Nachanmelderecht

§ 7 (2) PatG

Wird ein Patent auf Grund eines auf widerrechtliche Entnahme (§ 21 Abs. 1 Nr. 3) gestützten Einspruchs widerrufen oder führt der Einspruch zum Verzicht auf das Patent, so kann der Einsprechende innerhalb eines Monats nach der amtlichen Mitteilung hierüber die Erfindung selbst anmelden und die Priorität des früheren Patents in Anspruch nehmen.

Hat ein Einspruch wegen widerrechtlicher Entnahme erfolg, oder verzichtet1) der Patentinhaber während des Einspruchs auf das Patent, so hat der Einsprechende ein Nachanmelderecht gemäß § 7 II PatG.

Der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen einem Einspruch und dem nachfolgenden Verzicht wird vermutet, wenn der Einspruch (auch) auf widerrechtliche Entnahme gestützt worden ist. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall ein anhängiges Einspruchsverfahren (d.h. eine Korrespondenz (Abmahnung) vor Einlegen des Einspruchs, die bereits möglicherweise einen Verzicht auslösen könnte, sollte besser unterbleiben).2)

Diese Verneinung des Nachanmelderechts steht im Gegensatz zu einer (auf der Grundlage der Art. 60, 61 EPÜ basierenden) Entscheidung der großen Beschwerdekammer des EPA.3)

Der Umfang des Nachanmelderechts des § 7 II PatG ist auf die ursprüngliche (d.h. ohne Berücksichtigung eines zwischenzeitlichen Verzichts oder unzulässiger Erweiterungen) Offenbarung des früheren Patents begrenzt.

MERKE: Eine Erweiterung der Nachanmeldung über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt des früheren Patents hinaus, führt nicht zu einer 'Prioverschiebung' (wie z.B. bei einer unwirksamen Beanspruchung einer inländischen oder ausländischen Priorität gemäß § 40 bzw. 41 PatG) sondern ist gemäß des Wortlauts des § 21 I Nr. 4 2. Halbsatz ein Einspruchs- und Nichtigkeitsgrund gegen die Nachanmeldung ! ⇒ es darf der ursprünglichen Offenbarung des widerrufenen Patents in der Nachanmeldung nach § 7 II NICHTS hinzugefügt werden.4)

