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markenrecht:fehlen_eines_ernsthaften_benutzungswillens

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Fehlen eines ernsthaften Benutzungswillens

§ 26 (1) MarkenG → Rechtserhaltende Benutzung
§ 8 (2) Nr. 10 MarkenG → Bösgläubige Markenanmeldung

Unbegründete Verwarnung aus einem Kennzeichenrecht

Vom Markeninhaber wird ein genereller Benutzungswille verlangt [§ 26 (1) MarkenG → Rechtserhaltende Benutzung], ohne den eine Anmeldung als bösgläubig angesehen werden kann.1)

Der Benutzungswille muss sich nicht auf eine Verwendung der Marke durch den Markeninhaber selbst beziehen. Dabei reicht die Absicht aus, die Marke einer Benutzung durch Dritte zuzuführen.2)

Das Fehlen eines ernsthaften Benutzungswillens des Anmelders kann die Annahme nahelegen, er wolle die Marke zu dem Zweck verwenden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, in rechtsmissbräuchlicher Weise mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen [→ Bösgläubige Markenanmeldung].3)

Von einer missbräuchlichen Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung ist auszugehen, wenn ein Markeninhaber (1) eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen anmeldet, (2) hinsichtlich der in Rede stehenden Marken keinen ernsthaften Benutzungswillen hat [→ Fehlen eines ernsthaften Benutzungswillens] - vor allem zur Benutzung in einem eigenen Geschäftsbetrieb oder für dritte Unternehmen aufgrund eines bestehenden oder potentiellen konkreten Beratungskonzepts - und (3) die Marken im Wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen.4)

Hinderungsabsicht

Die Anmeldung einer Marke ist grundsätzlich bösgläubig, wenn sie in der Absicht vorgenommen wird, die Marke nicht selbst zu benutzen, sondern (nur) andere an ihrer Benutzung zu hindern.5)

Keine Bindung an den Geschäftsbetrieb

Da eine Bindung der Marke an den Geschäftsbetrieb nicht (mehr) besteht (vgl. § 27 Abs. 1 und 2 MarkenG), genügt es für das Vorliegen eines Benutzungswillens des Anmelders, wenn er die Absicht hat, die Marke im geschäftlichen Verkehr zwar nicht selbst zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, sie aber der Benutzung durch einen Dritten - im Wege der Lizenzerteilung oder nach einer Übertragung - zuzuführen.6)

Markenagenturen

Ein genereller Benutzungswille kann auch bei Markenagenturen gegeben sein, die im Hinblick auf eine bestehende oder potentielle Geschäftsbeziehung zu ihren Kunden Marken anmelden, um sie diesen für deren spezielle Vermarktungsbedürfnisse zur Verfügung zu stellen.7)

Es ist auch hinsichtlich solcher Anmelder grundsätzlich von der Vermutung auszugehen, dass sie die Marke jedenfalls der Benutzung durch einen Dritten zuführen wollen.8)

Kommt wegen des Unternehmensgegenstands des Anmelders nur eine Benutzung der Marke durch Lizenzierung oder Veräußerung an Dritte in Betracht, kann bereits die Anmeldung als bösgläubig zu beurteilen sein, wenn nach den tatsächlichen Umständen des Falles der Schluss gerechtfertigt ist, der Anmelder werde in rechtsmissbräuchlicher Weise versuchen, Dritte zum Erwerb der Markenrechte zu veranlassen.9)

Die tatsächliche Vermutung, der Anmelder werde unter rechtsmissbräuchlichem Einsatz seiner aus der Marke folgenden Ausschließlichkeitsrechte zum Zwecke der Lizenzierung oder Veräußerung der Marke auf Dritte einwirken, kann insbesondere dann begründet sein, wenn Marken nicht im Hinblick auf eine Vielzahl in Betracht kommender, im Einzelnen noch unbestimmter und allenfalls nach abstrakten Merkmalen umschriebener potentieller Interessenten auf Vorrat angemeldet werden, sondern im Zeitpunkt der Anmeldung die Veräußerung an einzelne, bereits bestimmte Dritte naheliegt, deren Interesse an einem Erwerb der Markenrechte jedoch im Wesentlichen nur durch den Umstand begründet wird, dass sie infolge der Eintragung der Marke auf den Anmelder an der Verwendung der bislang ungeschützten Kennzeichnung gehindert werden können.10)

