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Der vom Bundesgerichtshof einer Verwertungsgesellschaft zugebilligte weitergehende Anspruch auf sogenannte Grundauskunft, der nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausnahmsweise auch dann bestehen kann, wenn der Kläger in entschuldbarer Weise nicht nur über den Umfang, sondern auch über das Bestehen seines Rechts im Ungewissen ist 1), liegt in den Besonderheiten begründet, die die Rechtsdurchsetzung durch Verwertungsgesellschaften kennzeichnen. Eine entsprechende Anwendung zugunsten von Rechtsinhabern, die über eine große Anzahl an gleichartige Werke betreffenden Rechten verfügen, von denen nachweisbar mehrere Werke von dem Verletzer unerlaubt verwendet worden sind, kommt nicht in Betracht.2)
Voraussetzung ist allerdings, dass zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten eine besondere rechtliche Beziehung besteht, wobei ein gesetzliches Schuldverhältnis, zum Beispiel aus unerlaubter Handlung, genügt.3)
Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist zu prüfen, ob die Belange des Rechtsinhabers ohne die Zubilligung der verlangten Auskunft nicht wirksam gewahrt werden können.4)
Ausgangspunkt der Zubilligung eines aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleiteten Anspruchs auf Auskunft ist die Überlegung, dass es das Wesen bestimmter Rechtsverhältnisse mit sich bringt, dass der Berechtigte entschuldbar über das Bestehen und den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, während der Verpflichtete die Auskunft unschwer erteilen kann.5)
Im Falle der Verwertungsgesellschaft GEMA beruht die Anerkennung eines Anspruchs auf Grundauskunft nicht auf der großen Anzahl der von ihr wahrgenommenen Rechte. Diese ist vielmehr der Grund für die sogenannte GEMA-Vermutung, nämlich die tatsächliche Vermutung der Wahrnehmungsbefugnis der GEMA.6)
Die Zubilligung eines Anspruchs auf Grundauskunft liegt hingegen im Wesen des Systems der Wahrnehmung von Urheberrechten durch Verwertungsgesellschaften begründet, das dadurch geprägt ist, dass die GEMA als Verwertungsgesellschaft die Interessen der ihr angeschlossenen Urheber wahrt7) und die Urheberrechte lediglich treuhänderisch innehat.8)
Die Verwertungsgesellschaft ist verpflichtet, diese treuhänderisch übertragenen Urheberrechte durchzusetzen und Verstöße hiergegen zu verfolgen9), zugleich ist es für sie jedoch wegen der Masse und Vielfalt der ihr übertragenen Urheberrechte, die sie aufgrund des Wahrnehmungszwangs (§ 6 UrhWG, § 9 VGG) nicht beeinflussen kann, schwieriger als für andere Urheber, Verletzungen der von ihr wahrgenommenen Urheberrechte aufzudecken10).11) Ohne eine Erleichterung bei der Rechtswahrung könnte die GEMA die Belange der ihr angeschlossenen Urheber nicht wirksam wahrnehmen.12)
Soweit der Senat im Fall „Restwertbörse I“ den Auskunftsanspruch auch auf andere Schutzrechte, deren Verletzung nicht festgestellt war, erstreckt hat, lagen Besonderheiten im Wesen des maßgeblichen, durch ein jahrelanges enges Näheverhältnis geprägten Rechtsverhältnisses zugrunde, die im Rahmen der nach den Grundsätzen von Treu und Glauben vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen waren und nach denen zudem die Gefahr ausgeschlossen war, dass die Gewährung eines auf die Verletzung anderer Schutzrechte gerichteten Auskunftsanspruchs darauf hinauslief, einen rechtlich nicht bestehenden allgemeinen Auskunftsanspruch anzuerkennen und der Ausforschung unter Vernachlässigung allgemein gültiger Beweisregeln Tür und Tor zu öffnen.13)
§ 101 UrhG → Auskunftsanspruch
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