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verfahrensrecht:kerntheorie

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Kerntheorie

Die Verletzung eines bestimmten Schutzrechts kann die Verhängung eines Ordnungsmittels für kerngleiche Verletzungen anderer Schutzrechte rechtfertigen, wenn die kerngleichen Verletzungshandlungen in das Erkenntnisver-fahren und die Verurteilung einbezogen sind.1)

Die Kerntheorie erlaubt aber nicht, die Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel auf Schutzrechte zu erstrecken, die nicht Gegenstand des vorhergehenden Erkenntnisverfahrens gewesen sind. Insbesondere kommt keine Vollstreckung von Ordnungsmitteln wegen der Verletzung solcher Schutzrechte in Betracht, die zur Zeit des Erkenntnisverfahrens noch nicht einmal entstanden waren. Denn dies wäre eine wegen des Sanktionscharakters der Ordnungsmittel des § 890 ZPO unzulässige Titelerweiterung.2)

Demgegenüber beschränkt sich die Kerntheorie darauf, ein im „Kern“ feststehendes und bei dessen sachgerechter Auslegung auch eine abweichende Handlung bereits umfassendes Verbot auf Letztere anzuwenden.3)

Das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform, das für die Bestimmung des Kerns der verbotenen Handlung maßgeblich ist, ist daher auf das beschränkt, was bereits Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren gewesen ist.4)

Da jedes Schutzrecht im Streitfall jedes vom Gläubiger angefertigte Lichtbild einen eigenen Streitgegenstand darstellt, kann sich das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform nicht über die konkreten Schutzrechte hinaus erstrecken, die Gegenstand des Erkenntnisverfahrens waren. Eine Ausnahme davon ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn es sich um gleichartige Schutzrechte desselben Rechtsinhabers handelt. Nur so ist der Umfang der Rechtskraft sicher feststellbar und eine Grundlage der Vollstreckung gegeben, die den Bestimmtheitsanforderungen genügt.5)

siehe auch

1)
BGH, Beschluss vom 3. April 2014 - I ZB 42/11; Fortführung von BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 I ZR 55/12, GRUR 2013, 1235 Rn. 18 = WRP 2014, 75 Restwertbörse II
2)
BGH, Beschluss vom 3. April 2014 - I ZB 42/11 - Reichweite des Unterlassungsgebots
3)
BGH, Beschluss vom 3. April 2014 - I ZB 42/11 - Reichweite des Unterlassungsgebots; m.V.a. BGH, Urteil vom 30. März 1989 I ZR 85/87, WRP 1989, 572, 574 Bioäquivalenz-Werbung, insoweit nicht in BGHZ 107, 136; vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 57 Rn. 14
4)
BGH, Beschluss vom 3. April 2014 - I ZB 42/11 - Reichweite des Unterlassungsgebots; m.V.a. Teplitzky aaO Kap. 57 Rn. 12; Spätgens in Gloy/Loschelder/Erdmann, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 112 Rn. 52
5)
BGH, Beschluss vom 3. April 2014 - I ZB 42/11 - Reichweite des Unterlassungsgebots; m.V.a. BGH, WRP 1989, 572, 574 Bioäquivalenz-Werbung
verfahrensrecht/kerntheorie.txt · Zuletzt geändert: 2023/07/25 08:28 von 127.0.0.1