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→ Verkehrsdurchsetzung einer Farbmarke
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer farbigen Warenaufmachung ist zu berücksichtigen, dass das angesprochene Publikum nicht daran gewöhnt ist, allein aus der Farbe von Waren oder ihrer Verpackung auf die Herkunft der Waren zu schließen, da eine Farbe im Handel grundsätzlich nicht als Mittel der Identifizierung verwendet wird. Nur im Ausnahmefall unter außergewöhnlichen Umständen besteht die Möglichkeit der Bejahung der Unterscheidungskraft einer Farbmarke, nämlich auf spezifischen, eng begrenzten Bereichen von Waren oder Dienstleistungen; nur auf einem spezifischen Markt kann eine Gewöhnung des Verkehrs an Farben als Kennzeichnungsmittel erfolgen.1)
In diesem Zusammenhang stellt das Kriterium des Allgemeininteresses ein Korrektiv gegenüber einer rational oft schwer fassbaren Einschätzung der Verkehrsauffassung dar.2) Als objektiv nachvollziehbare Entscheidungshilfe bietet sich (jedenfalls in Zweifels- oder Grenzfällen) die Kontrollfrage an, ob und inwieweit eine Monopolisierung der angemeldeten Marke mit dem maßgeblichen Allgemeininteresse in Einklang zu bringen ist, das den entscheidenden Auslegungsmaßstab des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG darstellt.3) Beispielsweise kann Wortfolgen mit einer für sich genommen eher einfachen Aussage die Unterscheidungskraft nicht stets abgesprochen werden4), sondern nur dann, wenn sich feststellen lässt, dass die Aussage in ihrer konkreten Form vom Verkehr zur freien Verwendung benötigt wird5).6)
Die Grundsätze zur Unterscheidungskraft finden auch bei abstrakten Farbmarken Anwendung, bei denen kein strengerer Maßstab anzulegen ist als bei anderen Markenformen.7)
Für Farbzusammenstellungen gelten diese Bewertungsmaßstäbe entsprechend.8)
Allerdings ist bei bestimmten Markenkategorien zu beachten, dass sie vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen werden wie eine herkömmliche Wort- oder Bildmarke, die ein gesondertes Zeichen darstellt und vom Erscheinungsbild der gekennzeichneten Ware unabhängig ist. Häufig schließen Verbraucher aus der Form der Ware oder ihrer Verpackung oder aus der Farbe eines Produkts nicht auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Unternehmen.9)
Zudem ist bei abstrakten Farbmarken auch im Rahmen der Prüfung des Schutzhindernisses mangelnder Unterscheidungskraft das Allgemeininteresse an der freien Verfügbarkeit [→ Freihaltebedürfnis] der Farben für die anderen Wirtschaftsteilnehmer zu berücksichtigen.10)
Dementsprechend ist bei abstrakten Farbmarken auch unter Zugrundelegung des beschriebenen großzügigen Prüfungsmaßstabs davon auszugehen, dass solchen Marken im Allgemeinen die erforderliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.11)
Ob besondere Umstände vorliegen, die gleichwohl die Annahme rechtfertigen, die konturlose Farbmarke sei unterscheidungskräftig, ist anhand einer umfassenden Prüfung sämtlicher relevanten Umstände vorzunehmen.12)
Diese Beurteilung erfordert eine umfassende Prüfung des Verkehrsverständnisses bei der Wahrnehmung der Farbe auf dem in Rede stehenden Waren- oder Dienstleistungssektor und des Interesses der Allgemeinheit an der freien Verfügbarkeit der beanspruchten Farbe.13)
Das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft kann im Wege der Verkehrsdurchsetzung [→ Verkehrsdurchsetzung einer Farbmarke] im Sinne von § 8 Abs. 3 MarkenG [→ Verkehrsdurchsetzung] überwunden werden.14)
Besondere Umstände, bei deren Vorliegen eine abstrakte Farbmarke über Unterscheidungskraft verfügen kann, können insbesondere dann gegeben sein, wenn die Zahl der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet ist, sehr gering und der maßgebliche Markt sehr spezifisch ist.15); m.V.a. EuGH GRUR 2003, 604 Tz. 71 - Libertel; GRUR Int. 2005, 227 Tz. 79 - Farbe Orange))
