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Europäische Patente werden nicht erteilt für Pflanzensorten oder Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren. Dies gilt nicht für mikrobiologische Verfahren und die mithilfe dieser Verfahren gewonnenen Erzeugnisse;
Artikel 53 b) S. 1 2. Alt. EPÜ → Patentierungsausschluss von Tierrassen
Regel 27 c) EPÜ sieht ausdrücklich vor, dass biotechnologische Erfindungen auch dann patentierbar sind, wenn sie ein mikrobiologisches oder sonstiges technisches Verfahren zum Gegenstand haben. Die ausgeschlossenen, im Wesentlichen biologischen Verfahren stehen also den patentierbaren, technischen Verfahren gegenüber.1)
Ein Verfahren zur Züchtung von Pflanzen, das auf der geschlechtlichen Kreuzung ganzer Genome und der anschließenden Selektion von Pflanzen beruht und bei dem die menschliche Mitwirkung einschließlich der Bereitstellung eines technischen Mittels dazu dient, die Ausführung der Verfahrensschritte zu ermöglichen oder zu unterstützen, bleibt von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, weil es im Sinne des Artikels 53 b) EPÜ im Wesentlichen biologisch ist.2)
Wenn jedoch ein Verfahren der geschlechtlichen Kreuzung und Selektion einen zusätzlichen technischen Verfahrensschritt enthält, der selbst ein Merkmal in das Genom der gezüchteten Pflanze einführt oder ein Merkmal in deren Genom modifiziert, sodass die Einführung oder Modifizierung dieses Merkmals nicht durch das Mischen der Gene der zur geschlechtlichen Kreuzung ausgewählten Pflanzen zustande kommt, so geht dieses Verfahren über den Bereich der Pflanzenzüchtung hinaus, den der Gesetzgeber von der Patentierbarkeit ausschließen wollte. Ein solches Verfahren ist daher nicht nach Artikel 53 b) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, sondern ist als eine potenziell patentierbare technische Lehre anzusehen.3)
Das Vorstehende gilt nur, wenn dieser zusätzliche technische Verfahrensschritt innerhalb der Schritte der geschlechtlichen Kreuzung und Selektion ausgeführt wird, unabhängig von der Zahl ihrer Wiederholungen. Sonst könnte der in Artikel 53 b) EPÜ verankerte Patentierbarkeitsausschluss von Verfahren der geschlechtlichen Kreuzung und Selektion einfach durch das Hinzufügen von Schritten umgangen werden, die nicht wirklich zum Kreuzungs- oder Selektionsverfahren gehören, sondern ihm entweder vorausgehen und der Präparation der zu kreuzenden Pflanze(n) dienen oder ihm nachfolgen und die weitere Behandlung der aus dem Kreuzungsoder Selektionsverfahren hervorgegangenen Pflanze betreffen.4)
Alle diese zusätzlichen technischen Schritte, die entweder vor oder nach dem Kreuzungs und Selektionsverfahren ausgeführt werden, sollten daher bei der Entscheidung, ob ein Verfahren nach Artikel 53 b) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist oder nicht, außer Acht gelassen werden.5)
Die vorausgehenden und die nachfolgenden Schritte sind als solche dem Patentschutz zugänglich. Dies gilt z. B. für bei Pflanzen angewendete gentechnische Methoden, die sich maßgeblich von herkömmlichen Züchtungsverfahren unterscheiden, weil sie primär auf der gezielten Einführung eines oder mehrerer Gene in eine Pflanze und/oder der Modifizierung von deren Genen basieren (s. oben T 356/93). In solchen Fällen sollte das Verfahren der geschlechtlichen Kreuzung und Selektion aber weder explizit noch implizit Gegenstand der Ansprüche sein.6)
Ein nicht mikrobiologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen, das die Schritte der geschlechtlichen Kreuzung ganzer Pflanzengenome und der anschließenden Selektion von Pflanzen umfasst oder aus diesen Schritten besteht, ist grundsätzlich von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, weil es im Sinne des Artikels 53 b) EPÜ „im Wesentlichen biologisch“ ist.7)
Verfahren, bei denen das Genom der Pflanzen durch technische Mittel wie z. B. Bestrahlung verändert wurde, sind patentierbare technische Verfahren.8)
Ein Verfahren, das Genmanipulation umfasst, beruht ganz offensichtlich nicht vollständig auf natürlichen Phänomenen und ist damit durch Artikel 53 b) EPÜ nicht von der Patentierung ausgeschlossen.9)
Der entsprechende Ausschluss von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Tieren gilt nicht für Verfahrensansprüche zur Erzeugung transgener nicht menschlicher Säuger durch chromosomale Einbringung einer aktivierten Onkogen-Sequenz in das Genom des Säugers. Da das Onkogen durch technische Maßnahmen eingeschleust wird, nämlich durch Insertion in einen Vektor, der dann durch Mikroinjektion in einem frühen Embryonalstadium eingebracht wird, sind die beanspruchten Verfahren nicht auf „im Wesentlichen biologische Verfahren“ gerichtet.10))
Die Kammer sah in dem Schritt der gentechnischen Transformation der Pflanzenzellen oder des Pflanzengewebes mit einer rekombinanten DNA einen wesentlichen technischen Schritt, der entscheidenden Einfluss auf das gewünschte Endergebnis hat und nicht ohne menschliches Zutun erfolgen kann.11))
