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Das Nichterscheinen eines Beteiligten in der mündlichen Verhandlung hindert eine Entscheidung nicht. Ein „Säumnisurteil“ wie in der ZPO findet aufgrund des vorherrschenden Amtsermittlungsgrundsatz keine Anwendung. Dies folgt unmittelbar aus § 89 II PatG.
Unterschiede zwischen dem deutschen und europäischen Einspruchsverfahren
(diese List erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sichert aber das Überleben im entsprechenden „Besinnungsaufsatz„)
1. Zur Zulässigkeit des Einspruchs:
a. Rechtsschutzinteresse: Grundsätzlich ist für den Einspruch gegen eine bestehendes Patent weder vor dem DPMA noch vor dem EPA ein besonderes Rechtsschutzinteresse notwendig.
Anders ist dies, wenn das Patent (beispielsweise durch Verzicht) erloschen ist. Dann ist vor dem DPMA/BPatG eine Fortsetzung nur möglich, wenn Einsprechender ein besonderes Rechtsschutzinteresse nachweist (z.B: paralleler Verletzungsprozess).
Vor dem EPA ist dagegen nach Art. 99 III auch ohne jegliches Rechtsschutzinteresse ein Einspruch gegen ein erloschenes Patent möglich.
b. Unzulässigkeit des Einspruchs wegen einer Nichtangriffsabrede:
Vor dem DPMA ist in Angleichung zum Nichtigkeitsverfahren eine Nichtangriffsabrede (die nach § 17 II Nr. 3 GWB auch kartellrechtlich zulässig ist) ein Grund für die Unzulässigkeit eines Einspruchs (so Benkard und Schulte, Busse stänkert dagegen).
Vor dem EPA ist eine Nichtangriffsabrede (die kartellrechtlich einer Einzelfreistellung nach Art. 81 III EGV bedarf) unbeachtlich; sie kann nur national durch eine Einspruchsverbietungsklage durchgesetzt werden.
c. Die Zulässigkeit des Einspruchs verlangt vor dem DPMA zwingend die Unterschrift des Einsprechenden innerhalb der Einspruchsfrist (§ 59 : „der Einspruch ist schriftlich zu erklären“, § 126 BGB).
Vor dem EPA kann die nach R 61a i.V.m. R 36 III erforderliche Unterschrift auch noch nach Ablauf der Einspruchsfrist nachgeholt werden.
2. Zur Begründetheit des Einspruchs
a. Widerrechtliche Entnahme ist gemäß § 21 I Nr. 3 Einspruchsgrund vor dem DPMA; NICHT vor dem EPA (nicht in der abschließenden Aufzählung in Art. 100 enthalten).
b. Die Einspruchsgründe sind unterschiedlich definiert. Vor dem DPMA ist jeweils eine Nr. aus § 21 I ein Einspruchsgrund, während vor dem EPA Neuheit, erfinderische Tätigkeit, gewerbliche Anwendbarkeit etc. jeweils unabhängige Einspruchsgründe darstellen.
Dies ist relevant, wenn die Einspruchsgründe im Laufe des Verfahrens erweitert oder gewechselt werden: Vor dem DPMA muß ein nachträglich vorgebrachter oder vom DPMA selbst festgestellter Einspruchsgrund wegen des uneingeschränkt geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes aufgegriffen werden. Vor dem BPatG gilt dies nicht, da das Einspruchsbeschwerdeverfahren auf den Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens festgelegt ist (Al-trihydroxid). Der Wechsel von Neuheit zu erfinderischer Tätigkeit ist jedoch jederzeit möglich, da es sich nach deutscher Lesart um ein und denselben Einspruchsgrund handelt.
Vor dem EPA ist in der 1. Instanz ein Wechsel des - anders definierten Einspruchsgrunds - nur möglich, wenn der neue Einspruchsgrund prima facie hochrelevant ist. In der zweiten Instanz kommt als zusätzliche Anforderung die Zustimmung des Patentinhabers dazu.
