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Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.
Die Vervielfältigungen dürfen nicht an einem Bauwerk vorgenommen werden.
Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist es zulässig, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.1)
Die Regelung beruht auf der Erwägung, die Aufstellung eines Kunstwerkes an öffentlichen Orten bringe zum Ausdruck, dass damit das Werk der Allgemeinheit gewidmet werde; aus dieser Zweckbestimmung rechtfertige sich eine Beschränkung des Urheberrechts in der Weise, dass jedermann das Werk abbilden und die Abbildungen verwerten dürfe.2)
Die Bestimmung gestattet daher nicht nur das Fotografieren eines Werkes, das sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befindet, sondern erlaubt darüber hinaus die - auch gewerbliche - Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe der Fotografie.3)
Dabei schließt die Befugnis zur öffentlichen Wiedergabe die Befugnis zur öffentlichen Zugänglichmachung ein.4)
Bei der Auslegung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist - wie bei der Auslegung jeder urheberrechtlichen Schrankenbestimmung - zu berücksichtigen , dass der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke tunlichst angemessen zu beteiligen ist und die dem Urheber zustehenden Ausschließlichkeitsrechte daher nicht übermäßig beschränkt werden dürfen. Diesem Grundsatz wird im Allgemeinen mit einer engen Auslegung der Schrankenregelungen Rechnung getragen. Auf der anderen Seite muss die Auslegung das vom Gesetz mit der Schrankenbestimmung verfolgte Ziel beachten. Daher sind neben den Interessen des Urhebers die durch die Schrankenbestimmung geschützten Interessen zu berücksichtigen und ihrem Gewicht entsprechend für die Auslegung der gesetzlichen Regelung heranzuziehen. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass eine enge, am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung einer großzügigeren, dem Gewicht der durch die Schrankenbestimmung geschützten Interessen genügenden Interpretation weichen muss.5)
Eine großzügigere Auslegung kommt nur in Betracht, wenn im konkreten Fall dem von der Schrankenregelung geschützten Interesse ein gesteigertes Gewicht zukommt.6)
Bei der Auslegung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist ferner zu beachten, dass diese Regelung der Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 Buchst. h der Richtlinie 2001/29/EG [→ Urheberrechtsrichtlinie] zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dient. Danach können die Mitgliedstaaten für die Nutzung von Werken wie Werken der Baukunst oder Plastiken, die dazu angefertigt wurden, sich bleibend an öffentlichen Orten zu befinden, Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich deren öffentlichen Zugänglichmachung vorsehen. Die Bestimmung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG genügt grundsätzlich den Vorgaben des Art. 5 Abs. 3 Buchst. h der Richtlinie 2001/29/EG7). Sie ist - soweit im Einzelfall erforderlich - richtlinienkonform auszulegen.8)
Allerdings schränkt § 59 Abs. 1 UrhG allein das Urheberrecht des Urhebers des Werkes und nicht das Urheberrecht (§ 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG) oder Leistungsschutzrecht (§ 72 Abs. 1 und 2 UrhG) des Fotografen an der Fotografie ein.9)
Der Begriff „Lichtbild“ im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG erfasst sowohl das Lichtbild im Sinne von § 72 Abs. 1 UrhG als auch das Lichtbildwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG.10)
Der Wortlaut des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG beschränkt die Zulässigkeit der Vervielfältigung von Werken, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, auf Vervielfältigungen mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film. Eine Vervielfältigung des Werkes in dreidimensionaler Form ist danach auch dann nicht zulässig, wenn das Werk als verkleinertes Modell oder aus anderen Materialien nachgebildet wird.11)
Daher ist etwa der Bau und Vertrieb des Spielzeugmodells eines urheberrechtlich geschützten Bauwerks oder Denkmals innerhalb der Schutzfrist (§ 64 UrhG) nur mit Zustimmung des Rechtsinhabers erlaubt.12)
