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Das vorläufige Tabakgesetz ist mit Wirkung vom 20. Mai 2016 durch das Tabakerzeugnisgesetz (BGBl. I 2016, S. 569) ersetzt worden.
Die bisherigen Verbote der Werbung für Tabak in § 21a Abs. 2 bis 4 und § 22 VTabakG sind nunmehr in § 19 Abs. 2 und 3 sowie § 21 Abs. 1 TabakErzG geregelt, wobei die Definitionen des § 21a Abs. 1 VTabakG jetzt in einer gesonderten Vorschrift über sonstige Begriffsbestimmungen in § 2 TabakErzG enthalten sind. Inhaltliche Änderungen haben sich durch diese Neuregelung nicht ergeben.1)
Das Werbeverbot für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft gemäß § 21a Abs. 4 VTabakG ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG und § 4 Nr. 11 UWG aF. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Vorschrift des § 21a Abs. 3 VTabakG eine Marktverhaltensregelung ist.2)
Für § 21a Abs. 4 VTabakG, der das für die Presse und andere gedruckte Veröffentlichungen geltende Werbeverbot auf Dienste der Informationsgesellschaft erweitert, gilt nichts anderes.3)
Ebenso sind die bestimmte Formen der Tabakwerbung erfassenden Verbote des § 22 Abs. 2 VTabakG Marktverhaltensregelungen.4)
Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 VTabakG ist es verboten, für Tabakerzeugnisse in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung zu werben. Gemäß Absatz 4 dieser Vorschrift gilt dieses Verbot entsprechend für die Werbung für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft. Diese Regelungen setzen Art. 3 der Richtlinie 2003/33/EG vom 26. Mai 2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen (ABl. 2003 L 152, S. 6) in das deutsche Recht um. Nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/33/EG ist Werbung, die in der Presse und anderen gedruckten Veröffentlichungen nicht erlaubt ist, in Diensten der Informationsgesellschaft ebenfalls nicht gestattet.
§ 21a Abs. 1 Nr. 3 VTabakG verweist für die Definition des Begriffs „Dienste der Informationsgesellschaft“ auf Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2003/33/EG, der wiederum auf Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 1998 L 204, S. 37, geändert durch die Richtlinie 98/48/EG, ABl. 1998 L 217, S. 18) Bezug nimmt. Danach ist eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Diese Definition findet sich unverändert auch in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 2015 L 241, S. 1). Diese unionsrechtliche Definition des Begriffs „Dienste der Informationsgesellschaft“ wird in den Erwägungsgründen 17 und 18 der Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“, ABl. 2000 L 178, S. 1), erläutert. Gemäß Erwägungsgrund 17 dieser Richtlinie umfasst die Definition alle Dienstleistungen, die in der Regel gegen Entgelt im Fernabsatz mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten auf individuellen Abruf eines Empfängers erbracht werden. Nach Erwägungsgrund 18 erstrecken sich die Dienste der Informationsgesellschaft, soweit es sich überhaupt um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, auch auf Dienste, die nicht von denjenigen vergütet werden, die sie empfangen, wie etwa Online-Informationsdienste oder kommerzielle Kommunikation.5)
Nach der unionsrechtlichen Definition in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 handelt es sich bei einem Dienst der Informationsgesellschaft um eine in bestimmter Weise elektronisch erbrachte Dienstleistung. Der Begriff „Dienstleistung“ impliziert, dass es sich um Leistungen handelt, die normalerweise gegen Entgelt, also für eine wirtschaftliche Gegenleistung, erbracht werden6). Allerdings können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch Leistungen wirtschaftlicher Art, die unentgeltlich erbracht werden, ein „Dienst der Informationsgesellschaft“ sein. Die Vergütung für einen Dienst, den ein Anbieter im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt, wird nicht notwendig von denjenigen bezahlt, denen der Dienst zugutekommt. Das ist insbesondere der Fall, wenn eine unentgeltliche Leistung - etwa der Zugang zu einem WLAN-Netz - von einem Anbieter zu Werbezwecken für die von ihm angebotenen Güter oder Dienstleistungen erbracht wird, da die Kosten dieser Tätigkeit dann in den Verkaufspreis dieser Güter und Dienstleistungen einbezogen werden.7)
Danach kann Online-Werbung einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie 2000/31/EG darstellen. Ferner ergibt sich aus Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2000/31/EG, dass der Begriff „kommerzielle Kommunikation“ unter anderem alle Formen der Kommunikation abdeckt, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen einer natürlichen oder juristischen Person dienen, die eine unternehmerische Tätigkeit ausübt. Nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union folgt daraus, dass Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung über eine Website, die von einem selbständigen Zahnarzt erstellt wurde, eine kommerzielle Kommunikation ist, die einen Dienst der Informationsgesellschaft darstellt oder Bestandteil eines solchen Dienstes ist (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2017 - C-339/15, GRUR 2017, 627 Rn. 37 bis 39 = WRP 2017, 670 - Luc Vandenborght).