Der Ausschluss von „im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen“ kann nicht so verstanden werden, dass er nur dann gilt, wenn das Ergebnis eines solchen Verfahrens eine Pflanzensorte ist. Mit anderen Worten, er kann nicht so verstanden werden, dass er sich auf Verfahren zur Züchtung von Pflanzensorten beschränkt.12)
Damit das Patentierungsverbot des Artikels 53 b) EPÜ greift, genügt es, dass das beanspruchte Verfahren im Wesentlichen biologisch ist. Wie eng man die Bezugnahme auf irgendeine Art der „Wesentlichkeit“ auch auslegen mag, sie macht doch von vornherein jede Möglichkeit zunichte, das Patentierungsverbot in dem Sinne auszulegen, dass ein beliebiges technisches Merkmal unabhängig von seiner Bedeutung für ein ansonsten biologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen die Überwindung des in Artikel 53 b) EPÜ verankerten Patentierungsverbots bewirkt.13)
Grundsätzlich ist jeder Ansatz fehlerhaft, der die Entscheidung, ob ein beanspruchtes Verfahren zur Züchtung von Pflanzen im Wesentlichen biologisch und somit vom Patentschutz ausgeschlossen oder technisch und damit patentierbar ist, von Kriterien abhängig macht, die mit dem Stand der Technik zu tun haben, denn dadurch werden die für die Patentierbarkeit relevanten Erwägungen mit den für Neuheit und erfinderische Tätigkeit relevanten vermengt.14)
Aus der Verwendung des Begriffs „im Wesentlichen“ muss also geschlossen werden, dass anders als bei der Beurteilung des technischen Charakters einer Erfindung in Bezug auf Artikel 52 (2) EPÜ nicht ein „beliebiges“ technisches Mittel genügt, damit die beanspruchte Erfindung dem Patentierungsverbot des Artikels 53 b) EPÜ entgeht. Andererseits folgt aus der Ausschlussbestimmung für „im Wesentlichen“ biologische Verfahren nicht, dass das erfinderische Wesen des Verfahrens anhand derselben Kriterien zu bestimmen ist, die zur Beurteilung erfinderischer Tätigkeit herangezogen werden.15)
Die Entstehungsgeschichte der Biotechnologierichtlinie trägt nicht dazu bei, zu ermitteln, was der Gesetzgeber mit dem letztlich verabschiedeten Wortlaut von Artikel 2 (2) der Biotechnologierichtlinie ausdrücken wollte. Es ist im Gegenteil festzustellen, dass sich die Bedeutung der Vorschrift nicht genauer klären lässt.16)
Verfahren, die im Wesentlichen auf die Erzeugung triploider, kernloser Wassermelonen an den vorhandenen triploiden Pflanzen abstellen und nicht darauf, durch Meiose zu einer Pflanze mit einem neuen Erbgut zu gelangen, also nicht die geschlechtliche Kreuzung des gesamten Genoms zweier Pflanzen (mit Meiose und Befruchtung) und die anschließende Selektion von Pflanzen betreffen, sind keine Verfahren, die gemäß den Entscheidungen G 2/07 (ABl. 2012, 130) und G 1/08 (ABl. 2012, 206) der Großen Beschwerdekammer unter den Patentierungsausschluss von „im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen“ fallen.17)
Der Ausschluss von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen in Art. 53 b) EPÜ wirkt sich nicht negativ auf die Gewährbarkeit eines Erzeugnisanspruchs aus, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial wie eine Frucht18) oder Pflanzenteile19) gerichtet ist.
Die Tatsache, dass die Verfahrensmerkmale eines Product-by-process-Anspruchs, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial gerichtet ist, bei denen es sich nicht um eine Pflanzensorte handelt, ein im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen definieren, steht der Gewährbarkeit des Anspruchs nicht entgegen 20). Die Tatsache, dass das einzige am Anmeldetag verfügbare Verfahren zur Erzeugung des beanspruchten Gegenstands ein in der Patentanmeldung offenbartes im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen ist, steht der Gewährbarkeit eines Anspruchs, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial gerichtet ist, bei denen es sich nicht um eine Pflanzensorte handelt, nicht entgegen21).
Unter diesen Umständen ist es nicht relevant, dass sich der durch den Erzeugnisanspruch verliehene Schutz auf die Erzeugung des beanspruchten Erzeugnisses durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren für die Züchtung von Pflanzen erstreckt, das nach Art. 53 b) EPÜ als solches nicht patentierbar ist22).
Unter Berücksichtigung der Entwicklungen nach den Entscheidungen G 2/12 und G 2/13 der Großen Beschwerdekammer wirkt sich der Patentierbarkeitsausschluss von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren in Artikel 53 b) EPÜ negativ auf die Gewährbarkeit von auf Pflanzen, Pflanzenmaterial oder Tiere gerichteten Erzeugnisansprüchen und Product-by-Process-Ansprüchen aus, wenn das beanspruchte Erzeugnis ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren gewonnen wird oder die beanspruchten Verfahrensmerkmale ein im Wesentlichen biologisches Verfahren definieren.23)
Diese negative Auswirkung gilt nicht für vor dem 1. Juli 2017 erteilte europäische Patente und anhängige europäische Patentanmeldungen, die vor diesem Tag eingereicht wurden und noch anhängig sind.24)
Artikel 53 (b) EPÜ → Pflanzensorten und Tierrassen
Beschreibt die Ausnahmen von der Patentierbarkeit.
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