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Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.
Art. 3 (1) UrhRil → Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken
Da es sich bei den hier in Rede stehenden Rechten des Urhebers zur öffentlichen Wiedergabe in Form der öffentlichen Zugänglichmachung um nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG [→ Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken] harmonisiertes Recht handelt, sind die entsprechenden Bestimmungen des deutschen Urheberrechtsgesetzes richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG diese Rechte in seinem Anwendungsbereich vollständig harmonisiert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen.1)
Die Wiedergabe ist nach § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört nach § 15 Abs. 3 Satz 2 UrhG jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.2)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können bereits wenige Personen eine Mehrzahl im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG bilden.3)
Ob eine Verbundenheit durch persönliche Beziehungen im Sinne von § 15 Abs. 3 Satz 2 UrhG besteht, ist im Wesentlichen Tatfrage.4)
Eine öffentliche Wiedergabe setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten.5)
Eine öffentliche Wiedergabe setzt ferner voraus, dass das Publikum für diese Wiedergabe aufnahmebereit ist und nicht nur zufällig „erreicht“ wird.6)
Der Begriff der „Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und einer ziemlich großen Zahl von Personen erfüllt.7)
Um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten“ handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören.8)
Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. März 2012 in der Sache „SCF/Del Corso“ ist davon auszugehen, dass diese Voraussetzung im Allgemeinen nicht erfüllt ist, wenn ein Zahnarzt in seiner Praxis für seine Patienten Hörfunksendungen als Hintergrundmusik wiedergibt.9)
Mit dem Kriterium der „ziemlich großen Zahl von Personen“ ist gemeint, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle enthält und eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Zur Bestimmung dieser Zahl von Personen ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben.10)
Eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG kann unter Umständen voraussetzen, dass ein Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, das der Urheber des Werkes nicht berücksichtigt hat, als er dessen Nutzung im Wege der öffentlichen Wiedergabe erlaubt hat.11)
Diese Voraussetzung braucht allerdings nicht geprüft zu werden, wenn die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet; in solchen Fällen bedarf grundsätzlich jede Wiedergabe des Werkes der Erlaubnis des Urhebers.12)
Für die Beurteilung, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, ist es schließlich nicht unerheblich, ob die betreffende Nutzungshandlung Erwerbszwecken dient.13)
Der Erwerbszweck ist allerdings keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe; er kann daher für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG unter Umständen auch unerheblich sein.14)
Das Recht zur öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG umfasst zwar nur die Wiedergabe an eine Öffentlichkeit, die nicht an dem Ort anwesend ist, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt15). Nicht erfasst sind daher direkte Aufführungen und Darbietungen von Werken vor einer Öffentlichkeit, die sich in unmittelbarem körperlichen Kontakt mit der Person befindet, die dieses Werk aufführt oder darbietet.16)
Bei der Weitersendung von Werken über Kabelsysteme besteht jedoch kein unmittelbarer körperlicher Kontakt zwischen den ein Werk aufführenden oder darbietenden Personen und einer durch diese Wiedergabe erreichten Öffentlichkeit. Sie fällt daher in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG.17)
Das ausschließliche Recht des ausübenden Künstlers, seine Darbietung durch Kabelsysteme weiterzusenden, und sein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung im Falle einer erlaubten Weitersendung seiner Darbietung durch Kabelsysteme (vgl. oben Rn. 25) dienen der Umsetzung von Art. 8 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (kodifizierte Fassung). Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2006/115/EG sehen die Mitgliedstaaten für ausübende Künstler das ausschließliche Recht vor, die öffentliche Wiedergabe ihrer Darbietungen zu erlauben oder zu verbieten, es sei denn, die Darbietung ist selbst bereits eine gesendete Darbietung oder beruht auf einer Aufzeichnung. Nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG sehen die Mitgliedstaaten ein Recht vor, das bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für eine öffentliche Wiedergabe die Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung durch den Nutzer und die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller gewährleistet.18)
Die öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG umfasst nicht nur die unmittelbare, sondern auch die mittelbare Nutzung des Tonträgers für eine öffentliche Wiedergabe (vgl. v. Lewinski in Walter/v. Lewinski, European Copyright Law, 2010, Rn. 6.8.17 und 6.8.18). Sie erfasst damit den hier in Betracht kommenden Fall, dass die Sendung der auf einem Tonträger aufgezeichneten Darbietung eines ausübenden Künstlers über Kabel weitergesendet wird.19)
Eine „Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk oder der geschützten Leistung zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten. Dabei reicht es aus, wenn Dritte einen Zugang zu dem geschützten Werk oder der geschützten Leistung haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen.20)
Der Begriff der „Öffentlichkeit“ ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt.21)
Um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten“ handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören.22)
