Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


Seitenleiste

Anzeigen:

www.stilbetten.de



Ein Projekt von:
Dr. Martin Meggle-Freund

markenrecht:gm:sanktionen

finanzcheck24.de

Sanktionen

Artikel 130 UMV

Sanktionen

(1) Stellt ein Unionsmarkengericht fest, dass der Beklagte eine Unionsmarke verletzt hat oder zu verletzen droht [Art. 9 UMV → Wirkungen der Unionsmarke], so verbietet es dem Beklagten, die Handlungen, die die Unionsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, fortzusetzen, sofern einer solchen Anordnung nicht besondere Gründe entgegenstehen. Es trifft ferner nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass dieses Verbot befolgt wird.

(2) Das Unionsmarkengericht kann zudem vom anwendbaren Recht vorgesehene Maßnahmen ergreifen oder Anordnungen treffen, die ihm im jeweiligen Einzelfall zweckmäßig erscheinen.

Artikel 102 (1) GMV

Stellt ein Gemeinschaftsmarkengericht fest, dass der Beklagte eine Gemeinschaftsmarke verletzt hat oder zu verletzen droht, so verbietet es dem Beklagten, die Handlungen, die die Gemeinschaftsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, fortzusetzen, sofern dem nicht besondere Gründe entgegenstehen. Es trifft ferner nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass dieses Verbot befolgt wird.

Art. 102 Abs. 1 Satz 1 GMV und Art. 130 Abs. 1 Satz 1 UMV regeln gleichermaßen, dass ein Unionsmarkengericht, das die Verletzung einer Unionsmarke feststellt, dem Beklagten die Fortsetzung der Verletzungshandlung verbietet, sofern dem nicht besondere Gründe entgegenstehen.1)

Nach Art. 130 Abs. 1 Satz 1 UMV, der - in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 UMV - den Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung einer Unionsmarke autonom regelt2), verbietet ein Unionsmarkengericht, das feststellt, dass der Beklagte eine Unionsmarke verletzt hat oder zu verletzen droht, diesem, die Handlungen, die die Unionsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, fortzusetzen, sofern einer solchen Anordnung nicht besondere Gründe entgegenstehen.3)

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu der insoweit wortgleichen Vorschrift des Art. 98 Abs. 1 Satz 1 GMV ist der Begriff der „besonderen Gründe“ eng auszulegen; grundsätzlich muss das Gemeinschaftsmarkengericht die Fortsetzung der Handlungen, die die Gemeinschaftsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, verbieten.4)

Der Begriff der „besonderen Gründe“ bezieht sich dabei auf im Einzelfall gegebene Umstände tatsächlicher Art.5)

Diese Rechtsprechung ist auf Art. 130 Abs. 1 Satz 1 UMV zu übertragen.6)

Der Umstand allein, dass keine offensichtliche oder nur eine wie auch immer begrenzte Gefahr der Fortsetzung der Handlungen, die eine Unionsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, besteht, stellt keinen besonderen Grund für ein Unionsmarkengericht dar, dem Beklagten die Fortsetzung dieser Handlungen nicht zu verbieten.7)

Wäre das Bestehen einer offensichtlichen oder nicht nur begrenzten Gefahr der Wiederholung der Handlungen, die eine Unionsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, Voraussetzung für den Erlass eines Verbots der Fortsetzung solcher Handlungen, dann obläge wahrscheinlich dem Kläger der Beweis für diese Gefahr. Ein solcher Beweis in Bezug auf mögliche zukünftige Handlungen des Beklagten wäre für den Kläger schwer zu erbringen, und es bestünde die Gefahr, dem ausschließlichen Recht, das ihm seine Unionsmarke verleiht, die Wirkung zu nehmen.8)

Mit dieser Auslegung von Art. 130 Abs. 1 Satz 1 UMV stimmen die vom nationalen Recht für einen auf die (drohende) Verletzung eines Kennzeichenrechts gestützten Unterlassungsanspruch geforderte Begehungsgefahr in Form einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr, die durch eine Kennzeichenverletzung begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr und die strengen Anforderungen an den Wegfall dieser Wiederholungsgefahr überein.9)