Eine nach § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG unzulässige dreidimensionale Vervielfältigung kommt - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht nur bei dreidimensionalen, sondern auch bei zweidimensionalen Werken in Betracht. So wird etwa der urheberrechtlich geschützte zweidimensionale Entwurf eines Werkes der Baukunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG) in Form eines Architektenplans durch Ausführung dieses Entwurfes und Errichtung eines dem Entwurf entsprechenden dreidimensionalen Bauwerks vervielfältigt.13)
Desgleichen kann ein - bleibend an einem öffentlichen Ort befindliches - Gemälde dadurch vervielfältigt werden, dass in dem Gemälde dargestellte Figuren in dreidimensionaler Form nachgebildet werden.14)
Durch das Aufbringen der Fotografie eines Werkes auf einem dreidimensionalen Träger wird eine nach § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG zulässige Vervielfältigung des Werkes durch Lichtbild erst dann zu einer nach § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG unzulässigen Vervielfältigung des Werkes in dreidimensionaler Form, wenn dadurch zwischen der Fotografie und dem dreidimensionalen Träger nicht nur eine rein äußerliche, physische Verbindung geschaffen wird, sondern darüber hinaus eine innere, künstlerische Verbindung entsteht, so dass die Fotografie nicht lediglich von einem dreidimensionalen Objekt getragen wird, sondern mit diesem zu einem einheitlichen Werk verschmilzt.15)
Die Bestimmung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG gestattet nicht nur das Fotografieren eines Werkes, das sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befindet, sondern darüber hinaus die - auch gewerbliche - Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe der Fotografie.16)
Die Vervielfältigung von Teilen eines Werkes nach § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG verstößt nicht gegen das Änderungsverbot des § 62 Abs. 1 Satz 1 UrhG.17)
Ein Werk befindet sich „an“ öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus wahrgenommen werden kann.18)
Unerheblich ist, ob das Werk selbst für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Das ergibt sich aus dem Zweck der Regelung, es dem Publikum zu ermöglichen, das, was es von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus mit eigenen Augen sehen kann, als Gemälde, Zeichnung, Fotografie oder im Film zu betrachten.19)
Entgegen der Ansicht der Revision erfasst die Schrankenregelung - erst recht - Werke, die sich nicht nur an, sondern sogar auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, soweit sie dort - wie regelmäßig - vom Publikum wahrgenommen werden können.20)
Wege, Straßen oder Plätze sind im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG „öffentlich“, wenn sie für jedermann frei zugänglich sind, unabhängig davon, ob sie in öffentlichem oder privatem Eigentum stehen.21)
Die Nennung von „Wegen, Straßen oder Plätzen“ in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist lediglich beispielhaft und nicht abschließend. Die Bestimmung erfasst jedenfalls alle Orte, die sich - wie Wege, Straßen oder Plätze - unter freiem Himmel befinden.22)
Ein Werk befindet sich auch dann im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG „an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen“, wenn es den Ort wechselt und es sich bei den verschiedenen Orten, an oder auf denen sich das Werk befindet, um öffentliche Orte handelt.23)
Durch § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG sind nur Aufnahmen und Darstellungen eines geschützten Werkes privilegiert, die von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus gemacht worden sind, an denen sich das fragliche Werk befindet, und die den Blick von dem öffentlichen Ort aus wiedergeben, wie er sich dem allgemeinen Publikum bietet. Die Schrankenbestimmung soll es dem Publikum ermöglichen, das, was es von der Straße aus mit eigenen Augen sehen kann, als Gemälde, Zeichnung, Fotografie oder im Film zu betrachten. Von diesem Zweck der gesetzlichen Regelung ist es nicht mehr gedeckt, wenn - etwa mit dem Mittel der Fotografie - der Blick von einem für das allgemeine Publikum unzugänglichen Ort aus fixiert werden soll. Ist beispielsweise ein Bauwerk für die Allgemeinheit lediglich aus einer bestimmten Perspektive zu sehen, besteht nach dem Sinn der gesetzlichen Regelung keine Notwendigkeit, eine Darstellung oder Aufnahme vom urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrecht auszunehmen, die eine ganz andere Perspektive wählt (BGH, GRUR 2003, 1035, 1037 - Hundertwasser-Haus, mwN). Desgleichen sind vom Zweck der Regelung keine Aufnahmen des Werkes umfasst, die unter Verwendung besonderer Hilfsmittel (wie einer Leiter) oder nach Beseitigung blickschützender Vorrichtungen (wie einer Hecke) angefertigt worden sind. Solche Ansichten des Werkes sind nicht Teil des von der Allgemeinheit wahrnehmbaren Straßenbildes.24)
