Dem Grundsatz, dass jede Strafe - nicht nur die Strafe für kriminelles Unrecht, sondern auch die strafähnliche Sanktion für sonstiges Unrecht - Schuld voraussetzt (nulla poena sine culpa), kommt Verfassungsrang zu.1) Er wurzelt in der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG2) [→ Schutz der Menschenwürde] sowie in Art. 2 Abs. 1 GG3) [→ Allgemeines Persönlichkeitsrecht] und ist im Rechtsstaatsprinzip als eines der elementaren Prinzipien des Grundgesetzes begründet.4)
Die strafrechtliche oder strafrechtsähnliche Ahndung einer Tat ohne Schuld des Täters ist demnach rechtsstaatswidrig und verletzt den Betroffenen in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG.5)
Nur eigenes Verschulden kann die Verhängung strafrechtsähnlicher Sanktionen begründen; eine Zurechnung des Verschuldens Dritter kommt nicht in Betracht.6)
Im Zivilrecht ist der Schuldgrundsatz im Zwangsvollstreckungsrecht (§ 890 Abs. 1 ZPO) zur Anwendung gebracht worden, weil das vom Gericht verhängte Ordnungsgeld der Ahndung begangenen Unrechts und der Sühne für die Zuwiderhandlung gegen einen gerichtlichen Titel dient.7)
Der Geltungsbereich des Schuldgrundsatzes bestimmt sich materiell anhand des Charakters der Maßnahme. Er kann auch im Zivilrecht Anwendung finden, wenn es um strafähnliche Sanktionen und die strafrechtsähnliche Ahndung einer Tat geht.8)
Einer Strafe ähnlich sind Sanktionen, die wie eine Strafe wirken. Dies ist indes nicht schon dann der Fall, wenn sie mit einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen verbunden sind und damit faktisch die Wirkung eines Übels entfalten. Bei der Beurteilung des Strafcharakters einer Rechtsfolge sind vielmehr weitere, wertende Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und der vom Normverfasser mit ihr verfolgte Zweck.9)