Nur denkbare künftige unlautere Handlungen, die für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden können, für die es jedoch im Zeitpunkt der Anmeldung noch keinen greifbaren Anhaltspunkt gibt und die auch nicht als zwangsläufige Folge des Erwerbs des Markenrechts angesehen werden können, reichen zur Widerlegung der Vermutung nicht aus, die Markeninhaberin habe im Zeitpunkt der Anmeldung die Absicht gehabt, die Marke in zulässiger Weise im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit als Markenagentur der Benutzung durch einen Dritten zuzuführen.11)

Andererseits setzt die Annahme, die Anmeldung sei bösgläubig erfolgt, aber auch nicht voraus, dass für den Zeitpunkt der Eintragung jede - auch noch so theoretische - Möglichkeit, die Marke in rechtlich unbedenklicher Weise zu benutzen, ausgeschlossen werden kann.12))

Es ist vielmehr für die Beurteilung maßgeblich darauf abzustellen, welche Benutzungshandlungen

  • aus der Sicht der im Zeitpunkt der Anmeldung gegebenen Umstände
  • nach der Lebenserfahrung naheliegen, wobei davon auszugehen ist, dass der Anmelder im Regelfall nur von einer für ihn wirtschaftlich sinnvollen Verwendung der Marke Gebrauch machen wird.13))

Markenanmeldung durch den Parallelimporteur

Von einer Bösgläubigkeit der Anmeldung kann nicht bereits dann ausgegangen werden, wenn ein Anmelder den Umstand, dass einzelne Arzneimittel im Ausland unter nur dort, nicht aber im Inland geschützten Marken vertrieben werden, für eigene Zwecke ausnutzt, indem er die Bezeichnung im Inland für sich als Marke anmeldet und mit ihr gekennzeichnete - aus dem Ausland parallelimportierte - Arzneimittel vertreibt.14)

Will der Anmelder die Marke dagegen nicht selbst für den Vertrieb von Arzneimitteln benutzen, sondern lässt er sie in der Erwartung, der Hersteller des Arzneimittels könne die Marke in Zukunft zur Vereinheitlichung der Kennzeichnung seines Arzneimittels benötigen, zu dem Zweck eintragen, sich die Markenrechte von diesem abkaufen zu lassen, handelt er den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel zuwider und damit bösgläubig i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG, Art. 3 Abs. 2 lit. d MarkenRL.15)

Vermutung des Benutzungswillens

Angesichts des nur schwer überprüfbaren subjektiven Tatbestands eines Benutzungswillens ist zwar von einer Vermutung dieses Willens bei der Anmeldung einer Marke auszugehen, diese Vermutung kann jedoch durch das Gesamtverhalten des Markeninhabers widerlegt werden. Als gegen einen generellen Benutzungswillen sprechende Indizien erachtet die Rechtsprechung ins-besondere die Anmeldung einer Vielzahl von Marken für völlig unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen, das Fehlen einer ernsthaften Planung für die eigene oder eine fremde Benutzung dieser Marken oder etwa die Hortung der Marken im Wesentlichen zu dem Zweck, Dritte bei der Verwendung gleicher oder ähnlicher Marken mit Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüchen zu überziehen.16)

Unter dem früheren Recht wurde dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 WZG („Wer sich … eines Warenzeichens bedienen will …“) das Erfordernis eines Benutzungswillens des Zeichenanmelders entnommen17). Da die Feststellung des Benutzungswillens als einer subjektiven Tatsache Schwierigkeiten begegnet, wurde sein Vorliegen vermutet. Diese Vermutung wurde jedoch als widerlegt angesehen, wenn hinreichend feststand, dass das Zeichen allein dazu diente, bestimmte (vermeintliche) Verletzungsformen leichter bekämpfen zu können 18).19)

