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Dr. Martin Meggle-Freund

markenrecht:verkehrsdurchsetzung_einer_farbmarke

finanzcheck24.de

Verkehrsdurchsetzung einer Farbmarke

Markenmäßige Benutzung
Verkehrsdurchsetzung
Demoskopische Gutachten

Verkehrsgeltung im Sinne von § 4 Nr. 2 MarkenG setzt voraus, dass ein jedenfalls nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in dem Zeichen einen Hinweis auf die Herkunft der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sieht.1)

Das notwendige Maß an Verkehrsgeltung eines Zeichens kann nicht in der Weise festgelegt werden, dass einem prozentmäßig bestimmten Anteil der angesprochenen Verkehrskreise bekannt sein müsse, dass das Zeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinweist. Zu berücksichtigen sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.2)

Bei Farbzeichen gehört dazu insbesondere der Umstand, dass die Allgemeinheit angesichts der geringen Zahl der tatsächlich verfügbaren Farben ein Interesse daran hat, dass der Bestand an verfügbaren Farben nicht mit wenigen Markenrechten erschöpft wird. Für die Anerkennung einer Benutzungsmarke an einem Zeichen, das in einer Farbe ohne räumliche Begrenzung besteht, ist deshalb grundsätzlich ein höherer Grad an Verkehrsgeltung zu fordern als bei normal kennzeichnungskräftigen Zeichen, bei denen kein besonderes Freihalteinteresse gegeben ist.3)

Eine Verkehrsdurchsetzung als Herkunftshinweis setzt grundsätzlich eine Verwendung der Kennzeichnung als Marke, also eine markenmäßige und damit nicht lediglich eine beschreibende Verwendung voraus [→ Markenmäßige Benutzung]. Die Tatsache, dass die Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen herrührend erkannt wird, muss auf der Benutzung des Zeichens als Marke beruhen. Die Benutzung muss dazu dienen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend identifizieren.4)

Bei der Verwendung einer Farbe in der Werbung oder auf der Ware oder deren Verpackung kann davon nur ausnahmsweise ausgegangen werden. Die angesprochenen Verkehrskreise sind es in vielen Produktbereichen und Dienst-leistungssektoren nicht gewohnt, der Verwendung einer Farbe in der Werbung oder auf einer Warenverpackung ohne Hinzutreten von graphischen Elementen oder Wortelementen einen Herkunftshinweis zu entnehmen, weil eine Farbe als solche in der Regel nicht zur Kennzeichnung der Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen, sondern nur als Gestaltungsmittel verwendet wird.5)

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt aber in Betracht, wenn der Verkehr aufgrund von Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Warengebiet oder Dienstleistungssektor an die Verwendung von Farben als Kennzeichnungsmittel gewöhnt ist.6), oder wenn die Farbe im Rahmen aller sonsti-gen Elemente in einer Weise hervortritt, dass die angesprochenen Verkehrskreise sie als Produktkennzeichen verstehen7).8)

Wird eine abstrakte Farbe [→ Farbmarken] in Verbindung mit den beanspruchten Waren über einen längeren Zeitraum in der Weise verwendet, dass zwischen Farbe und Ware einerseits und Farbe und Hersteller andererseits ein wechselseitiger Bezug hergestellt wird, ist davon auszugehen, dass der angesprochene Verkehr sich daran gewöhnt hat, die Farbe nicht als reine Warenfarbe, sondern als betrieblichen Herkunftshinweis wahrzunehmen.9)

Die Eintragung einer Marke im Wege der Verkehrsdurchsetzung setzt voraus, dass das Zeichen infolge seiner kennzeichenmäßigen Verwendung für die fraglichen Waren und Dienstleistungen von einem wesentlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkannt wird [Maßgebliche Kriterien hierfür: → Verkehrsdurchsetzung].

Wird zwischen Ware und Hersteller, Hersteller und Farbe und Farbe und Ware ein wechselseitiger Bezug hergestellt, der dazu führt, dass der angesprochene Verkehr die Farbe nicht als reine Warenfarbe, sondern als selbständiges Kennzeichen eines bestimmten Herstellers wahrnimmt, so wird ein Identifikationszusammenhang zwischen den einzelnen Kriterien hergestellt. Wird die Ware in Verbindung mit der Farbe gesehen, kann ein Zusammenhang zum Hersteller als betrieblichem Herkunftshinweis hergestellt werden.10)

Der Erwerb von Unterscheidungskraft aufgrund von Verkehrsdurchsetzung erfordert nicht notwendigerweise eine eigenständige Benutzung des beanspruchten Zeichens.11). Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen das Zeichen typischerweise in der beanspruchten Branche in Kombination mit dem Firmenkennzeichen oder anderen Marken (Firmenlogos) verwendet wird. Nachgewiesen werden muss in diesem Fall, dass die maßgeblichen Verkehrskreise den fraglichen Bestandteil bei separater Benutzung als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen.12).