1)
BGH GRUR 1997, 890 - Drahtbiegemaschine
2)
GRUR 1997, 442 - Drahtbiegemaschine: „Gemäß § 7 Abs. 2 PatG kann die Priorität eines früheren Patents in Anspruch genommen werden, wenn das Patent aufgrund eines auf widerrechtliche Entnahme gestützten Einspruchs des späteren Anmelders widerrufen worden ist. Mit dem Einspruch hat der spätere Anmelder in solchen Fällen bereits alsbald nach der Patenterteilung durch förmlichen Akt (§ 59 PatG) gegenüber der Erteilungsbehörde geltend gemacht, ein eigenes Recht auf Erteilung des Patents zu haben; aufgrund eines Widerrufs des Patents gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG steht fest, daß das Recht des späteren Anmelders durch die frühere Anmeldung verletzt worden ist, weshalb deren Priorität in Anspruch genommen werden kann. Das Gesetz erachtet dieselbe Rechtsfolge für angemessen, wenn der auf widerrechtliche Entnahme gestützte Einspruch zum Verzicht auf das Patent führt. Der Ursachenzusammenhang, der im Einzelfall festzustellen ist, bietet wiederum hinreichende Gewähr, daß der durch den Einspruch gegenüber dem Patentamt bereits als Anspruchsteller aufgetretene spätere Anmelder in seinem Recht verletzt ist. Das Gesetz gewährt danach die Prioritätsvergünstigung nur unter engen Voraussetzungen. Keine der gesetzlich geregelten Fallgestaltungen ist hier gegeben.
2. Wortlaut und Inhalt von § 7 Abs. 2 PatG sind eindeutig. Es besteht damit auch nicht die Möglichkeit, im Wege der Auslegung die Rechtsfolge dieser Vorschrift in Fällen anzuwenden, in denen der spätere Anmelder lediglich gegenüber dem früheren Anmelder widerrechtliche Entnahme behauptet hatte, ein hierauf gestützter Einspruch aber nicht stattgefunden hat und nicht möglich war, weil die frühere Anmeldung, bevor sie zur Patenterteilung führte, vom früheren Anmelder zurückgenommen worden ist. In Betracht zu ziehen ist allein eine entsprechende (analoge) Anwendung von § 7 Abs. 2 PatG. Sie ist, wie das BPatG in dem angefochtenen Beschluß im Ergebnis zu Recht erkannt hat, zu verneinen.„
3)
G 03/92; Abl. 1994, S. 607: „Damit kommt die Kammer zu dem konkreten Auslegungsproblem, das der zu klärenden Rechtsfrage zugrunde liegt; es geht dabei um den Fall, daß die von einem Nichtberechtigten eingereichte frühere europäische Anmeldung zu dem Zeitpunkt, zu dem der berechtigte Anmelder gemäß Art. 61 (1) b) EPÜ eine neue europäische Patentanmeldung einreicht, nicht mehr beim EPA anhängig ist (weil sie zurückgenommen oder zurückgewiesen wurde oder als zurückgenommen gilt). Die frühere Anmeldung kann erloschen sein, bevor oder nachdem der rechtmäßige Anmelder ein Verfahren vor einem nationalen Gericht eingeleitet hat, um seinen Anspruch auf Erteilung eines europäischen Patents geltend zu machen. Die vorgelegte Rechtsfrage geht davon aus, daß „durch rechtskräftige Entscheidung eines nationalen Gerichts der Anspruch auf Erteilung eines europäischen Patents einer anderen Person als dem Anmelder zugesprochen worden ist“ und betrifft einen Fall, in dem die frühere Anmeldung als zurückgenommen galt und daher beim EPA nicht mehr anhängig war, als der berechtigte Anmelder das Verfahren vor einem nationalen Gericht einleitete, das dann mit einer rechtskräftigen Entscheidung zu seinen Gunsten endete…
Wenn das Anerkennungsprotokoll den nationalen Gerichten in Fällen, in denen die frühere Anmeldung eines unberechtigten Anmelders nicht mehr anhängig ist, die Zuständigkeit abspräche, hätte es ein solcher unberechtigter Anmelder de facto selbst in der Hand, die gegen ihn gerichtete Klage des berechtigten Anmelders der Zuständigkeit der nationalen Gerichte zu entziehen. Durch Zurücknahme seiner eigenen Anmeldung nach der Veröffentlichung könnte er den berechtigten Anmelder daran hindern, europäischen Patentschutz für eine Erfindung zu erlangen, und sich selbst auf diese Weise Handlungsfreiheit für die Nutzung der Erfindung verschaffen, die er sich widerrechtlich angeeignet hat. Bei einer solchen Auslegung des Anerkennungsprotokolls würde das im Anerkennungsprotokoll verankerte Rechtssystem eine derartige Manipulation des unrechtmäßigen Anmelders geradezu herausfordern. Die Große Beschwerdekammer ist der Meinung, daß diese Rechtslage vernunftswidrig und untragbar wäre und die Duldung einer solchen Manipulation bei der Abfassung des Anerkennungsprotokolls nicht gewollt gewesen sein kann.“
4)
GRUR 1979, S. 847 - Leitkörper: „Gegenüber der Geltendmachung des Anspruchs auf Übertragung der Anmeldung nach § 5 Satz 1 PatG bietet die Nachanmeldung dem Berechtigten den Vorteil, daß er an Beschränkungen und Verzichte im Verfahren der früheren Anmeldung nicht gebunden ist. Dagegen treffen Fehler, die dem Nichtberechtigten bei der zur Begründung eines Altersrangs notwendigen Offenbarung in der Anmeldung der Erfindung unterlaufen sind, auch den Nachanmelder. Hinsichtlich des Altersrangs der Anmeldung kann der Nachanmelder nicht besser stehen als der frühere Anmelder, von dem er diesen Altersrang herleitet. Eine bessere Rechtsposition steht ihm nicht zu, weil er es selbst versäumt hat, sich durch eine eigene Anmeldung einen früheren Altersrang zu sichern.
Der durch widerrechtliche Entnahme Verletzte ist durch das Recht der Nachanmeldung nicht gegen jeden Nachteil gesichert. der durch die widerrechtliche Entnahme eintreten kann. Ebensowenig wie er dagegen geschützt ist, daß der Verletzer ganz von einer Anmeldung absieht und den entnommenen Gegenstand der Öffentlichkeit preisgibt, verhindert die geltende Regelung den Nachteil, der daraus entsteht, daß der Verletzer den entnommenen Gegenstand in einer Weise zum Inhalt eines Patentbegehrens macht, die zur Begründung eines Altersrangs nicht geeignet ist. Hier versagt das Nachanmelderecht: der Verletzte ist auf Schadensersatzansprüche gegen den Verletzer beschränkt.“)) Frist zur Nachanmeldung von einem Monat (§ 7 II PatG) beginnt nach h.M. mit Mitteilung über den Widerruf. Andere Meinung: Für Beginn des Fristenlaufs ist eine gesonderte Mitteilung nötig. Die Nachanmeldung nimmt die Priorität des widerrufenen Patents in Anspruch.