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§ 12 (1) PatG → Vorbenutzungsrecht
Erfindungsbesitz liegt vor, wenn der Begünstigte bei Vornahme der Benutzungshandlung oder der Veranstaltung hierzu den Erfindungsgedanken der später zum Patent angemeldeten Erfindung erkannt hat. Dabei muss der Vorbenutzer den Erfindungsgedanken derart erkannt haben, dass ihm die tatsächliche Ausführung der Erfindung möglich gewesen ist. Der Vorbenutzer muss Ursache und Wirkung der technischen Mittel erkannt haben. Ein technisches Handeln, das über das Studium von Versuchen noch nicht hinausgegangen ist und noch nicht zu einer planmäßiges Handeln ermöglichenden Erkenntnis seiner Wirkung geführt hat, begründet keinen Erfindungsbesitz und kein Vorbenutzungsrecht. Der Erfindungsgedanke muss vielmehr subjektiv erkannt und die Erfindung objektiv fertig sein.1)
Der Erfindungsbesitz muss nicht originär beim Vorbenutzer (Doppelerfindung) entstanden sein, sondern es genügt jede Art der Kenntniserlangung von einem Dritten, insbesondere auch vom Patentinhaber (arg. § 12 Abs. 1 S. 4 PatG).
Da die Regelung des § 12 PatG auf Billigkeitsgesichtspunkten (Besitzschutz) beruht, ist „Redlichkeit„ ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal (teleologische Auslegung des § 12 PatG: Die Vorschrift dient dem Besitzstandsschutz und setzt - wie alle Tatbestände, die Besitzstand schützen sollen - Redlichkeit voraus.)
Ist der Erfindungsbesitz vom Patentinhaber im Wege der widerrechtlichen Entnahme (vgl. § 8 PatG) erlangt, so liegt Unredlichkeit vor2). Unredlichkeit liegt auch vor, wenn der Vorbenutzer seinen Erfindungsbesitz von einem Dritten ableitet und Erkenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Unredlichkeit des Dritten hat3). Unredlichkeit liegt schließlich auch vor, wenn dem Vorbenutzer bekannt ist, dass ein ausländisches Schutzrecht/Schutzrechtsanmeldung existiert und Grund zu der Annahme besteht, dass auch im Inland unter Inanspruchnahme der ausländischen Priorität um ein Schutzrecht nachgesucht wird.4)
Die Beweislast für die Unredlichkeit des Erfindungsbesitzes liegt beim Patentinhaber.5)
Als Veranstaltungen zur Betätigung des Erfindungsbesitzes kommen neben technischen Maßnahmen, welche die Benutzung technisch vorbereiten und den Zweck haben, die Erfindung zur Ausführung zu bringen, auch Maßnahmen nicht technischer Art in Betracht. Es müssen jedoch zwei Voraussetzungen vorliegen, um das im Gesetz vorgeschriebene Erfordernis der zur Benutzung erforderlichen Veranstaltungen zu erfüllen. Zunächst müssen Veranstaltungen im Inland vorliegen, die bestimmt sind, die Erfindung im Wesentlichen auszuführen6). Darüber hinaus ist es erforderlich, dass diese Handlungen den ernstlichen Willen erkennen lassen, die Erfindung alsbald zu benutzen7).8)
Nach der Rechtsprechung muss die Benutzungshandlung die Ernsthaftigkeit des gewerblichen Nutzungswillens umsetzen. Daran fehlt es regelmäßig bei der Herstellung eines noch zu testenden Prototypen.9)
Benutzung im Sinne des § 12 PatG sind alle in § 9 PatG beschriebenen Handlungen; insbesondere genügt auch die mittelbare Benutzung § 10 PatG.10)
Die Benutzungshandlungen sind untereinander gleichwertig; jede Benutzungshandlung begründet ein Vorbenutzungsrecht.
