→ Klageberechtigung im Nichtigkeitsverfahren
→ Nichtigkeitsklage eines Strohmanns
→ Nichtangriffsverbot aus Treu und Glauben
→ Nichtigkeitsklage eines Strohmanns
Im Nichtigkeitsverfahren – im Gegensatz zum Einspruchsverfahren [→ Nichtangriffsabrede im EInspruchsverfahren] – hat eine Nichtangriffsabrede die Unzulässigkeit der Klage zur Folge.1)
Rechtsschutzinteresse eines Nichtigkeitsklägers liegt nicht vor, wenn sich der Nichtigkeitserklärungen gegenüber dem Inhaber des Streitpatents schriftlich vertraglich dazu verpflichtet hat, das Streitpatent nicht oder nicht mit einer bestimmten Begründung anzugreifen (Nichtangriffsabrede).
Solch eine außergerichtliche Vereinbarung steht im Widerspruch zum prozessualen Verhalten der Nichtigkeitsklägerin und führt nach ständiger Rechtsprechung wegen des auch im Prozessrecht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und der darin liegenden unzulässigen Rechtsausübung zur Abweisung der Klage als unzulässig.2)
Eine auf den Mangel der Patentfähigkeit gestützte Nichtigkeitsklage kann zwar von jedermann erhoben werden, ohne dass es des Nachweises eines berechtigten eigenen Interesses des Klägers an der Vernichtung des angegriffenen Patents bedarf. Es ist jedoch im Nichtigkeitsverfahren anerkannt, dass der Beklagte dem Kläger Einwendungen aus den vertraglichen Beziehungen der Parteien und aus der Person des Klägers entgegenhalten kann. Zu diesen vom Gericht zu berücksichtigenden Umständen gehören - ihre kartellrechtliche Zulässigkeit vorausgesetzt - auch Abreden, durch die sich der Kläger ausdrücklich oder stillschweigend verpflichtet hat, das Schutzrecht nicht anzugreifen (exceptio pacti). 3)
Anerkannt ist ferner, dass hierzu nicht nur ausdrückliche vertragliche Abreden zählen, sondern dass die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als unzulässige Rechtsausübung anzusehen sein kann, wenn sich aus den vertraglichen Beziehungen ergibt, dass der Angriff auf das Patent gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt.4)
In der Rechtsprechung ist ferner anerkannt, dass der Nichtigkeitskläger sich der Nichtangriffspflicht nicht durch Vorschieben eines „Strohmanns“ entziehen kann, der äußerlich im eigenen Namen, der Sache nach aber im Interesse seines „Hintermanns“ und auf dessen Weisungen hin das Nichtigkeitsverfahren betreibt.5)
Der Bundesgerichtshof hat ferner angenommen, dass der Beachtlichkeit einer dem Kläger im Verhältnis zum Beklagten obliegenden Nichtangriffspflicht auch nicht entgegensteht, dass der Beklagte das Streitpatent auf einen Dritten übertragen hat, wenn der Beklagte im Hinblick auf mögliche Regressansprüche des Erwerbers weiterhin in seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung wesentlich von dem Ausgang des Nichtigkeitsverfahrens beeinflusst ist. Dann ist der Fortbestand der aus Treu und Glauben abgeleiteten Nichtangriffspflicht unabhängig von der zwischenzeitlichen Übertragung der Schutzrechte auf einen Dritten gerechtfertigt.6)
Der Bundesgerichtshof musste die Frage nicht entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen sich auch noch der Erwerber des Schutzrechts nach vollständiger Abwicklung der Übertragung und Umschreibung des Patents in der Patentrolle auf eine Nichtangriffspflicht des Arbeitnehmererfinders berufen könnte.7)
In einer älteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof aber darauf hingewiesen, dass sich prozessrechtliche Bedenken gegen eine erst infolge der während des Nichtigkeitsverfahrens erfolgte Übertragung und Umschreibung des Patents begründete exceptio pacti des Rechtsnachfolgers nur unter besonderen Umständen ergeben, wenn nämlich diese Übertragung gegen Treu und Glauben verstößt.8)
Wegen der auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortwirkenden Pflicht der Vertragsparteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme ist eine Nichtigkeitsklage des früheren Arbeitgebers i.d.R. ausgeschlossen, wenn die Freigabe der Erfindung unter dem Vorbehalt einer nichtausschließlichen Benutzung gemäß § 16 Abs. 3 ArbEG erklärt worden ist.9) Es kann Umstände geben, unter denen dem (ehemaligen) Arbeitgeber trotz Vorbehalts eines Mitbenutzungsrechts die Auferlegung einer Nichtangriffspflicht nicht zugemutet werden könne. Derartige Umstände können z.B. darin liegen, dass der Beklagte die Klägerin wegen angeblicher Verletzung des Streitpatents gerichtlich in Anspruch nimmt und damit das Mitbenutzungsrecht, aus dem sich die Treuwidrigkeit der Nichtigkeitsklage ergeben soll, selbst in Frage stellt. Der Klägerin darf es nicht verwehrt sein, sich gegen die Verletzungsklage mit einem Angriff auf das Streitpatent zur Wehr zu setzen.10)
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte nach Vergleichsabschluss dem Kläger eine (neue) Patentverletzung vorgeworfen und aus diesem Grund einen letztlich nicht erfolgreichen Ordnungsmittelantrag gestellt hat, wenn dies lediglich Ausfluss des dem Beklagten durch den Vergleich ausdrücklich eingeräumten Rechts auf Untersagung zum Vertrieb bestimmter Vorrichtungen war.11))
Wird in einem Nichtigkeitsverfahren ein gerichtlicher Vergleich geschlossen, der eine Nichtangriffsverpflichtung zum Inhalt hat, und wird daraufhin von dem Unternehmensverantwortlichen der früheren Klägerin unter identischer Adresse und mit identischem Unternehmensgegenstand eine neue Firma gegründet, die erneut Nichtigkeitsklage erhebt, so steht dies der Zulässigkeit einer erneuten Nichtigkeitsklage nicht grundsätzlich entgegen.12)
Beim Wechsel des Unternehmensinhabers ist die Firmenfortführung deshalb eine Voraussetzung für die in § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB vorgesehene Haftung, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, die der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist.13)
Eine die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage ausschließende stillschweigende Nichtangriffsvereinbarung kann noch nicht aus einer gemeinsamen Beauftragung eines Sachverständigengutachtens und anschließendem Abschluss eines Vertrages über eine nicht ausschließliche Lizenz hergeleitet werden.14)
In der Rechtsprechung ist ferner anerkannt, dass der Nichtigkeitskläger sich der Nichtangriffspflicht nicht durch Vorschieben eines „Strohmanns“ entziehen kann, der äußerlich im eigenen Namen, der Sache nach aber im Interesse seines „Hintermanns“ und auf dessen Weisungen hin das Nichtigkeitsverfahren betreibt.15)