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Ist die frühere Anmeldung noch beim Patentamt anhängig, so gilt sie mit der Abgabe der Prioritätserklärung nach Absatz 4 als zurückgenommen. Dies gilt nicht, wenn die frühere Anmeldung ein Gebrauchsmuster betrifft.
§ 40 (1) PatG → Prioritätsrecht
§ 40 (2) PatG → Mehrfachprioritäten
§ 40 (3) PatG → Erfindungsidentität
§ 40 (4) PatG → Prioritätsfrist, Prioritätserklärung
§ 40 (6) PatG → Aktennahme einer Abschrift der Prioritätsanmeldung
Nach § 40 Abs. 5 Satz 1 PatG wird eine Rücknahmefiktion bei Anmeldungen innerhalb derselben Schutzrechtsgattung (Pat-Pat; Gbm-Gbm) durch eine frist und formgerechte abgegebene Prioritätserklärung ausgelöst.1)
Das vom Gesetzgeber mit der Regelung angestrebte Ziel besteht lediglich darin, dem DPMA eine Arbeitserleichterung zu verschaffen, indem die Prüfungsstellen und die Gebrauchsmusterstelle davon befreit werden, mehrere zeitrang- und gegenstandsgleiche Anmeldungen bearbeiten zu müssen.2)
Daher ist die Fiktion der Zurücknahme grundsätzlich an keine materiell-rechtlichen Voraussetzungen geknüpft; lediglich ein völliges Fehlen „derselben Erfindung“ soll den Eintritt der Rücknahmefiktion verhindern.3)
Die Rücknahmefiktion führt somit auch dann zum Wegfall der Voranmeldung, wenn die Inhalte von Vor- und Nachanmeldung nur teilweise übereinstimmen.4)
Die Rücknahmefiktion des § 40 (5) PatG tritt nicht ein, wenn die Vor- und die Nachanmeldung nicht dieselbe Erfindung zum Gegenstand haben.
Rückgängigmachen der Rücknahmefiktion ist weder durch Verzicht auf die Nachanmeldung, Widerruf noch Rücknahme der Prioritäterklärung möglich.
Die Rücknahmefiktion der nationalen Prioritätsanmeldung einer PCT-Anmeldung (Art. III § 4 IntPatÜG) kann durch eine Rücknahme der Prioritätserklärung verhindert werden, wenn die Rücknahme vor Eintritt in die nationale Phase gegenüber dem nationalen Amt erklärt wird.5)
Da es sich bei der Prioritätserklärung zwar um eine Verfahrenshandlung mit der materiellrechtlichen Wirkung handelt, daß die frühere Anmeldung als zurückgenommen gilt, ist die Irrtumsanfechtung zwar grundsätzlich möglich, allerdings nur solange die Erklärung noch nicht Grundlage einer Entscheidung geworden ist und Wirkung nach außen entfaltet. (anders Schulte, § 40, Rd. 36, der in der Inanspruchnahme der Priorität eine grundsätzlich nicht anfechtbare reine Verfahrenhandlung sieht.)
Eine Mitteilung des Patentamts, dass eine Patentanmeldung, deren Priorität für eine Internationale Patentanmeldung nach dem PCT unter Benennung von Deutschland als Bestimmungsstaat für ein nationales Patent in Anspruch genommen wird, „wegen Inanspruchnahme der inneren Priorität gemäß § 40 Abs. 5 PatG in Verbindung mit Artikel III § 4 Abs. 3 IntPatÜG als zurückgenommen gelte“, stellt ihrem Inhalt nach keine endgültige Entschließung über den Eintritt der Rücknahmefiktion der prioritätsbegründenden Anmeldung dar, sondern sie enthält lediglich einen Hinweis auf die Rechtslage. Da eine solche Mitteilung mit reiner Hinweisfunktion keinen Entscheidungscharakter beinhaltet, kann sie nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Wenn der Anmelder an einer Entscheidung über die Frage interessiert ist, ob die Voraussetzungen für den Eintritt der Rücknahmefiktion gemäß Art. III § 4 Abs. 3 IntPatÜG vorgelegen haben, muss er zunächst das Patentamt zum Erlass eines beschwerdefähigen Beschlusses veranlassen.6)
§ 40 Abs. 5 Satz 1 PatG (wonach eine Patentanmeldung, deren Priorität für eine spätere Anmeldung in Anspruch genommen wird, als zurückgenommen gilt) ist auf Fälle, in denen für eine spätere Patentanmeldung nicht die Priorität einer früheren Patentanmeldung, sondern die Priorität einer aus dieser Anmeldung abgezweigten Gebrauchsmusteranmeldung in Anspruch genommen wird, nicht analog anwendbar.7)
Eine Erklärung, mit der ausdrücklich die Priorität aus einem abgezweigten Gebrauchsmuster in Anspruch genommen wird, kann im Fall ihrer Unwirksamkeit nicht gegen den Willen des Anmelders in die Inanspruchnahme der Priorität der früheren Patentanmeldung, aus der die Abzweigung vorgenommen wurde, umgedeutet werden.8)
Dem Eintritt der Rücknahmefiktion nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GebrMG i.V.m. § 40 Abs. 5 Satz 1 PatG steht nicht im Wege, dass die Inanspruchnahme der Priorität in der Nachanmeldung möglicherweise gegen das sogenannte Verbot der Kettenpriorität verstößt.9)
Im Zusammenhang mit der Rücknahmefiktion nach § 40 Abs. 5 Satz 1 PatG liegt es neben der Sache, das in § 6 Abs. 1 Satz 1 GebrMG geregelt Verbot der Kettenpriorität ins Spiel zu bringen. Dieses Verbot ist Ausfluss u. a. von Art. 4 B Satz 2, Art. 4 C Abs. 4 der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ), wonach nur die 1. Anmeldung derselben Erfindung ein Prioritätsrecht begründet.10) Die rechtliche Konsequenz einer Kettenpriorität im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 GebrMG beschränkt sich demnach darauf, dass eine 3. Anmeldung derselben Erfindung als Zeitrang lediglich den des eigenen Anmeldetages erhält. Wegen seines rein materiell-rechtlichen Charakters11) ist der Verstoß gegen das Verbot ungeeignet, bei einer Voranmeldung den Eintritt einer Rücknahmefiktion im Sinne von § 40 Abs. 5 Satz 1 PatG zu verhindern.12)
Die gegenteilige Ansicht würde zu einer inakzeptablen Rechtsunsicherheit führen. Die Feststellung einer Kettenpriorität z. B. in einem späteren Patentprüfungs- bzw. Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren hätte nämlich dann gegebenenfalls zur Folge, dass die entsprechende Voranmeldung mangels Rücknahmefiktion nachträglich wieder - sofern noch nicht anderweitig erledigt - weiterzuführen wäre.13)
§ 40 PatG → Prioritätsrecht
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