Ein Werk befindet sich im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG „bleibend“ an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es sich dauerhaft und nicht nur vorübergehend an öffentlichen Orten befindet. Das ist der Fall, wenn das Werk aus Sicht der Allgemeinheit dazu bestimmt ist, für längere, meist unbestimmte Zeit an öffentlichen Orten zu bleiben.25)
Die Nennung von „Wegen, Straßen oder Plätzen“ in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist lediglich beispielhaft und nicht abschließend. Die Bestimmung erfasst jedenfalls alle Orte, die sich - wie Wege, Straßen oder Plätze - unter freiem Himmel befinden.26)
Bereits der Zweck der Vorschrift, das Urheberrecht an Werken, die durch ihre Aufstellung an öffentlichen Orten der Allgemeinheit gewidmet worden sind, in der Weise zu beschränken, dass jedermann diese Werke abbilden und die Abbildungen verwerten darf, legt es nahe, die Vorschrift auf Werke anzuwenden, die sich bleibend an anderen öffentlichen Orten als Wegen, Straßen oder Plätzen befinden.27)
Ein Werk befindet sich auch dann im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es den Ort wechselt und es sich bei den verschiedenen Orten, an oder auf denen sich das Werk befindet, um öffentliche Orte handelt.28)
Bereits nach seinem Wortlaut setzt § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG nicht voraus, dass sich das Werk bleibend an einem bestimmten Ort befindet, es also ortsfest ist; vielmehr erfasst der Wortlaut auch Fallgestaltungen, bei denen sich das Werk nacheinander an verschiedenen öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befindet. So verhält es sich, wenn das Werk sich von einem Ort zu einem anderen fortbewegt, etwa weil es sich dabei um ein urheberrechtlich geschütztes Fahrzeug, oder um ein Werk der bildenden oder angewandten Kunst handelt, das an einem Fahrzeug - wie hier an einem Seeschiff - angebracht ist.29)
Das durch § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG geschützte Interesse der Allgemeinheit an der Freiheit des Straßenbildes erfordert es, die Vorschrift auf Werke an Fahrzeugen anzuwenden, die bestimmungsgemäß im öffentlichen Straßenverkehr eingesetzt werden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts werden Straßenbahnen, Omnibusse oder auch Lastkraftwagen zunehmend als Werbeträger eingesetzt und sind die an solchen Fahrzeugen angebrachten Gestaltungen jedenfalls zu einem nicht unerheblichen Teil als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt. Das Fotografieren und Filmen im öffentlichen Raum würde erheblich eingeschränkt, wenn die Aufnahme solcher Fahrzeuge urheberrechtliche Ansprüche auslösen könnte. Andererseits muss ein Künstler, der Werke für einen solchen Verwendungszweck schafft, damit rechnen, dass diese an öffentlichen Orten wahrgenommen werden. Eine Abwägung der betroffenen Interessen führt zu dem Ergebnis, dass der Berechtigte es in solchen Fällen grundsätzlich hinnehmen muss, dass das Werk an den öffentlichen Orten ohne seine Einwilligung fotografiert oder gefilmt wird.30)
Ein Werk befindet sich im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG „bleibend“ an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es sich dauerhaft und nicht nur vorübergehend an öffentlichen Orten befindet.31) Das ist dann der Fall, wenn das Werk aus Sicht der Allgemeinheit dazu bestimmt ist, für längere, meist unbestimmte Zeit an dem öffentlichen Ort zu bleiben.32). Entsprechendes gilt für den Fall, dass das Werk den Ort wechselt.33)
Wer sich auf § 59 UrhG beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Fotografie des Werkes von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus gemacht worden ist.34))
Zeigt die Fotografie eine Ansicht des Werkes, wie sie sich dem allgemeinen Publikum von einem öffentlichen Ort aus bietet, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Fotografie von einem solchen Ort aus gemacht worden ist. Es ist dann Sache des Inhabers der Rechte am Werk, diese Vermutung durch den Vortrag konkreter Umstände zu erschüttern. Wer sich auf § 59 UrhG beruft, hat dann seine Behauptung zu beweisen.35)
Abschnitt 6 UrhG → Schranken des Urheberrechts
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