Missbrauch marktbeherrschender Stellung

Im Kartellrecht bezeichnet der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung das Verhalten eines Unternehmens, das eine dominierende Position auf einem bestimmten Markt innehat und diese Position ausnutzt, um den Wettbewerb zu verzerren oder zu behindern.

Art. 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verbietet den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann.

Art. 102 (1) AEUV → Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung
Untersagt die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt.

Art. 102 (2) AEUV → Beispiele für Missbrauch
Listet spezifische Beispiele für missbräuchliches Verhalten auf, das unter das Verbot fällt.

Nach ständiger Rechtsprechung gehört die Ausübung eines mit einem Recht des geistigen Eigentums verbundenen ausschließlichen Rechts, z.B. des Rechts, eine Verletzungsklage zu erheben, zu den Vorrechten des Inhabers eines Rechts des geistigen Eigentums, so dass sie als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, selbst wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgeht.1)

Die Ausübung eines mit einem Recht des geistigen Eigentums verbundenen ausschließlichen Rechts durch den Inhaber kann aber unter außergewöhnlichen Umständen ein missbräuchliches Verhalten im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen.2)

Aus den Regelungen des Kartellrechts (§ 33 GWB → Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch i.V. mit Art. 102 AEUV [vormals Art. 82 EG], §§ 19, 20 GWB) kann sich ein Anspruch auf Einräumung einer Lizenz an einem Patent ergeben [→ Standard-essentielle Patente ].3)

Das kommt in Betracht, wenn durch eine Industrienorm oder durch ein anderes, wie eine Norm beachtetes Regelwerk eine standardisierte, durch Schutzrechte geschützte Gestaltung von Produkten vorgegeben ist. In einem solchen Fall bildet die Vergabe von Rechten, die potentielle Anbieter erst in die Lage versetzen, auf dem Markt für diese Produkte tätig zu werden, regelmäßig einen eigenen, dem Produktmarkt vorgelagerten Markt. Denn die Erlangung solcher Rechte ist für ein Unternehmen, das der Norm oder dem Standard entsprechende Produkte herstellen oder vertreiben will, unersetzlich.4)

Die sachliche Marktabgrenzung ergibt sich in einem solchen Fall nicht aus dem Umstand, dass der Patentinhaber kraft des ihm verliehenen Ausschließlichkeitsrechts jeden Dritten von der Benutzung der technischen Lehre ausschließen kann. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Benutzung dieser technischen Lehre nicht durch eine andere technische Gestaltung substituierbar ist.5)

siehe auch

AEUV → Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Eines der zentralen Gründungsdokumente der Europäischen Union (EU).

1)
vgl. Einheitspatentgericht, Lokalkammer Mannheim, Urteil vom 22. November 2024, Az. UPC_CFI_210/2023; m.w.N.
2)
Einheitspatentgericht, Lokalkammer Mannheim, Urteil vom 22. November 2024, Az. UPC_CFI_210/2023; m.w.N.
3) , 4)
OLG Karlsruhe Urteil vom 23.3.2011, 6 U 66/09
5)
OLG Karlsruhe Urteil vom 23.3.2011, 6 U 66/09; m.V.a. BGHZ 160, 67 – Standard-Spundfass