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Ein Werk ist erschienen, wenn mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke des Werkes nach ihrer Herstellung in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind.
Ein Werk der bildenden Künste gilt auch dann als erschienen, wenn das Original oder ein Vervielfältigungsstück des Werkes mit Zustimmung des Berechtigten bleibend der Öffentlichkeit zugänglich ist.
Das Erscheinen des Werkes ist abzugrenzen von der Veröffentlichung des Werkes nach § 6 (1) UrhG.
Das Erscheinen eines Werkes spielt beispielsweise im Hinblick auf den Schutz nachgelassener Werke eine Rolle.
Wesentlich für das Erscheinen eines Werkes ist es, dass es der Öffentlichkeit in verkörperter Form zugänglich gemacht wird, was eine größere Breitenwirkung des Werkes bewirkt.1)
Nach allgemeiner Meinung spielt es für die Definition des § 6 II Satz 1 UrhG keine Rolle, auf welche Weise die Werkverkörperungen zustande gekommen sind. Geeignete Vervielfältigungsstücke gem. § 16 UrhG sind nicht nur gedruckte Werkexemplare von Schrift-, Kunst- oder Musikwerken, sondern Werkverkörperungen jeder Art, wie beispielsweise Radierungen, Kunstdrucke, Schallplatten, Filmkopien, Abzüge von Fotografien.2)
Unter diese Definition fallen auch Vervielfältigungstücke eines Werkes, die durch Abschreiben hergestellt worden sind, mag dieser Art der Fertigung heute angesichts der hohen Kosten menschlicher Arbeit und der meist benötigten höheren Zahl von Vervielfältigungsstücken auch keine praktische Bedeutung mehr zukommen.3)
Angesichts des klaren Wortlauts des § 16 I UrhG ist es jedenfalls nicht möglich, handschriftlich gefertigte Abschriften vom Begriff der „Vervielfältigungsstücke“ in § 6 II Satz 1 UrhG auszunehmen, obwohl der in der Vorschrift für das Urheberrecht definierte Begriff des „Erscheinen“ ursprünglich aus dem Verlagsbuchhandel stammt, wo er sich auf die Herausgabe des Werkes in gedruckten Exemplaren bezieht4)
Es soll aber nicht unausgesprochen bleiben, dass mit der Hinnahme handschriftlicher Abschriften als Grundlage eines früheren Erscheinens von Werken gerade auch die erstmalige gedruckte Ausgabe von in der Antike und im Mittelalter nur durch Handschriften verbreiteter Literatur kein Leistungsschutzrecht gem. § 71 UrhG nach sich zieht. Hinsichtlich der großen Literatur der Antike und des Mittelalters ist ohne Weiteres anzunehmen, dass sie vor der Erfindung des Buchdrucks durch die Verbreitung von Handschriften unter Berücksichtigung der hier nicht näher zu untersuchenden Umstände der damaligen Literaturveröffentlichung i.S. des jetzigen § 6 II Satz 1 UrhG erschienen ist. Ein beträchtlicher Teil der Literatur der Antike ist heute verloren, ihre Existenz aber durch andere Quellen überliefert und ihr Erscheinen aus der Überlieferung sicher zu erschließen. So unterliegt es zum Beispiel keinem Zweifel, dass das Geschichtswerk „Ab urbe condita“ des Titus Livius in der Antike mit seinen 142 Büchern erschienen ist und nicht nur mit den heute erhaltenen 35. Damit führt § 71 UrhG gerade nicht die Privilegien fort, die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts vor allem zur Förderung gedruckter Ausgaben alter Texte gewährt worden sind und die die Vorläufer der heutigen Urheberrechtsordnungen bilden. Eine Vielzahl der uns heute bekannten Privilegien hatte nicht der Belohnung geistigen Schaffens, sondern der Belohnung einer Entdeckung oder Neuherausgabe alter Texte und deren Drucklegung gegolten.5)
Nach Abs. 2 S. 1 ist ein Werk dann erschienen, wenn Vervielfältigungsstücke des Werks, also körperliche Festlegungen, die geeignet sind, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen, nach ihrer Herstellung mit Zustimmung des Berechtigten in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind.6)
Rechtsprechung und Literatur interpretieren den Begriff „bleibend“ dahingehend, dass Werke nur dann bleibend der Öffentlichkeit zugänglich sind, wenn der Verfügungsberechtigte nicht den Willen hat, sie wieder fort zu schaffen oder aufgrund der Art des Werkes eine willensabhängige Beständigkeit von vornherein ausgeschlossen ist (z. B. Pflastermalerei, Eisskulpturen).7)
Die leihweise Überlassung an Galerien und Museen stellt selbst dann, wenn sie wiederholt geschieht, kein Erscheinen im Sinne des § 6 II UrhG dar.8)
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