Herstellung eines (verkaufsreifen) Prototyps
Inverkehrbringen
Eine Benutzung liegt auch vor beim Anbieten erst später zu importierender Gegenstände im Inland oder auch im Falle eines erfolglosen mündlichen Einzelangebots.11)
Strittig ist, ob auch die einmalige Anfertigung eines nicht verkäuflichen Funktionsmodells für die Bejahung der Benutzungsveranstaltungen ausreicht.12)
Veranstaltungen im Sinne des § 12 PatG sind alle Maßnahmen, die objektiv der bestimmungsgemäßen Ausführung dienen und subjektiv den Willen zur alsbaldigen Benutzungsaufnahme erkennen lassen.13)
Eine Veranstaltung liegt vor bei Herstellung von Werkstattzeichnungen.14)
Eine Veranstaltung liegt auch vor bei der Anschaffung einer Gussform, d.h. der Herrichtung von Anlagen zur Durchführung des Verfahrens.15)
Eine Veranstaltung liegt hingegen nicht vor bei Abschluss eines Lieferungsvertrages, wenn der Vorbenutzer zur alsbaldigen Herstellung und Lieferung der Ware nicht in der Lage ist.16)
Keine Veranstaltung ist die Anmeldung eines Schutzrechts.17)
Eine Veranstaltung liegt nicht vor bei Laborversuchen oder in sonstigen Versuchen, die erst Aufschluss über die Ausführbarkeit und technische Brauchbarkeit bringen sollen.18)
Allerdings stellen Versuche, die nach Erkennen der Erfindung eine bevorzugte Ausführungsform testen, Veranstaltungen dar.19)
Benutzung und Veranstaltungen müssen im Eigeninteresse erfolgen; d.h. die Ausübung darf nicht lediglich nur für einen Anderen - etwa im Wege einer Auftragsherstellung - erfolgen.
Es genügt aber, wenn die Benutzungshandlung im Interesse eines Dritten und im eigenen Interesse erfolgt.20)
Strittig ist, ob der Erfindungsbesitz vom Vorbenutzer gewerblich betätigt werden muss.
Bei Benutzung in der Literatur streitig: Gewerbsmäßigkeit erforderlich: Busse § 12 Rdnr 24, Schulte § 12 Rdnr 12 (= hM); Gewerbsmäßigkeit nicht erforderlich: Mes § 12 Rdnr 13.
Nach der Rechtsprechung wird für Veranstaltungen eine gewerbliche Benutzung gefordert.21) Ob dies auch für eine Benutzung gilt, ist mangels Rechtsprechung offen.
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Betätigung des Erfindungsbesitzes muss vor dem Anmeldetag oder - wenn eine Priorität gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 in Anspruch genommen wird - vor dem Prioritätstag liegen (Tag ist kleinste Zeiteinheit).
Die Benutzung muss bis zum Anmelde-/Prioritätstag nicht fortgesetzt werden. Ein Vorbenutzungsrecht erlischt allerdings, wenn die Handlungen vor dem Anmelde-/Prioritätstag aus freien Stücken endgültig oder für eine unbestimmte Zeit aufgegeben werden.22) Unterbrechungen schaden allerdings nicht .23)
Veranstaltungen müssen bis zum Anmelde-/Prioritätstag fortdauern.24)
Die Benutzung oder die Veranstaltungen müssen im Inland ausgeübt worden sein.
Die Wirkungen beschränken sich daher auch auf das Inland.
Nichtausübung des Vorbenutzungsrechts führt nicht ohne weiteres zu dessen Erlöschen, es erlischt nur durch endgültige Aufgabe der Benutzung oder Einstellung der Veranstaltungen. Ein Erlöschen liegt daher bei Betriebsaufgabe oder Verzicht auf das Vorbenutzungsrecht vor.25)
Unbillige Ergebnisse werden über Verwirkung vermieden.26)
§ 12 (1) PatG → Vorbenutzungsrecht
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