Verhältnis zwischen Kunsturhebergesetz und Datenschutzgrundverordnung

Eine am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 Buchst. f DSGVO [→ Datenschutzgrundverordnung] vorzunehmende Interessenabwägung muss zum gleichen Ergebnis führen wie eine solche am Maßstab der §§ 22, 23 KUG [→ Recht am eigenen Bild].1)

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu der ähnlich gefassten Vorgängervorschrift in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr fällt das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person unter den Begriff der personenbezugenen Daten des Art. 2 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung.2)

Von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bislang nicht geklärt und auch nicht zweifelsfrei zu beantworten ist allerdings die Frage, ob eine Person auch dann als identifizierbar anzusehen ist, wenn in Wirklichkeit eine andere Person abgebildet ist, aber von einem nicht unerheblichen Teil des Publikums für diese Person gehalten wird [→ Bildnis einer dargestellten Person].3)

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu der ähnlich gefassten Vorgängervorschrift in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG stellt die (Video-)Aufzeichnung einer Person auf dem Speicher einer Kamera eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar.4)

Darüber hinaus führt auch die Offenlegung durch Verbreitung der Abbildung im Zuge der Plakatierung in den Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung.5)

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat bereits zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung nach der Richtlinie 95/46/EG ausgeführt, dass diese eine Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen erfordert, bei der die Bedeutung der Rechte der betroffenen Person aus den Art. 7 und 8 EUGrundrechtecharta zu berücksichtigen ist.6) Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Grundsätze bei der Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung nicht mehr gelten sollten. Auch für einen grundsätzlichen Vor- oder Nachrang eines der auf einer Seite betroffenen Grundrechte gegenüber den auf der anderen Seite einzustellenden Grundrechten gibt es weder in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union selbst noch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Anhaltspunkte.7)

siehe auch

KunstUrhG→ Kunsturhebergesetz

1) , 3)
BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - I ZR 2/21 - Tina Turner
2)
BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - I ZR 2/21 - Tina Turner; m.V.a. EuGH, Urteil vom 14. Februar 2019 - C-345/17, GRUR 2019, 760 Rn. 31 - Buivids, mwN
4)
BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - I ZR 2/21 - Tina Turner; m.V.a. EuGH, GRUR 2019, 760 Rn. 35 - Buivids, mwN
5)
BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - I ZR 2/21 - Tina Turner; zum Begriff der Offenlegung durch Verbreitung vgl. Herbst in Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 3. Aufl., Art. 4 DSGVO Rn. 31 f.; BeckOK.Datenschutzrecht/Schild, 38. Edition [Stand 1. November 2021], Art. 4 DSGVO Rn. 49 f. mwN
6)
BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - I ZR 2/21 - Tina Turner; m.V.a. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014 - C-131/12, GRUR 2014, 895 Rn. 74 = WRP 2014, 805 - Google Spain und Google
7)
BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - I ZR 2/21 - Tina Turner; zu Art. 7, 8 und 11 EU-Grundrechtecharta vgl. BVerfGE 152, 216 Rn. 141 - Recht auf Vergessen II; zu Art. 7, 8, 11 und 16 EU-Grundrechtecharta vgl. BGH, GRUR 2021, 643 Rn. 41 - Urlaubslotto