Bagatellgrenze

§ 3 (1) UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.

Die Verfälschung des Wettbewerbs [→ Unlauterer Wettbewerb] muss nach § 3 UWG „nicht unerheblich“ sein.

Die Frage nach der Erheblichkeit eines Wettbewerbsverstoßes i.S. des § 3 UWG und also seiner Eignung, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten, wobei Normzweck und Intention des verletzten Verbotsgesetzes, Art und Schwere des Verstoßes sowie die zu erwartenden Auswirkungen auf den Wettbewerb zu berücksichtigen sind.1)

Damit soll zum Ausdruck kommen, dass die Wettbewerbsmaßnahme von einem gewissen Gewicht für das Wettbewerbsgeschehen und die Interessen der geschützten Personenkreise sein muss. Die Verfolgung von Bagatellfällen, an deren Verfolgung kein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit besteht, soll ausgeschlossen werden.2)

Die Feststellung, ob ein Wettbewerbsverstoß geeignet ist, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu verfälschen, setzt eine unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu treffende Wertung voraus.3)

Bei der Prüfung, ob die beanstandete Wettbewerbshandlung zu einer nicht unerheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigung geeignet ist, ist dementsprechend eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller vom Schutzzweck der Norm erfassten Umstände vorzunehmen.4)

In diese sind neben der Art und Schwere des Verstoßes die zu erwartenden Auswirkungen auf den Wettbewerb sowie der Schutzzweck des Wettbewerbsrechts einzubeziehen. Eine nicht nur unerhebliche Verfälschung kann auch bei Verstößen mit nur geringen Auswirkungen auf den Marktteilnehmer im Einzelfall vorliegen, wenn durch das Verhalten eine Vielzahl von Marktteilnehmern betroffen ist oder eine nicht unerhebliche Nachahmungsgefahr besteht. Eine Eignung zur nicht nur unerheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs zum Nachteil der betroffenen Mitbewerber ist dann anzunehmen, wenn ihre Marktchancen durch die unlautere Wettbewerbshandlung spürbar beeinträchtigt sein können.5)

Letzteres hängt auch von der Größe eines erzielten Wettbewerbsvorsprungs ab.6)

Es reicht nicht aus, dass der Verstoß lediglich geeignet ist, irgendeinen geringfügigen Wettbewerbsvorsprung zu begründen.7)

Von Bedeutung sind vielmehr die jeweiligen Marktverhältnisse, wie die Größe des Unternehmens und die Zahl der Mitbewerber auf dem Markt sowie die Art, Schwere, Häufigkeit oder Dauer des Wettbewerbsverstoßes. In Bezug auf die Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer ist darauf abzustellen, ob ihre Informationsinteressen, ihre Entscheidungsfreiheit und ihre sonstigen durch das Gesetz geschützten Interessen spürbar beeinträchtigt sein können. Auch bezüglich der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer ist das Ausmaß der Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfreiheit oder sonstigen Interessen maßgebend.8)

Dementsprechend kann sich ein Anwendungsbereich besagter „Bagatellklausel“ des § 3 UWG beispielsweise dann eröffnen, wenn zwar gegen zum Schutz des Verbrauchers erlassene Vorschriften verstoßen wird, der Inhalt des gebotswidrig unterlassenen Hinweises sich aber aus dem übrigen Kontext dem Verbraucher erschließt, aus sonstigen Umständen für den Verbraucher nahe liegt oder für seine Entscheidung von zu vernachlässigender Bedeutung ist.9)

Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Bagatellgrenze des § 3 UWG überschritten ist, wenn die durch unrichtige Angaben hervorgerufene Fehlvorstellung des Verkehrs geeignet ist, das Marktverhalten der Gegen-seite zu beeinflussen 10)

An den Nachweis eines Bagatellverstoßes, für das der Verletzer die Darlegungs- und Beweislast trägt, sind strenge Anforderungen zu stellen.11)

siehe auch

1)
OLG Köln, Urt. v. 09.11.2007 - 6 U 90/07; m.w.N.
2)
KG, Beschl. V. 13. 2. 2007-5 W 35/07
3)
KG, Beschl. V. 13. 2. 2007-5 W 35/07; m.V.a. OLG Koblenz GRUR-RR 2007, 23 f.
4)
KG, Beschl. V. 13. 2. 2007-5 W 35/07; vgl. Senat GRUR-RR 2005, 357, 358, m.w.N.
5)
KG, Beschl. V. 13. 2. 2007-5 W 35/07; m.w.N.
6)
KG, Beschl. V. 13. 2. 2007-5 W 35/07;; vgl. - zu § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG a.F. - BGH GRUR 2001, 258, 259 - Immobilienpreisangaben, m.w.N.
7)
KG, Beschl. V. 13. 2. 2007-5 W 35/07; vgl. - zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. - BGH GRUR 2001, 1166, 1169 - Fernflugpreise
8)
KG, Beschl. V. 13. 2. 2007-5 W 35/07;; m.w.N.
9)
KG, Beschl. V. 13. 2. 2007-5 W 35/07; vgl. Ullmann in: Ullmann, jurisPK-UWG, § 3 Rdn. 42
10)
vgl. BGH, Urt. v. 28. Juni 2007 - I ZR 153/04
11)
BGH, Urteil vom 21. September 2016 - I ZR 234/15 - Quecksilberhaltige Leuchtstofflampen; m.V.a. MünchKomm.UWG/Sosnitza aaO § 3 Rn. 103 und 107; Großkomm.UWG/Peukert, 2. Aufl., § 3 Rn. 447, jeweils mwN