Ob der Verbraucher in einer konturlosen Farbmarke einen betrieblichen Herkunftshinweis sieht, kann durch demoskopische Untersuchungen nur festgestellt werden, wenn Gegenstand der Befragung ein Muster der Farbe und nicht die konkrete Form der Verwendung zusammen mit weiteren Zeichen ist.13)

Für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung einer abstrakten Farbmarke im Sinne von § 8 Abs. 3 MarkenG ist kein deutlich über 50% liegender Durchsetzungsgrad erforderlich.14)

Die Beibringung eines demoskopischen Gutachtens ist dabei nicht zwingend, wenn die sonstigen Belege ausreichend sind.15)

Bei der Prüfung der Verkehrsdurchsetzung einer abstrakten Farbmarke (§ 8 Abs. 3 MarkenG) ist zu berücksichtigen, dass aus der Bekanntheit in dieser Farbe gestalteter Produkte nicht notwendig folgt, dass die Produktaufmachung in gleichem Umfang als Herkunftshinweis aufgefasst wird. Ergibt jedoch eine Verkehrsbefragung einen Durchsetzungsgrad von mehr als 50%, so kann - ebenso wie im Falle einer dreidimensionalen Marke - auf eine markenmäßige Verwendung der konturlosen Farbe durch den Markeninhaber geschlossen werden.16)

Für den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung einer Marke, deren Eintragung für einen Oberbegriff von Waren und Dienstleistungen begehrt wird, der eine Vielzahl nach Anwendungszweck und Zielgruppe verschiedenartiger Produktbereiche umfasst, ist erforderlich, dass sich ein hinreichender Durchsetzungsgrad für die einzelnen Waren- und Dienstleistungsuntergruppen ergibt, die der Oberbegriff umfasst.17)

Es stellt einen methodischen Mangel eines demoskopischen Gutachtens über die Verkehrsdurchsetzung einer abstrakten einfarbigen Farbmarke dar, wenn den Befragten eine Farbkarte vorgelegt wird, auf der die Farbfläche in einer anderen Farbe umrandet ist, und nicht ausgeschlossen werden kann, dass durch die Farbkombination das Ergebnis des Gutachtens beeinflusst worden ist.18)

Der Erwerb von Verkehrsgeltung eines Farbzeichens als Marke setzt nur voraus, dass das Zeichen als Hinweis auf die Herkunft eines Produkts dient [→ Produktmarke] und nicht - darüber hinaus - als „Hausfarbe“ für sämtliche oder zahlreiche Produkte des Unternehmens und damit produktlinienübergreifend verwendet wird.19)

Beispiele

Die Schutzfähigkeit als durchgesetzt gem. § 8 Abs. 3 MarkenG wurde anerkannt für:

  • Die Farbmarke Sonnengelb HKS 3 ist aufgrund Verkehrsdurchsetzung für Steuerfachzeitschriften ohne demoskopische Umfrage schutzfähig.20)
  • BPatG GRUR 2008, 428 - Farbmarke Rot
  • Farbmarke gelb für für „Briefdienst-, Frachtdienst-, Kurierdienstleistungen“.21)
  • Farbmarke viollett für für für „Heimtierfutter für Katzen“.22)
  • Ein nachgewiesener Durchsetzungsgrad von mindestens 50 % reicht auf einem sehr engen Warengebiet (hier Tapetenkleister) aus, um eine Verkehrsdurchsetzung einer abstrakten Farbmarke (hier: Farbe Lila Pantone 258) zu bejahen, wenn weitere maßgebliche Gesichtspunkte hinzukommen, insbesondere eine überragende Stellung im Markt mit einem Marktanteil zwischen 59 und 71 % über einen Zeitraum von 10 Jahren.23)

