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Dr. Martin Meggle-Freund

ep:beweiswuerdigung_bei_internet-dokumenten

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Beweiswürdigung bei Internet-Dokumenten

Wird einer Anmeldung oder einem Patent ein Internet-Dokument entgegengehalten, müssen dieselben Sachverhalte geklärt werden wie bei jedem anderen Beweismittel einschließlich traditioneller Papierveröffentlichungen (vgl. Richtlinien C-IV, 6.1).1)

Diese Bewertung erfolgt gemäß dem Grundsatz der "freien Beweiswürdigung" (s. T 482/89, ABl. EPA 1992, 646 und T 750/94, ABl. EPA 1998, 32).2)

In vielen Fällen enthalten Internet-Veröffentlichungen eine ausdrückliche Angabe zum Veröffentlichungstag, die in der Regel als verlässlich betrachtet wird. Solche Datumsangaben werden ohne Weiteres akzeptiert, und den Beweis für das Gegenteil müsste der Anmelder erbringen. Für die Ermittlung oder Bestätigung des Veröffentlichungstags müssen gegebenenfalls Indizien gesammelt werden (s. 3.4). Kommt der Prüfer zu dem Schluss, dass – nach Abwägung der Wahrscheinlichkeit – ein bestimmtes Dokument der Öffentlichkeit an einem bestimmten Datum zugänglich war, so wird dieses Datum als Veröffentlichungstag für die Zwecke der Prüfung verwendet.3)

In der Entscheidung T 286/10 schloss sich die Kammer der in T 1134/06 vertretenen Auffassung nicht an, wonach eine frühere Veröffentlichung einer Offenbarung im Internet so bewiesen werden muss, dass keine berechtigten Zweifel verbleiben. Es gebe keine Rechtsgrundlage für die Anwendung anderer Beweisregeln als derjenigen, die allgemein für Offenbarungen des Stands der Technik gelten.

Bei Veröffentlichungen im Internet ergibt sich eine zusätzliche Schwierigkeit gegenüber herkömmlichen Veröffentlichungen daraus, dass diese Dokumente im Laufe der Zeit unter Umständen verändert worden sind, ohne dass dies ohne Weiteres nachvollziehbar wäre. Diese Schwierigkeit lässt sich jedoch nicht dadurch beheben, dass von den allgemeinen Beweisregeln abgewichen wird, wonach die Existenz einer Vorveröffentlichung durch Abwägung der Wahrscheinlichkeit in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls nachzuweisen ist.4)

Zur Rechtfertigung der Notwendigkeit, an Internet-Offenbarungen einen strengen Beweismaßstab anzulegen, wird in der EntscheidungT 1134/06 auf T 472/92 (ABl. 1998, 161) verwiesen. Jedoch bestätigt auch die Entscheidung T 472/92 die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern, wonach bei der Beweiswürdigung im Allgemeinen als zutreffend gilt, was am wahrscheinlichsten erscheint; eine Ausnahme wird in dieser Entscheidung nur für eine behauptete offenkundige Vorbenutzung gemacht, bei der nahezu alle Beweismittel der Verfügungsmacht und dem Wissen des Einsprechenden unterliegen.5)

Die Tatsache, dass ein Dokument an einem bestimmten Datum in Internet Archive (www.archive.org) archiviert wurde lässt – außer natürlich bei Vorliegen besonderer, verdächtiger Umstände –, in der Regel die Vermutung zu, dass das Dokument an dem Tag, an dem es hochgeladen wurde, der Öffentlichkeit zugänglich war, und dass es ihr kurze Zeit später über Internet Archive zugänglich gemacht wurde. Internet Archive, eine private und nicht gewinnorientierte Initiative, stellt der Allgemeinheit frühere Momentaufnahmen des Internets zur Verfügung. Seit seiner Gründung im Jahr 1996 hat dieses Archiv große Popularität erlangt und eine gute Reputation erworben. Daraus schließt die Kammer, dass A9 und A10 zum Stand der Technik gehören.6)

In T 1961/13 stellte abschließend fest, dass ein von Google angegebenes Datum als Nachweis des Tags der Veröffentlichung eines Dokuments grundsätzlich ungeeignet ist. Ein solches Datum, das dem Textinhalt des Dokuments entnommen ist, fügt dem, was aus dem Dokument selbst hervorgeht, nichts hinzu. Die von der Prüfungsabteilung vorgelegten Beweise ließen daher den Schluss nicht zu, dass Dokument D2 der Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag zugänglich gemacht worden war.7)Dr. Martin Meggle-Freund 2015/09/17 08:39 Die Auffassung der Kammer hier ist problematisch: Es ist nicht plausibel, dass die Datumszuweisung durch Google auf Grundlage von Datumsangaben im Dokument erfolgt. Eher plausibel ist, dass die Datumsangaben - wie von der Prüfungsabteilung angenommen - von Google auf dem Indizierungszeitpunkt beruht.

siehe auch

1) , 2) , 3)
Mitteilung des Europäischen Patentamts über die Anführung von Internet-Dokumenten, Amtsblatt EPA 8-9/2009, 456
4)
Rechtsprechungsbericht von 2014, I.B.1; m.V.a. T 2339/09, T 990/09,T 750/94, ABl. 1998, 32
5) , 7)
Rechtsprechungsbericht von 2014, I.B.1
6)
Rechtsprechungsbericht von 2014, I.B.1; m.V.a. T 286/10
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