Mit dem Kriterium „recht viele Personen“ ist gemeint, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle enthält und eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Zur Bestimmung dieser Zahl von Personen ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben.23)
Diese Voraussetzungen sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union beispielsweise erfüllt, wenn der Betreiber eines Hotels in Rundfunksendungen übertragene Werke oder abgespielte Tonträger für seine Gäste über in deren Zimmern aufgestellte Fernseh- oder Radiogeräte überträgt 24) oder der Inhaber einer Gastwirt- schaft im Rundfunk gesendete Werke über einen Fernsehbildschirm und Lautsprecher für die sich in seiner Gastwirtschaft aufhaltenden Gäste wiedergibt 25) oder der Betreiber einer Kureinrichtung in Rundfunksendungen wiedergegebene Werke an seine Patienten über in deren Zimmern aufgestellte Fernseh- oder Radioempfänger übermittelt26).27)
Nicht erfüllt sind diese Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dagegen bei einer Wiedergabe von Funksendungen durch einen Zahnarzt an die Patienten seiner Praxis. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dazu in seinem Urteil vom 15. März 2012 ausgeführt, die Patienten eines Zahnarztes bildeten üblicherweise eine bestimmte Gesamtheit potentieller Leistungsempfänger, da andere Personen grundsätzlich keinen Zugang zur Behandlung durch den Zahnarzt hätten. Zudem sei die Zahl der Patienten, für die ein Zahnarzt denselben Tonträger hörbar mache, unerheblich oder sogar unbedeutend, da der Kreis der gleichzeitig in der Praxis anwesenden Personen im Allgemeinen sehr begrenzt sei und aufeinander folgende Patienten in aller Regel nicht Hörer derselben Tonträger seien, insbesondere wenn diese über Rundfunk wiedergegeben würden.28)
Für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist es weiterhin erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder - ansonsten - für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet, braucht nicht geprüft zu werden, ob das Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird, sondern bedarf die Wiedergabe ohne Weiteres der Erlaubnis des Urhebers.29)
Schließlich ist es nicht unerheblich, ob die betreffende Nutzungshandlung Erwerbszwecken dient.30)
Der Erwerbszweck ist allerdings keine zwingende Voraussetzung einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG31) und kann für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG unter Umständen auch unerheblich sein.32)
Die Wiedergabe von Hörfunksendungen in Wartezimmern von Zahnarztpraxen ist im Allgemeinen nicht als öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG anzusehen. Sie greift daher in der Regel nicht in das ausschließliche Recht der Urheber von Musikwerken oder Sprachwerken ein, Funksendungen ihrer Werke durch Lautsprecher öffentlich wahrnehmbar zu machen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 5 Fall 1, § 22 Satz 1 Fall 1 UrhG) und begründet auch keinen Anspruch der ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung, soweit damit Sendungen ihrer Darbietungen öffentlich wahrnehmbar gemacht werden (§ 78 Abs. 2 Nr. 3 Fall 1 UrhG).33)
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit seinem Urteil vom 15. März 2012 allein über die Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG (jetzt Richtlinie 2006/115/EG) entschieden (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 64 - SCF/Del Corso). Zur Auslegung dieses Begriffs hat er zwar die bereits zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG aufgestellten Kriterien herangezogen. Dabei hat er jedoch darauf hingewiesen, der Begriff der öffentlichen Wiedergabe werde in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG in Zusammenhängen verwendet, die nicht gleich seien, und zwar ähnliche, aber gleichwohl teilweise unterschiedliche Zielsetzungen verfolgten. Die Urheber verfügten nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG über ein Recht vorbeugender Art, dass es ihnen erlaube, bereits eine beabsichtigte öffentliche Wiedergabe ihrer Werke zu verbieten. Dagegen verfügten die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG über ein Recht mit Entschädigungscharakter, das sie erst bei oder nach der Verwendung eines Tonträgers für eine öffentliche Wiedergabe ausüben könnten. Daraus folge, dass Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG eine individuelle Beurteilung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe erfordere und auf ein im Wesentlichen wirtschaftliches Recht abstelle (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 74 bis 79 - SCF/Del Corso).34)
Der Betreiber eines Hotels, der Hotelzimmer mit Fernsehgeräten ausstattet, mit denen Hotelgäste ausgestrahlte Fernsehsendungen lediglich über eine Zimmerantenne empfangen können, gibt die Fernsehsendungen nicht im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG öffentlich wieder und verletzt daher nicht die Rechte von Urhebern, ausübenden Künstlern, Sendeunternehmen und Filmherstellern zur öffentlichen Wiedergabe ihrer Werke oder Leistungen.35)
Das für die Prüfung der öffentlichen Zugänglichmachung relevante Kriterium „recht viele Personen“ ist nicht erfüllt, wenn ein Produktfoto, dass zunächst von einem Verkäufer urheberrechtsverletzend auf einer Internethandelsplattform im Rahmen seiner Verkaufsanzeige öffentlich zugänglich gemacht worden war, nach Abgabe einer Unterlassungserklärung des Verkäufers nur noch durch die Eingabe einer rund 70 Zeichen umfassenden URL-Adresse im Internet zugänglich war und nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass die URLAdresse nur von Personen eingegeben wird, die diese Adresse zuvor - als das Foto vor Abgabe der Unterlassungserklärung noch im Rahmen der Anzeige des Verkäufers frei zugänglich gewesen war - abgespeichert oder sie sonst in irgendeiner Weise kopiert oder notiert haben, oder denen die Adresse von solchen Personen mitgeteilt worden war.36)
§ 15 UrhG → Recht der öffentlichen Wiedergabe
→ Verwertungsrechte
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