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(1) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.
(2) Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig.
Nach Art. 27 Abs. 1 Brüssel-I-VO setzt, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden, das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Der Streitgegenstandsbegriff des Art. 27 Brüssel-I-VO ist nicht nach dem Prozessrecht der jeweiligen, in verschiedenen Mitgliedstaaten angerufenen Gerichte, sondern unionsrechtsautonom auszulegen.1)
Durch Art. 27 Brüssel-I-VO [= EUGVVO] sollen im Interesse einer geordneten Rechtspflege soweit wie möglich Parallelprozesse vor Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten vermieden werden, in denen Entscheidungen ergehen können, die miteinander „unvereinbar“ im Sinne von Art. 34 Nr. 3 Brüssel-I-VO sind und deshalb im jeweils anderen Staat nicht anerkannt werden.2)
Für die Unvereinbarkeit zweier Entscheidungen im Sinne von Art. 34 Nr. 3 Brüssel-I-VO und die Frage, ob in zwei Prozessen derselbe Anspruch anhängig ist, kommt es nicht auf die formale Identität der Klagen, sondern darauf an, ob der Kernpunkt der Klagen derselbe ist.3)
Bei der danach gebotenen weiten Auslegung des Tatbestandsmerkmals „desselben Anspruchs“ im Sinne von Art. 27 Brüssel-I-VO sind das jeweilige Klagebegehren in den Rechtsstreitigkeiten und der Sachverhalt sowie die Rechtsvorschriften, auf die die Klagen gestützt werden, zu berücksichtigen.4)
Die Auslegung des Begriffs „derselbe Anspruch“ in Art. 21 EuGVÜ und Art. 27 Brüssel-I-VO hat sich daran zu orientieren, dass soweit wie möglich Parallelprozesse vor Gerichten verschiedener Vertragsstaaten vermieden werden, in denen Entscheidungen ergehen können, die miteinander „unvereinbar“ im Sinne von Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ und Art. 34 Nr. 3 Brüssel-I-VO sind und deshalb in dem jeweils anderen Staat nicht anerkannt werden.5)
Für die Unvereinbarkeit zweier Entscheidungen im Sinne des Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ und Art. 34 Nr. 3 Brüssel-I-VO und die Beurteilung, ob in zwei Prozessen derselbe Anspruch verfolgt wird, kommt es deshalb nicht auf die „formale Identität“ der Klagen, sondern darauf an, ob der „Kernpunkt“ beider Rechtsstreitigkeiten derselbe ist.6)
Zur Klärung der Frage, ob eine solche Unvereinbarkeit vorliegt, ist zu prüfen, ob die betreffenden Entscheidungen Rechtsfolgen haben, die sich gegenseitig ausschließen.7)
Verfolgt der Kläger in getrennten Klagen vor den Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten territorial begrenzten Rechtsschutz aus unterschiedlichen Geschmacksmustern, liegt nicht derselbe Anspruch im Sinne von Art. 27 BrüsselIVO vor.8)
Die Auslegung des Begriffs „derselbe Anspruch“ hat autonom unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Verordnung zu erfolgen und sich dementsprechend daran zu orientieren, dass soweit wie möglich Parallelprozesse vor Gerichten verschiedener Vertragsstaaten vermieden werden, in denen Entscheidungen ergehen können, die miteinander „unvereinbar“ im Sinne von Art. 34 Nr. 3 EuGVVO sind und deshalb in dem jeweils anderen Staat nicht anerkannt werden.9)
Die Verschiedenheit der Ansprüche im Sinne von Art. 27 Brüssel-I-VO folgt im Falle eines nationalen Geschmacksmusterrechts aus dem Territorialitätsprinzip, nach dem sich der Schutzbereich eines nationalen Geschmacksmusters auf das jeweilige Schutzland beschränkt.10)
Im Hinblick auf die unterschiedliche Schutzländer betreffenden Geschmacksmuster besteht auch nicht die Gefahr, dass die Entscheidungen in den beiden in Rede stehenden Klageverfahren „unvereinbar“ im Sinne von Art. 34 Nr. 3 Brüssel-I-VO sind und im jeweils anderen Staat nicht anerkannt werden.11)
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