungsfrist nicht weiterlaufen, muss der Verletzte nach Erteilung der Auskunft innerhalb dieser sechs Monate den Prozess fortsetzen. Dies ist besonders problematisch bei Streit über die Vollständigkeit der Auskunft. Es entspricht zudem prozessualer Erfahrung, dass die Parteien nach erfolgter Auskunft und Rechnungslegung in vielen Fällen aufgrund des Feststellungsurteils auch ohne Inanspruchnahme der Gerichte zu einer Schadensregulierung finden. Deshalb besteht kein Anlass, aus prozessualen Gründen dem Verletzten zu gebieten, das Gericht nach Rechnungslegung mit einem Streit über die Höhe des Schadensbetrags zu befassen.10)

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Verletzte auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung klagt, nachdem der Verletzer rechtskräftig zu Unterlassung und Auskunft verurteilt worden ist. Der Verletzte ist nicht verpflichtet, die Erteilung der Auskunft abzuwarten oder im Wege der Vollstreckung durchzusetzen, um erst dann auf Leistung zu klagen. Eine derartige Verpflichtung würde dazu führen, dass der Verletzer den Eintritt der Verjährung durch verzögerte Auskunftserteilung herbeiführen könnte. Der Verletzte, der bei seiner ersten Klage keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht hat, ist deshalb nicht gehindert, im Anschluss an den ersten Prozess eine Schadensersatzklage zu erheben. Diese kann vor erteilter Auskunft zweckmäßig nur auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtet sein.11)

Das Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsklage kann wegen besserer Rechtsschutzmöglichkeit fehlen, wenn es der Klägerin im Interesse der endgültigen Klärung des Streitstoffs möglich und zumutbar war, den Schaden zu beziffern und auf Leistung zu klagen 12). Entscheidend kommt es dabei auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung an. Dass eine Bezifferung im Laufe des Prozesses möglich geworden sein könnte, spielt keine Rolle.13)

Auch wenn die Bemessung des Schadens schwierige Prognosen erfordert, entfällt die Bezifferbarkeit ohne weiteres nicht, zumal § 252 BGB dem Geschädigten in Bezug auf Gewinneinbußen Beweiserleichterungen an die Hand gibt.14)

Das Feststellungsinteresse ist schließlich ebenfalls nicht allein aus der Notwendigkeit zur Hemmung der Verjährung herzuleiten. Um die Hemmungswirkung zu erreichen, hätte eine entsprechend bezifferte Klage erhoben werden können und müssen.15)

siehe auch

1)
BGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - X ZR 56/09 - Besonderer Mechanismus, m.V.a. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1998 - X ZR 92/96, NJW 1999, 430, 432; vom 22. März 1995 - XII ZR 20/94, NJW 1995, 2032, 2033; vom 10. Oktober 1991 - IX ZR 38/91, NJW 1992, 436, 437 jeweils mwN
2) , 6)
BGH, Urt. v. 20. Mai 2008 - X ZR 6/06; m.w.N.
3)
BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 113/18 - Deutsche Digitale Bibliothek II; m.V.a. BGH, Urteil vom 27. Juni 1995 - XI ZR 8/94, NJW 1995, 2221, 2222 [juris Rn. 16]; Urteil vom 17. Juni 2016 - V ZR 272/15, NJW-RR 2016, 1404 Rn. 16
4)
BGH, Urteil vom 11. Januar 2018 - I ZR 187/16 - Ballerinaschuh; m.V.a. BGH, Urteil vom 6. Mai 1993 - I ZR 144/92, GRUR 1993, 926 [juris Rn. 14] = WRP 1993, 762 - Apothekenzeitschriften; Urteil vom 17. Mai 2001 - I ZR 189/99, GRUR 2001, 1177 f. [juris Rn. 26] = WRP 2001, 1164 - Feststellungsinteresse II
5)
BGH, Urt. v. 20. Mai 2008 - X ZR 6/06; m.V.a. BGH, Urt. v. 17.05.2001, aaO; Urt. v. 04.06.1996, aaO, jeweils m.w.N. und die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Musielak/Förster, ZPO, 6 Aufl., § 256 Rdn. 18 ff.
7)
BGH, Urt. v. 20. Mai 2008 - X ZR 6/06
8)
((BGH, Urt. v. 11. Januar 2007 - I ZR 87/04 - Irreführender Kontoauszug; m.V.a. BGH, Urt. v. 30.5.1995 - XI ZR 78/94, NJW 1995, 2219; Urt. v. 5.12.1995 - XI ZR 70/95, NJW 1996, 918 f.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 52 Rdn. 10 Fn. 29
9)
BGH, Urt. v. 28. Juni 2007 - I ZR 132/04 - INTERCONNECT/T-InterConnect; m.V.a. BGH, Urt. v. 17.5.2001 - I ZR 189/99, GRUR 2001, 1177 f. = WRP 2001, 1164 - Feststellungsinteresse II, m.w.N.; Urt. v. 15.5.2003 - I ZR 277/00, GRUR 2003, 900, 901 = WRP 2003, 1238 - Feststellungsinteresse III
10)
BGH, Urt. v. 28. Juni 2007 - I ZR 132/04 - INTERCONNECT/T-InterConnect; m.V.a. BGH GRUR 2003, 900, 901 - Feststellungsinteresse III
11)
BGH, Urt. v. 28. Juni 2007 - I ZR 132/04 - INTERCONNECT/T-InterConnect
12)
vgl. Zöller-Greger, 28. Aufl. 2010, § 256 Rn. 7 a. m.w.N.
13)
OLG Hamm, Urteil v. 11.05.2010, I-4 U 14/10
14) , 15)
OLG Hamm, Urteil v. 11.05.2010, I-4 U 14/10; m.w.N.
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