siehe auch

§ 8 (3) MarkenG → Verkehrsdurchsetzung
Farbmarken

1)
BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - I ZR 139/20 - Goldhase III; m.V.a. BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - I ZR 190/05, GRUR 2008, 917 Rn. 38 = WRP 2008, 1319 - EROS, mwN
2)
BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - I ZR 139/20 - Goldhase III; m.V.a. BGH, Urteil vom 4. September 2003 - I ZR 23/01, BGHZ 156, 126, 134 f. [juris Rn. 31] - Farbmarkenverletzung I, mwN; zur Verkehrsdurchsetzung vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-217/13, C-218/13, GRUR 2014, 776 Rn. 70 = WRP 2014, 940 - Oberbank u.a. [Farbmarke Rot]; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2014 - I ZB 61/13, GRUR 2015, 581 Rn. 42 f. = WRP 2015, 726 - Langenscheidt-Gelb
3)
BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - I ZR 139/20 - Goldhase III; m.V.a BGHZ 156, 126, 135 [juris Rn. 32] - Farbmarkenverletzung I; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 4 Rn. 50; zur Verkehrsdurchsetzung vgl. BGH, Urteil vom 28. August 2003 - I ZR 257/00, BGHZ 156, 112, 125 [juris Rn. 42] - Kinder I
4)
vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juni 2002 C-299/99, Slg. 2002, I-5475 = GRUR 2002, 804 Rn. 64 - Philips/Remington; Urteil vom 19. Juni 2014 - C-217/13 und C-218/13, GRUR 2014, 776 Rn. 40 = WRP 2014, 940 Deutscher Sparkassen- und Giroverband/Banco Santander [Sparkassen-Rot]; BGH, Beschluss vom 21. Februar 2008 I ZB 24/05, GRUR 2008, 710 Rn. 23 = WRP 2008, 1087 VISAGE; Beschluss vom 23. Oktober 2008 - I ZB 48/07, GRUR 2009, 669 Tz. 18 = WRP 2009, 815 - POST II
5)
BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2014 - I ZB 61/13 - Langenscheidt-Gelb; m.V.a. vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 Rn. 65 - Libertel; BGH, Urteil vom 4. September 2003 - I ZR 23/01, BGHZ 156, 126, 137 - Farbmarkenverletzung I; Urteil vom 4. Sep-tember 2003 - I ZR 44/01, GRUR 2004, 154 = WRP 2004, 232 - Farbmarken-verletzung II; Urteil vom 7. Oktober 2004 - I ZR 91/02, GRUR 2005, 427, 428 = WRP 2005, 616 - Lila-Schokolade; Urteil vom 22. September 2005 - I ZR 188/02, BGHZ 164, 139, 145 - Dentale Abformmasse; BGH, GRUR 2010, 637 Rn. 15 f. Farbe gelb
6)
BGH, GRUR 2010, 637 Rn. 28 - Farbe gelb
7)
vgl. BGH, GRUR 2005, 427, 428 - Lila-Schokolade; BGH, Urteil vom 18. September 2014 I ZR 228/12, GRUR 2014, 1101 Rn. 23 = WRP 2014, 1314 Gelbe Wörterbücher
8) , 13) , 14)
BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2014 - I ZB 61/13 - Langenscheidt-Gelb
9)
BPatG, Entsch. v. 5. Dezember 2007 - 29 W (pat) 57/07 - Farbmarke Rot
10)
vgl. BPatG, Entscheidung vom 13.08.2008 - 29 W (pat) 61/07 - Farbmarke Sonnengelb; m.V.a. BGH GRUR 2007, 780, Rn. 28 - Pralinenform; GRUR 2007, 235, Rn. 24 - Goldhase; GRUR 2003, 712, 7114 - Goldbarren; BPatG GRUR 2008, 428 - Farbmarke Rot
11)
BPatG, Entscheidung vom 13.08.2008 - 29 W (pat) 61/07 - Farbmarke Sonnengelb; m.V.a. EuGH GRUR 2005, 763, Rn. 26 - Nestlé/Mars
12)
BPatG, Entscheidung vom 13.08.2008 - 29 W (pat) 61/07 - Farbmarke Sonnengelb;; m.V.a. BGH GRUR 2008, 710 ff. - Rn. 38 - VISAGE
15) , 20)
BPatG, Entscheidung vom 13.08.2008 - 29 W (pat) 61/07 - Farbmarke Sonnengelb
16)
BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - I ZB 65/13 - Nivea-Blau; Fortführung von BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 - I ZB 88/07, GRUR 2010, 138 Rn. 34 = WRP 2010, 260 - ROCHER-Kugel
17) , 18)
BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - I ZB 65/13 - Nivea-Blau
19)
BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - I ZR 139/20 - Goldhase III
21)
BPatG, Beschl. v. 11.6.2003, 26 W (pat) 7/00 - gelb
22)
BPatG, Beschl. v. 17.12.2003, 28 W (pat) 232/03 - viollett
23)
BPatG, Entsch. v. 9. Dezember 2008 - 33 W (pat) 57/07 - Farbe Lila
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