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wettbewerbsrecht:novel-food-verordnung

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Novel-Food-Verordnung

Novel-Food-Verordnung: Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten vom 27. Januar 1997.1)

Wettbewerbsrechtliche Relevanz der Novel-Food-Verordnung

Der Vertrieb eines Erzeugnisses, das in den Anwendungsbereich der Novel-Food-Verordnung fällt, ohne die nach dieser Verordnung erforderliche Genehmigung (vgl. Art. 3 Abs. 2, Art. 4 der Novel-Food-Verordnung) stellt ein gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG und auch im Jahr 2003 schon gemäß § 1 UWG a.F. unlauteres und unzulässiges Wettbewerbsverhalten dar.2)

Die genannten lebensmittelrechtlichen Bestimmungen regeln das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer, weil sie gemäß der Zweiten Begründungserwägung der Novel-Food-Verord-nung dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher dienen.3)

Ihre Verletzung stellt aus diesem Grund auch keinen Bagatellverstoß i.S. von § 3 UWG a.E. dar.4)

Verwendung in noch nicht nennenswertem Umfang

Nach ihrem Art. 1 Abs. 2 findet die Novel-Food-Verordnung auf das Inverkehrbringen von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten in der Gemeinschaft Anwendung, die in dieser bisher noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und in eine der in Art. 1 Abs. 2 lit. a bis f aufgeführten Gruppen von Erzeugnissen fallen.5)

Ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat wurde in der Gemeinschaft dann noch nicht i.S. des Art. 1 Abs. 2 der Novel-Food-Verordnung in nennenswertem Umfang verwendet, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls feststeht, dass das Mittel oder die Zutat vor dem 15. Mai 1997 in keinem Mitgliedstaat in erheblicher Menge für den menschlichen Verzehr verwendet wurde.6)

Die Darlegungs- und Beweislast desjenigen, der das Fehlen einer solchen Verwendung behauptet, wird dadurch gemildert, dass den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast für das Vorliegen einer solchen Verwendung trifft.7)

NLV § 3 Abs. 1 und 2

Nach Art. 1 Abs. 2 Novel-Food-Verordnung sind Lebensmittel und Lebensmittelzutaten als neuartig anzusehen und fallen in den Anwendungsbereich der Novel-Food-Verordnung, wenn sie in der Europäischen Union noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden sind. Abzustellen ist dabei auf alle Merkmale des in Rede stehenden Lebensmittels und des hierfür verwendeten Herstellungsvorgangs.8)

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat in der Union bisher noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden ist, muss auf die Verhältnisse am 15. Mai 1997 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novel-Food-Verordnung - abgestellt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - C-211/03 und andere, Slg. 2005, I-5141 = WRP 2005, 863 Rn. 87 - HLH Warenvertrieb und Orthica). Dabei ist eine Prüfung anhand aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.9)

Bei der Prüfung, ob es sich bei einem aus dem Trockenextrakt einer Pflanzenwurzel bestehenden Nahrungsergänzungsmittel um ein neuartiges Lebensmittel oder eine neuartige Lebensmittelzutat im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten vom 27. Januar 199710) handelt, ist darauf abzustellen, ob entsprechende Nahrungsergänzungsmittel vor dem 15. Mai 1997 in der Gemeinschaft in erheblicher Menge für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Es kommt nicht darauf an, ob ein nennenswerter Verzehr der Pflanze oder von Produkten, die die Pflanze enthalten, erfolgt ist.11)

Ist ein Nahrungsergänzungsmittel im Novel-Food-Katalog der Europäischen Kommission mit dem Status „FS“ eingetragen, stellt dies ein die Gerichte nicht bindendes Indiz dafür dar, dass es sich nicht um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Novel-FoodVerordnung handelt.12)

Hat der Kläger im Rahmen seiner primären Darlegungslast Veröffentlichungen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass ein Nahrungsergänzungsmittel als neuartiges Lebensmittel anzusehen ist, genügt der Beklagte allein mit der Berufung auf die Indizwirkung des Eintrags im Novel-Food-Katalog mit dem Status „FS“ seiner ihm im Hinblick auf die fehlende Neuartigkeit des Produkts obliegenden sekundären Darlegungslast nicht.13)

siehe auch

1)
ABl. Nr. L 43 vom 14.2.1997, S. 1, zuletzt geändert durch die Verordnung [EG] Nr. 1882/2003 vom 29.9.2003 [ABl. Nr. L 284 vom 31.10.2003, S. 1]
2) , 5) , 7)
BGH, Urt. v. 22. November 2007 - I ZR 77/05 - Fruchtextrakt
3)
BGH, Urt. v. 22. November 2007 - I ZR 77/05 - Fruchtextrakt; m.V.a. OLG Braunschweig ZLR 2006, 453, 457; OLG Hamm, Urt. v. 27.3.2007 - 4 U 7/07, juris Tz. 31; LG Saarbrücken LMuR 2007, 68, 69; Harte/Henning/v. Jagow, UWG, § 4 Nr. 11 Rdn. 101; Bruggmann, LMuR 2007, 52, 54
4)
BGH, Urt. v. 22. November 2007 - I ZR 77/05 - Fruchtextrakt; m.V.a. BGHZ 163, 265, 274 - Atemtest; OLG Hamm aaO Tz. 32
6)
BGH, Urt. v. 22. November 2007 - I ZR 77/05 - Fruchtextrakt; im Anschluss an EuGH Slg. 2005, I-5141 - HLH Warenvertrieb und Orthica
8)
BGH, Urteil vom 16. April 2015 - I ZR 27/14 - Bohnengewächsextrakt; m.V.a. EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - C-383/07, Slg 2009, I-115 = ZLR 2009, 233 Rn. 26 ff. - M-K Europa
9)
BGH, Urteil vom 16. April 2015 - I ZR 27/14 - Bohnengewächsextrakt; m.V.a. EuGH, WRP 2005, 863 Rn. 83-85, HLH Warenvertrieb und Orthica; BGH, Urteil vom 4. Dezember 2008 - I ZR 100/06, GRUR 2009, 413 Rn. 30 = WRP 2009, 300 - Erfokol-Kapseln
10)
ABl. Nr. L 43 vom 14. Februar 1997, S. 1, zuletzt geändert durch die Verordnung [EG] Nr. 596/2009 vom 18. Juni 2009 [ABl. Nr. L 188 vom 18. Juli 2009, S. 14] - Novel-Food-Verordnung
11) , 12) , 13)
BGH, Urteil vom 16. April 2015 - I ZR 27/14 - Bohnengewächsextrakt
wettbewerbsrecht/novel-food-verordnung.txt · Zuletzt geändert: 2024/09/12 08:53 von 127.0.0.1