Als Gebrauchsmuster werden Erfindungen geschützt, die neu sind, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sind.
Das Vorliegen eines erfinderischen Schrittes ist Voraussetzung für die Gebrauchsmusterfähigkeit.
Ob ein erfinderischer Schritt vorliegt, ist kein quantitatives, sondern ein qualitatives Kriterium. Nach dieser Entscheidung ist bei der Beurteilung des „erfinderischen Schritts“ im Gebrauchsmusterrecht derselbe Maßstab anzuwenden wie bei der Beurteilung des Beruhens auf einer „erfinderischen Tätigkeit“ im Sinne von § 1 Abs. 1 PatG. Da nach § 4 PatG eine Erfindung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gilt, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, liegt entsprechend ein „erfinderischer Schritt“ vor, wenn sich die Erfindung, die Gegenstand des Gebrauchsmusters ist, für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.1)
Bei der Beurteilung des erfinderischen Schritts im Gebrauchsmusterrecht handelt es sich (wie bei der erfinderischen Tätigkeit im Patentrecht) um eine Rechtsfrage, die mittels wertender Würdigung der tatsächlichen Umstände zu beurteilen ist, die unmittelbar oder mittelbar geeignet sind, etwas über die Voraussetzungen für das Auffinden der erfindungsgemäßen Lösung auszusagen.2)
Die Beurteilung des erfinderischen Schritts ist im Verfahren der zugelassenen Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren oder nach Erlöschen des Gebrauchsmusters im Verfahren zur Feststellung der Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters nach revisionsrechtlichen Grundsätzen zu überprüfen.3)
Das Kriterium des erfinderischen Schritts im Gebrauchsmusterrecht ist wie das der erfinderischen Tätigkeit im Patentrecht ein qualitatives und nicht etwa ein quantitatives.4) Ein „Maß“ für die erfinderische Leistung existiert nicht.5) Die Wertungskriterien beim Patent und beim Gebrauchsmuster unterscheiden sich lediglich marginal.6)
Was der BGH unter „marginale“ Unterschiede versteht, warum er diese Feststellung in seine Entscheidung mit aufgenommen hat und welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, bleibt wohl unklar. — Dr. Martin Meggle-Freund 28.08.2006 13:33
Für die Beurteilung des erfinderischen Schritts kann bei Berücksichtigung der Unterschiede, die sich daraus ergeben, dass der Stand der Technik im Gebrauchsmusterrecht hinsichtlich mündlicher Beschreibungen und hinsichtlich von Benutzungen außerhalb des Geltungsbereichs des Gebrauchsmustergesetzes in § 3 GebrMG abweichend definiert ist, auf die im Patentrecht entwickelten Grundsätze [→ erfinderischen Tätigkeit] zurückgegriffen werden.7)
Es verbietet sich dabei, Naheliegendes etwa unter dem Gesichtspunkt, dass es der Fachmann nicht bereits auf der Grundlage seines allgemeinen Fachkönnens und bei routinemäßiger Berücksichtigung des Stands der Technik ohne weiteres finden könne, als auf einem erfinderischen Schritt beruhend zu bewerten.8)
Nach überholter Rechtsprechung des BPatG9) und auch nach überwiegender Mehrheit in der Literatur10) genügte für die Schutzfähigkeit eines Gebrauchsmusters eine geringere erfinderische Leistung als für die Erteilung eines Patents nach dem Patentgesetz. Das Bundespatentgericht hat in seiner jüngeren Rechtsprechung wiederholt die Auffassung vertreten, dass für eine Lehre zum technischen Handeln bereits dann Gebrauchsmusterschutz erlangt werden kann, wenn sie für den Fachmann aus dem Stand der Technik nahegelegt ist, dieser sie aber nur nicht bereits auf der Grundlage seines allgemeinen Fachkönnens und bei routinemäßiger Berücksichtigung des Stands der Technik ohne weiteres auffinden könne11).
Allerdings hat der 5. Senat unter neuem Vorsitz festgestellt, daß die in der Vergangenheit in Beschlüssen des 5. Senats gelegentlich vertretene Rechtsauffassung, ein erfinderischer Schritt sei bereits zu bejahen, wenn der Fachmann den Rahmen seines routinemäßigen Handelns überschreitet, in vielen Fällen zu einem nicht überzeugenden Ergebnis führte.12)
Im Beschl. v. 20. Juni 2006 - X ZB 27/05 - Demonstrationsschrank hat der BGH zur Frage nach der Beurteilung des erfinderischen Schritts des Gebrauchsmusters nun Stellung genommen:
Die verschiedenen Ansätze, die erfinderische Leistung im Gebrauchsmusterrecht anders als im Patentrecht zu bemessen, haben allesamt keinen überzeugenden Ansatz aufgezeigt, dass und gegebenenfalls wie von der wertenden Betrachtung wie im Patentrecht über die unterschiedliche Bestimmung des Stands der Technik hinaus abgegangen werden könnte. Von daher ist zunächst das Kriterium des erfinderischen Schritts im Gebrauchsmusterrecht wie das der erfinderischen Tätigkeit im Patentrecht ein qualitatives und nicht etwa ein quantitatives, wie es die nicht selten verwendete Formulierung, das Maß der erfinderischen Leistung sei beim Gebrauchsmuster ein geringeres als im Patentrecht, nahelegen könnte. Ein solches „Maß“ für die erfinderische Leistung existiert nämlich weder hier noch dort.13)
Zudem unterscheiden sich die Wertungskriterien beim Patent und beim Gebrauchsmuster lediglich marginal. Schon von daher erscheint die Annahme, Ausschließlichkeit könne an eine „geringere“ erfinderische Leistung anknüpfen als das Patent, ja sich letztlich sogar auf Naheliegendes gründen, als Systembruch; das Gebrauchsmusterrecht liefe Gefahr, auf diese Weise zum Auffangbecken für nach Patentrecht gerade nicht Schutzfähiges zu werden14). Derartigen Tendenzen vermag der BGH, der bei der Gesetzesauslegung an die seinerzeitige Auffassung der Bundesregierung nicht gebunden ist, nicht beizutreten. Zudem ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung der Bundesregierung15), dass von einer erfinderischen Leistung an sich nicht abgegangen werden sollte. Es verbietet sich aber, Naheliegendes etwa unter dem Gesichtspunkt, dass es der Fachmann nicht bereits auf der Grundlage seines allgemeinen Fachkönnens und bei routinemäßiger Berücksichtigung des Stands der Technik ohne weiteres finden kann 16), als auf einem erfinderischen Schritt beruhend zu bewerten mit der Folge, dass seine Benutzung allein dem Inhaber unter Ausschluss aller anderen am geschäftlichen Verkehr Teilnehmenden vorbehalten wäre. Eine solche Ausdehnung der Rechte ist vor dem Hintergrund der auch verfassungsrechtlich geschützten Handlungsfreiheit Dritter nicht zu rechtfertigen.17)