Danach besteht die Bedeutung der Beschränkung des Dienstleistungsbegriffs auf „in der Regel“ entgeltliche Leistungen entgegen der überwiegenden Meinung im deutschen Schrifttum nicht darin, auch Leistungen zu erfassen, die zwar typischerweise gegen Entgelt, aber gelegentlich - etwa aus Gefälligkeit - unentgeltlich erbracht werden (Streinz/Leible in Schlachter/Ohler, Europäische Dienstleistungsrichtlinie, 2008, Art. 4 Rn. 2; Kluth in Calliess/ Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. Art. 57 AEUV Rn. 13; Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl., Art. 56 AEUV Rn. 19; Roth in Dauses/Ludwigs, EUWirtschaftsrecht, EL 41, E I Rn. 131; Seyr in Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 6. Aufl., Art. 56/57 AEUV Rn. 12). Die Formulierung „in der Regel“ soll auch nicht klarstellen, dass eine Dienstleistung nur vorliegt, wenn über den Einzelfall hinaus eine entsprechende Leistung generell vergütet wird (so aber Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 61. EL, AEUV Art. 57 Rn. 47).8)
Schließlich bedeutet das Tatbestandsmerkmal „in der Regel gegen Entgelt“ nicht, dass die Dienstleistung im Regelfall gegen eine Leistung in Geld erfolgen muss, jedoch ausnahmsweise andere Gegenleistun- gen wie der unmittelbare Austausch gegen andere Waren oder andere Dienstleistungen oder die Verrechnung mit Forderungen möglich sind oder dass es unschädlich ist, wenn nur bestimmte Personengruppen bezahlen müssen.9)
Diese in der Literatur erwogenen Auslegungsmöglichkeiten sind mit der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache „Luc Vandenborght“ unvereinbar. Danach stellt die Website eines Unternehmens, auf der für dessen Produkte oder Dienstleistungen geworben wird, einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie 2000/31/EG dar, auch wenn der Werbeadressat für den Aufruf dieser Internetseite in aller Regel kein Entgelt zahlt, und die Werbeleistung auch von keinem Dritten vergütet wird10). Die beanstandete Startseite des Internetauftritts der Beklagten ist danach eine vom unionsrechtlichen Begriff der Dienstleistung erfasste kommerzielle Kommunikation und damit ein Dienst der Informationsgesellschaft.11)
Da § 21a Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 und 2 und Abs. 4 VTabakG inhaltlich § 19 Abs. 2 und 3 TabakErzG entspricht und ein Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne von § 2 Nr. 8 TabakErzG vorliegt, folgt das Verbot nach Inkrafttreten des Gesetzes über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse nunmehr ebenfalls aus diesen Vorschriften.12)
Nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a VTabakG ist es unter anderem verboten, in der Werbung für Tabakerzeugnisse Darstellungen zu verwenden, durch die der Eindruck erweckt wird, dass der Genuss von Tabakerzeugnissen gesundheitlich unbedenklich oder geeignet ist, die Funktion des Körpers, die Leistungsfähigkeit oder das Wohlbefinden günstig zu beeinflussen.13)
Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c VTabakG ist es verboten, in der Werbung für Tabakerzeugnisse unter anderem Darstellungen zu verwenden, die das Inhalieren des Tabakrauchs als nachahmenswert erscheinen lassen.14)
TabakerzG → Tabakerzeugnisgesetz
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