Sowohl vor dem BPatG und dem EPA kann alles - nicht nur die gesetzlichen Widerrufsgründe - geprüft werden, wenn eine neuer Anspruch überreicht wird (in DE: „Polymermasse„).
c. Stand der Technik für die Neuheitsprüfung ist für ein deutsches Patent nach § 3 II PatG auch eine nachveröffentlichte nationale Patentanmeldung. Für ein Europäisches Patent im Einspruchsverfahren ist gemäß Art. 53 III nur eine nachveröffentlichte Europäische Patentanmeldung Stand der Technik, sofern gemäß Art. 53 IV Übereinstimmung in den benannten Vertragstaaten vorliegt (nach Art. 139 II gilt dies NICHT im nationalen Nichtigkeitsverfahren, auch wenn das manchen Richtern der Nichtigkeitssenate nicht bewusst ist).
d. Wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes, der vor dem DPMA und dem BPatG uneingeschränkt gilt, kann das Vorbringen der Beteiligten niemals als verspätet zurückgewiesen werden.
Vor dem EPA gilt der Amtsermittlungsgrundsatz nur unter der Einschränkung des Art. 114 II, die explizit die Zurückweisung wegen Verspätung ermöglicht. Das gilt auch für Hilfsanträge !
e. Als Beweismittel sind vor dem DPMA die klassischen Beweismittel der ZPO zugelassen (SPAUZ). Vor dem EPA ist nach Art. 117 zusätzlich die „Einholung von Auskünften“ und insbesondere die eidesstattliche Versicherung als Beweismittel (nicht nur zur Glaubhaftmachung wie in § 294 ZPO) zugelassen.
f. Die Zurücknahme des Einspruchs in der ersten Instanz führt gemäß § 61 I NICHT zum Ende des Einspruchsverfahrens vor dem DPMA, sondern es ergeht in jedem Fall ein Beschluss.
Vor dem EPA kann - muß jedoch nicht - das Verfahren fortgesetzt werden.
g. Bei Zurücknahme des Einspruchs in der zweiten Instanz nach Widerruf des Patents in der ersten Instanz wird vor dem BPatG § 61 I entsprechend angewendet, d.h. das Verfahren wird auch ohne den Einsprechenden fortgesetzt. Ist der Einsprechende Beschwerdeführer wird (nach van Hees) der Einspruch und damit die Beschwerde mit Zurücknahme des Einspruchs rückwirkend unzulässig.
Vor dem EPA gilt dasselbe, mit dem einzigen Unterschied, daß auch in der zweiten Instanz im Fall eines vorangegangenen Widerruf des Patents in der ersten Instanz das Verfahren fortgesetzt werden kann, aber nicht muß.
Gesetzesgrundlagen:
Deutsches Patent
materiell
§ 21 I PatG Einspruchsgründe;
Rechtsfolgen des Widerrufs: § 21 III PatG
prozessual
1. Instanz
§§ 59 - 62 PatG Spezialvorschriften
§§ 123 ff. PatG gemeinsame Vorschriften für Patentsachen
§§ 129 ff. PatG Verfahrenskosten-hilfe
2. Instanz
§§ 65 ff. PatG
§§ 73 - 80 PatG Spezialvorschriften für Beschwerdeverfahren
§§ 86 - 99 PatG gemeinsame Vorschriften für Verfahren vor dem BPatG; Verweis auf ZPO;
§§ 123 ff PatG§§ 129 ff. PatG
3. Instanz
§§ 100 - 109 PatGSpezialvorschriften für Rechtsbeschwerde
§§ 123 ff PatG
§§ 129 ff PatG
EP-Patent
materiell
Art. 100 (Einspruchsgründe; widerrechtliche Entnahme KEIN Einspruchsgrund) Rechtsfolgen in Art. 102
EPÜ: Findet sich im Ladungszusatz nach R 71a der Hinweis, dass beim gegenwärtigen Verfahrensstand nach Ansicht der Kammer das Patent zu widerrufen ist, und wird danach der Einspruch zurückgenommen, dann ist das Ermessen insofern gebunden, als dann das Patent tatsächlich zu widerrufen ist ???.
prozessual
Art. 99, 101 - 105, Regel 55 ff. Spezialvorschriften für Einspruch
Regel 68 ff Allg. Vorschriften
Art. 113 ff.Allg. Vorschriften
Art. 106 - 112 Spezialvorschriften für Beschwerdeverfahren
Regel 68 ff Allg. Vorschriften
Art. 113 ff. Allg. Vorschriften
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