Die durch eine Kennzeichenverletzung begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr entspricht dem nach Art. 130 Abs. 1 Satz 1 UMV grundsätzlich auszusprechenden Verbot nach der Verletzung einer Unionsmarke. Diese (widerlegbare) Vermutung verhindert zudem, dass der Markeninhaber den Beweis für die Gefahr der Wiederholung der Handlungen, die eine Unionsmarke verletzen, erbringen muss.10)

Es ist vielmehr Aufgabe des Verletzers, die für die Wiederholungsgefahr bestehende tatsächliche Vermutung zu widerlegen.11)

Soweit nach den Anforderungen der deutschen Rechtsprechung die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur durch ein rechtskräftiges, mit einer Ordnungsmittelandrohung verbundenes Unterlassungsurteil oder eine ernst gemeinte, den Anspruchsgegenstand uneingeschränkt abdeckende, eindeutige und unwiderrufliche Unterlassungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für den Fall zukünftiger Zuwiderhandlung entfallen kann12), entsprechen diese strengen Voraussetzungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den „besonderen Gründen“ im Sinne von Art. 98 Abs. 1 Satz 1 GMV (jetzt Art. 130 Abs. 1 Satz 1 UMV).13)

Die für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderliche strafbewehrte Unterlassungserklärung führt nicht lediglich dazu, dass keine offensichtliche oder nur eine wie auch immer begrenzte Gefahr der Fortsetzung der Handlungen, die eine Unionsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, besteht (vgl. EuGH, GRUR 2007, 228 [juris Rn. 36] - Nokia). Sie stellt vielmehr einen im Einzelfall gegebenen Umstand tatsächlicher Art dar (vgl. EuGH, GRUR 2007, 228 [juris Rn. 38] - Nokia), der vergleichbar effektiv wie eine gerichtliche Durchsetzung nach Art. 130 Abs. 1 Satz 2 UMV ist, weil bei einer Wiederholung der verletzenden Handlung regelmäßig eine empfindliche Vertragsstrafe droht.14)

Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung kann danach einen besonderen Grund im Sinne von Art. 130 Abs. 1 Satz 1 UMV darstellen, der wegen des Wegfalls der Wiederholungsgefahr einer Unterlassungsanordnung entgegensteht. Der Umstand, dass die Beklagten erneut eine Unterlassungserklärung nach „Hamburger Brauch“ abgegeben haben, hindert den Wegfall der Wiederholungsgefahr zwar nicht.15).

Artikel 102 (2) GMV

In Bezug auf alle anderen Fragen wendet das Gemeichaftsmarkengericht das Recht des Mitgliedstaats, einschließlich dessen internationalen Privatrechts, an, in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen.

Stellt ein Gemeinschaftsmarkengericht fest, dass der Beklagte eine Gemeinschaftsmarke verletzt hat oder zu verletzen droht [Artikel 9 (1) a) GMV → Identitätsschutz], so verbietet es gemäß Art. 102 Abs. 1 Satz 1 GMV dem Beklagten, die Handlungen, die die Gemeinschaftsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, fortzusetzen, sofern dem nicht besondere Gründe entgegenstanden.16)

Im Unterschied zum autonom geregelten Unterlassungsanspruch enthält die Gemeinschaftsmarkenverordnung keine Regelungen zu den Ansprüchen auf Auskunft und Schadensersatz (im Weiteren: Folgeansprüche), die sich aus Verletzungshandlungen ergeben. Art. 98 Abs. 2 GMV verweist insoweit auf das Recht des Mitgliedstaates, in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen, einschließlich dessen Internationalen Privatrechts.17)

