Gegenstandswert eines Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens nach Beschränkung des Schutzbereichs

Das Gebrauchsmustergesetz sieht kein Beschränkungsverfahren nach dem Vorbild des § 64 PatG vor [→ Beschränkung des Patents] [→ Beschränkung des Gebrauchsmusters]. Ein Gebrauchsmusterinhaber ist deshalb nicht in der Lage ist, den Gegenstand des Schutzrechts außerhalb eines Löschungsverfahrens [→ Gebrauchsmusterlöschungsverfahren] einzuschränken.1)

Nach der Rechtsprechung des Senats steht einem Gebrauchsmusterinhaber jedoch die Möglichkeit offen, eingeschränkte Schutzansprüche zur Gebrauchsmusterakte zu reichen und dies mit der Erklärung zu verbinden, das Schutzbegehren auf die neuen Ansprüche zu beschränken. Da die nachgereichten Schutzansprüche Bestandteil der Gebrauchsmusterakte werden und jedermann die Einsicht in diese Akte freisteht, ist der Gebrauchsmusterinhaber aufgrund einer solchen Erklärung verpflichtet, Schutz gegenüber jedermann nur noch im Umfang der neu gefassten Ansprüche geltend zu machen.2)

Auch wenn damit keine unmittelbare Änderung des Gegenstandes des Gebrauchsmusters bewirkt wird, ist eine solche Erklärung regelmäßig als vorweggenommener Verzicht auf einen Widerspruch gegen die Löschung des Gebrauchsmusters in seinem weitergehenden Umfang zu werten. Demzufolge ist das Gebrauchsmuster in seiner eingetragenen Form auf einen zulässigen Löschungsantrag ohne weitere Sachprüfung zu löschen, soweit die eingetragenen Schutzansprüche über die zur Gebrauchsmusterakte nachgereichten Ansprüche hinausgehen.3)

Im Zusammenhang mit § 93 ZPO ergibt sich hieraus die Schlussfolgerung, dass ein Gebrauchsmusterinhaber grundsätzlich keinen Anlass zur Stellung eines Löschungsantrags gibt, soweit er geänderte Anträge eingereicht und erklärt hat, dass sich das Schutzbegehren auf die neuen Ansprüche beschränkt.4)

Begehrt der Antragsteller nach Abgabe einer solchen Erklärung eine Löschung des Gebrauchsmusters in weitergehendem Umfang und hat dieses Begehren Erfolg, so kommt eine Anwendung von § 93 ZPO zugunsten des Antragsgegners in der Regel dennoch nicht in Betracht.5)

Der Umstand, dass ein solcher Löschungsantrag gegen die eingetragene Fassung gerichtet ist, darf in dieser Konstellation nicht zum Nachteil des Antragstellers ausschlagen.6)

Der Prüfung in einem Löschungsverfahren ist auch dann die eingetragene Fassung des Gebrauchsmusters zugrunde zu legen, wenn der Gebrauchsmusterinhaber schon vor dem Löschungsantrag geänderte Ansprüche eingereicht und erklärt hat, dass sich das Schutzbegehren auf die neuen Ansprüche beschränkt. Dies ist die Folge davon, dass der Gegenstand eines Gebrauchsmusters - ebenso wie der Gegenstand eines Patents - nur durch Hoheitsakt verändert werden kann. 7)

Die Anwendung von § 93 ZPO zugunsten des Antragsgegners wäre in dieser Konstellation auch deshalb zweckwidrig, weil der Angriff gegen den nur noch formell als Prüfungsgegenstand zu betrachtenden Teil des Schutzrechts keine Mehrkosten zur Folge hat.8)

Für den Gegenstandswert eines Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens ist - ebenso wie für den Wert eines Patentnichtigkeits- oder Einspruchsverfahrens - der gemeine Wert des Schutzrechts zuzüglich entstandener Schadensersatzforderungen maßgeblich.9)

Wenn der Gebrauchsmusterinhaber schon vor Stellung eines Löschungsantrags geänderte Ansprüche eingereicht und erklärt hat, dass sich das Schutzbegehren auf die neuen Ansprüche beschränkt, hat dies in der Regel zur Folge, dass sich der Wert des Schutzrechts verringert.10)

Der Wert eines Gebrauchsmusters wird maßgeblich durch die Möglichkeit bestimmt, Dritte von der Benutzung der geschützten Erfindung auszuschließen und gegen Verletzungen gerichtlich vorzugehen. Diese Möglichkeit wird bereits durch Erklärungen der genannten Art eingeschränkt. Der verbleibende Wert korrespondiert danach in der Regel mit dem Gegenstand, der sich aus den geänderten Ansprüchen ergibt. Wenn sich diese Ansprüche als nicht rechtsbeständig erweisen, ist es deshalb konsequent, die entstandenen Kosten, die in der Regel maßgeblich durch die am Gegenstandswert orientierten Anwaltskosten geprägt werden, in vollem Umfang dem Antragsgegner aufzuerlegen.11)

Hat der Antragsteller es hingegen versäumt, dem Antragsgegner durch entsprechende Aufforderung schon vor der Stellung eines Löschungsantrags die Gelegenheit zu geben, eine rechtliche Auseinandersetzung durch Einreichung geänderter Ansprüche und die Erklärung, dass sich das Schutzbegehren auf die neuen Ansprüche beschränkt, abzuwenden, und kommt es erst nach Stellung des Löschungsantrags zu einer beschränkten Verteidigung und einer damit einhergehenden Wertminderung, ist es demgegenüber konsequent, dem Antragsteller einen entsprechenden Teil der Kosten aufzuerlegen, sofern die Voraussetzungen des § 93 ZPO auch im Übrigen erfüllt sind.12)

siehe auch

§ 17 (4) GebrsMG→ Kosten des Löschungsverfahrens

1)
vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2023 - X ZB 12/20 - Tischgrill
2) , 4) , 5) , 6) , 8) , 10) , 11) , 12)
BGH, Beschluss vom 12. September 2023 - X ZB 12/20 - Tischgrill
3)
BGH, Beschluss vom 12. September 2023 - X ZB 12/20 - Tischgrill; m.V.a. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1997 - X ZB 11/94, BGHZ 137, 60 = GRUR 1998, 910 juris Rn. 37 - Scherbeneis
7)
BGH, Beschluss vom 12. September 2023 - X ZB 12/20 - Tischgrill; m.V.a. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1997 - X ZB 11/94, BGHZ 137, 60 = GRUR 1998, 910, juris Rn. 35 - Scherbeneis
9)
BGH, Beschluss vom 12. September 2023 - X ZB 12/20 - Tischgrill; m.V.a. BGH, Beschluss vom 27. März 2018 - X ZB 3/15, GRUR 2018, 654 Rn. 7 - Ratschenschlüssel II