Ist eine Gewöhnung des Verkehrs an Farben als Kennzeichnungsmittel eingetreten, wirkt die konkret beanspruchte Farbe regelmäßig herkunftshinweisend.16)
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer abstrakten Farbmarke ist zu berücksichtigen, dass das angesprochene Publikum nicht daran gewöhnt ist, allein aus der Farbe von Waren oder ihrer Verpackung auf die Herkunft der Waren zu schließen, da eine abstrakte Farbe im Verkehr grundsätzlich nicht als Mittel der Identifizierung verwendet wird. Nur unter außergewöhnlichen Umständen kann ihr daher Unterscheidungskraft zukommen, etwa wenn die Zahl der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen sehr beschränkt und der maßgebliche Markt sehr spezifisch ist.17)
Außergewöhnliche Umstände im Sinne des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Unterscheidungskraft abstrakter Farbmarken18) können nur dann angenommen werden, wenn die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen Teil eines in sich abgeschlossenen, von den Kennzeichnungsgewohnheiten anderer Branchen unabhängigen und somit spezifischen Marktsegments im wirtschaftlichen Sinne sind.19)
Von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, kommt Farben nicht von vornherein Unterscheidungskraft zu, doch können sie diese in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet werden, eventuell infolge einer Benutzung erwerben [→ Verkehrsdurchsetzung einer Farbmarke].20)
Eine abstrakt bestimmte Farbzusammenstellung eignet sich als Herkunftshinweis, wenn Farben als Unterscheidungsmittel auf dem einschlägigen Warensektor üblicherweise verwendet werden, ihre dekorative Wirkung in den Hintergrund tritt und mit ihnen keine Sachaussage verbunden ist.21)
Es kommt nicht darauf an, dass der Verkehr - etwa durch entsprechende Werbemaßnahmen - gerade auf die Herkunftsfunktion einer neben an-deren Kennzeichen auf einer Ware verwendeten Farbe besonders hingewiesen wird, wenn sich aus den Umständen ein entsprechender normaler Prozess der Gewöhnung feststellen lässt.22)
Die Funktion des beanspruchten Zeichens darf sich nicht darin erschöpfen, dass mit ihm ein Sortimentseffekt erzielt werden soll. Gegen die Annahme eines jederzeit änderbaren Vermarktungskonzepts spricht gewöhnlich der Umstand, dass die Anmelderin über mehrere Jahrezehnte dieselbe Farbkombination einsetzt.23)
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Senats muss ein Zeichen für eine markenmäßige Verwendung nicht notwendig in Alleinstellung benutzt werden. Eine Marke kann vielmehr infolge ihrer Benutzung als Teil einer komplexen Kennzeichnung oder in Verbindung mit anderen Marken Unterscheidungskraft erlangen.24)
Eine markenmäßige Verwendung kann allerdings ausscheiden, wenn die Farbe durch herkömmliche Herkunftshinweise in den Hintergrund gedrängt wird.25)
Auffassung des EUGH:
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer bestimmten Farbe als Marke ist das Allgemeininteresse zu berücksichtigen, das daran besteht, dass die Verfügbarkeit der Farben für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt wird (EuGH, Urteil vom 6. 5. 2003 - Rs. C-104/01 - Libertel).
Völlig anderer Auffassung ist der BGH:
Das Interesse an einer generellen Freihaltung von Farben darf demgemäß - ungeachtet seiner Berücksichtigung bei der Prüfung des Eintragungshindernisses des § 8 II Nr. 2 MarkenG sowie bei der Bestimmung des Schutzumfangs einer eingetragenen Marke - im Rahmen der Prüfung der konkreten Unterscheidungskraft nach § 8 II Nr. 1 MarkenG keine Rolle spielen, weil dieses Kriterium bei der Beurteilung dieser Eintragungsvoraussetzung systemfremd ist (BGH, Beschluß vom 1. 3. 2001 - I ZB 57/98 - „Violett“).
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