Rechtliche Einordnung

Für das geltende Recht hat der Bundesgerichtshof an diesen Grundsätzen (mit hier nicht interessierenden Modifikationen im Hinblick auf die jetzt fehlende Akzessorietät der Marke) festgehalten20). Weiter klärungsbedürftig kann insoweit allenfalls die rechtliche Einordnung dieses Erfordernisses erscheinen. In der älteren Rechtsprechung ist neben dem Hinweis auf § 1 WZG, dessen Wortlaut für eine Einordnung als subjektives Merkmal der Zeichenfähigkeit sprechen könnte, ausgeführt worden, dass bei mangelndem Benutzungswillen das Rechtsschutzbedürfnis für die Anmeldung fehle21), was eher eine prozessuale Verankerung nahelegt. Die „Classe E“-Entscheidung des Bundesgerichtshofes spricht von einer allgemeinen Schutzvoraussetzung für das Entstehen des Markenrechts, geht also offenbar von einer materiellrechtlichen Qualität des Erfordernisses aus, das - ähnlich wie unter § 1 WZG - als subjektives Merkmal bei der Frage der Markenfähigkeit zu prüfen ist. Das erscheint nicht unproblematisch, weil die Markenrechts-Richtlinie bei der abschließenden Festlegung der Kriterien der Markenfähigkeit in Art. 2 keinen Hinweis auf einen solchen Benutzungswillen enthält. Insoweit könnte es sich eher anbieten, die Frage des Benutzungswillens nunmehr unter dem Gesichtspunkt der bösgläubigen Anmeldung zu prüfen22). Der Bundesgerichtshof hat zwar in der „Classe E“-Entscheidung den fehlenden Benutzungswillen allein nicht für ausreichend gehalten, um von einer Bösgläubigkeit auszugehen (vgl. a. a. O. S. 245). Andererseits wird in den Fällen, in denen die Vermutung für das Vorliegen des Benutzungswillens widerlegt ist, in aller Regel auch eines der Kriterien erfüllt sein, die nach herrschender Praxis und Lehre die Bösgläubigkeit begründen, z. B. dass die Marke allein dazu dient, zweckwidrig als Mittel des Wettbewerbskampfes eingesetzt zu werden23).24)

Rechtsprechung

In der bisherigen Rechtsprechung ist der erforderliche Benutzungswille nur in eindeutigen Fällen verneint worden. So ging es im Fall „Palmolive“25) um die Anmeldung einer Verpackungsgestaltung für Toiletteseifen, die auf einem umlaufenden Schmuckband statt des an dieser Stelle vorgesehenen Markennamens eine Reihe von Xen aufwies. Dass eine solche Verpackung nie benutzt werden sollte, war offensichtlich und von der Anmelderin auch eingeräumt worden. Im Fall „Oil of …“26) wurde der mangelnde Benutzungswille ausdrücklich nicht allein dem Umstand entnommen, dass lediglich ein Teil der benutzten Zeichenkombination „Oil of Olaz“ angemeldet war; vielmehr war aufgrund des sonstigen Prozessverhaltens der Anmelderin schon im Anmel-destadium klar zutage getreten, dass sie mit der Anmeldung allein den Zweck verfolgte, Anmeldungen anderer Zeichen, die mit den Worten „Oil of“ beginnen, leichter abzuwehren.27)

siehe auch

§ 8 (2) Nr. 10 MarkenG → Bösgläubige Markenanmeldung

1) , 2)
BPatG, Entsch. v. 17. Juni 2008 - 33 W (pat) 82/06
3) , 6) , 7) , 8)
BGH, Urteil v. 2. April 2009 - I ZB 9/06; m.V.a. BGH GRUR 2001, 242, 244 - Classe E
4)
BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 - I ZR 46/19 - Da Vinci; m.V.a. BGH, Urteil vom 23. November 2000 - I ZR 93/98, GRUR 2001, 242, 244 [juris Rn. 35] = WRP 2001, 160 - Classe E; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. September 2015 - I ZR 105/14, BGHZ 207, 71 Rn. 57 - Goldbären
5) , 9) , 10) , 11) , 12) , 13)
BGH, Urteil v. 2. April 2009 - I ZB 9/06
14)
BGH, Urteil v. 2. April 2009 - I ZB 9/06; vgl. BGHZ 173, 230 Tz. 21 ff. - CORDARONE
15)
BGH, Urteil v. 2. April 2009 - I ZB 9/06; m.V.a Sharpston, Tz. 51 ff., 60 m.w.N.
16)
BPatG, Entsch. v. 17. Juni 2008 - 33 W (pat) 82/06; m.w.N.
17)
BGH GRUR 1964, 454, 456 - Palmolive; GRUR 1973, 523, 524 - Fleischer-Fachgeschäft; GRUR 1988, 820, 821 - Oil of …
18)
vgl. BGH GRUR 1988, 820, 821 - Oil of …; GRUR 1964, 454, 456 - Palmolive
19) , 24) , 27)
BPatG, Beschl. v. 17. Mai 2006 - 32 W (pat) 39/03
20)
BGH GRUR 2001, 242, 244 - Classe E
21)
BGH GRUR 1988, 820, 821 - Oil of …
22)
Art. 3 Abs. 2 Buchst. d Markenrechts-Richtlinie; § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG a. F., jetzt § 8 Abs. 2 Nr. 10 i. V. m. § 50 Abs. 1 MarkenG; ähnlich Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 3 Rdn. 13
23)
vgl. dazu etwa BGH GRUR 2005, 414, 417 - Russisches Schaumgebäck
25)
BGH GRUR 1964, 454
26)
BGH GRUR 1988, 820
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