siehe auch

1)
BGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 - I ZR 173/16 - ÖKO-TEST I
2)
zu Art. 98 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung [EG] Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke [GMV] vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 [juris Rn. 35] - Internet-Versteigerung II; Urteil vom 13. September 2007 - I ZR 33/05, GRUR 2008, 254 [juris Rn. 41] = WRP 2008, 235 - THE HOME STORE; zu Art. 102 Abs. 1 der Verordnung [EG] Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - I ZR 106/11, GRUR 2013, 925 [juris Rn. 29] = WRP 2013, 1198 - VOODOO; Hildebrandt in Hildebrandt/Sosnitza, UMV, Art. 130 Rn. 2
3) , 6) , 13)
BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 - I ZR 144/21 - Wegfall der Wiederholungsgefahr III
4)
BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 - I ZR 144/21 - Wegfall der Wiederholungsgefahr III; m.V.a. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - C-316/05, Slg. 2006, I-12083 = GRUR 2007, 228 [juris Rn. 30] - Nokia
5)
BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 - I ZR 144/21 - Wegfall der Wiederholungsgefahr III; m.V.a. EuGH, GRUR 2007, 228 [juris Rn. 38] - Nokia; zu Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung [EG] Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster [GGV] vgl. EuGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - C-479/12, GRUR 2014, 368 [juris Rn. 48] = WRP 2014, 821 - H. Gautzsch Großhandel
7)
BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 - I ZR 144/21 - Wegfall der Wiederholungsgefahr III; m.V.a. EuGH, GRUR 2007, 228 [juris Rn. 36] - Nokia
8) , 10)
BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 - I ZR 144/21 - Wegfall der Wiederholungsgefahr III; m.V.a. EuGH, GRUR 2007, 228 [juris Rn. 32] - Nokia
9)
BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 - I ZR 144/21 - Wegfall der Wiederholungsgefahr III; m.V.a. Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 125b Rn. 12; Franke/Gauss in Götting/Meyer/Vormbrock, Gewerblicher Rechtsschutz, 2. Aufl., § 30 Rn. 18; zu Art. 89 Abs. 1 GGV vgl. Tolkmitt in Ruhl/Tolkmitt, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 3. Aufl., Art. 89 VO 6/2002 Rn. 31 und 38; BeckOK.Designrecht/Alt, 13. Edition [Stand 15. August 2022], Art. 89 VO [EG] 6/2002 Rn. 12; Hasselblatt/Späth, Community Design Regulation, 2. Aufl., Art. 89 VO [EG] 6/2002 Rn. 15; zur Erstbegehungsgefahr vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2020 - I ZR 136/19, juris; zur Wiederholungsgefahr vgl. Hasselblatt/Menebröcker, European Union Trade Mark Regulation, 2. Aufl., Art. 130 UMV Rn. 8; Ahrens/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 9. Aufl., Kap. 13 Rn. 10; aA Knaak in Bastian/Knaak/Schricker, Gemeinschaftsmarke und Recht der EU-Mitgliedsstaaten, 2006, S. 244; BeckOK.Markenrecht/Grüger, 31. Edition [Stand 1. Oktober 2022], Art. 129 UMV Rn. 49; Hildebrandt in Hildebrandt/Sosnitza, UMV, Art. 130 Rn. 14; Kampmann/Eberhardt in Eisenführ/Schennen, UMV, 6. Aufl., Art. 130 Rn. 7
11)
BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 - I ZR 144/21 - Wegfall der Wiederholungsgefahr III; m.V.a. BeckOK.Markenrecht/Eckhartt, 31. Edition [Stand 1. Oktober 2022],§ 14 MarkenG Rn. 572
12)
BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 - I ZR 144/21 - Wegfall der Wiederholungsgefahr III; m.V.a. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., Vor §§ 14 bis 19d Rn. 86; Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 534; zum Wettbewerbsrecht vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2008 - I ZR 142/05, GRUR 2008, 815 [juris Rn. 14] = WRP 2008, 1180 - Buchführungsbüro; Urteil vom 13. September 2018 - I ZR 117/15, GRUR 2018, 1258 [juris Rn. 53] = WRP 2018, 146 - YouTube-Werbekanal II, mwN
14)
BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 - I ZR 144/21 - Wegfall der Wiederholungsgefahr III; m.V.a. Tolkmitt in Ruhl/Tolkmitt, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 3. Aufl., Art. 89 VO 6/2002 Rn. 38
15)
BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 - I ZR 144/21 - Wegfall der Wiederholungsgefahr III; dazu C II 2 b
16)
BGH, Urteil vom 30. März 2017 - I ZR 263/15 - BretarisGenuair
17)
BGH, Urt. v. 13. September 2007 - I ZR 33/05 - THE HOME STORE
markenrecht/gm/sanktionen.txt · Zuletzt geändert: 2023/07/25 08:27 von 127.0.0.1