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Die Klassifizierung der Waren und Dienstleistungen richtet sich nach der gemeinsamen Klassifikation des Artikels 1 des geänderten Nizzaer Abkommens vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken.
Das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen ist so zu formulieren, daß sich die Art der Waren und Dienstleistungen klar erkennen läßt und es die Klassifizierung der einzelnen Waren und Dienstleistungen in nur jeweils einer Klasse der Nizzaer Klassifikation gestattet.
Die Waren und Dienstleistungen sollten möglichst nach den Klassen der Nizzaer Klassifikation zusammengefaßt werden. Dabei wird jeder Gruppe von Waren und Dienstleistungen die Nummer der einschlägigen Klasse in der Reihenfolge dieser Klassifikation vorangestellt.
Die Klassifikation der Waren und Dienstleistungen dient ausschließlich Verwaltungszwecken. Daher dürfen Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als ähnlich angesehen werden, weil sie in derselben Klasse der Nizzaer Klassifikation genannt werden, und dürfen Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als verschieden angesehen werden, weil sie in verschiedenen Klassen der Nizzaer Klassifikation genannt werden.
Nach der Ziffer IV. der Mitteilung Nr. 4/03 des Präsidenten des HABM vom 16. Juli 20031), die zum Zeitpunkt der Anmeldung die Rechtsauffassung des Präsidenten des HABM und auch die vom HABM ab diesem Zeitpunkt geübte Amtspraxis wiedergibt, soll die Verwendung aller in den Klassenüberschriften einer bestimmten Klasse aufgeführten Oberbegriffe die Beanspruchung aller Waren oder Dienstleistungen umfassen, die dieser Klasse angehören. Nach dem Wortlaut der Mitteilung des HABM-Präsidenten und der vom HABM geübten Amtspraxis bedeutete dies, dass auch solche Waren und Dienstleistungen vom Markenschutz umfasst sein sollten, die sich unter keinen der dort genannten Oberbegriffe subsumieren lassen.2)
Diese Rechtsauffassung und Handhabung widersprach und widerspricht der Rechtsauffassung und der Spruchpraxis in Deutschland, zumal sich der Wortlaut der Mitteilung vom 16. Juli 2003 sogar noch weitergehend dahingehend interpretieren lässt, dass Waren und Dienstleistungen, die es zum Zeitpunkt der Anmeldung noch gar nicht gibt, weil sie erst zu einem späteren Zeitpunkt erfunden bzw. entwickelt werden, vom entsprechenden Markenschutz in der jeweiligen Klasse umfasst sein sollen.3)
Die Verwendung eines bestimmten Oberbegriffs aus der Klassenüberschrift soll im Übrigen alle Waren oder Dienstleistungen erfassen, die von diesem Oberbegriff abgedeckt sind und ordnungsgemäß derselben Klasse zugeordnet wurden4), was grundsätzlich der Rechtsauffassung und der Spruchpraxis in Deutschland entspricht.5)
Die nach der Entscheidung des EuGH im Urteil vom 19. Juni 2012 IP-Translator (EuGH, a. a. O.) am 20. Juni 2012 ergangene Mitteilung Nr. 2/12 des HABM-Präsidenten (Amtsblatt HABM) über die Verwendung aller Produktoberbegriffe gemäß den Klassenüberschriften in Verzeichnissen der Waren und Dienstleistungen für Gemeinschaftsmarkenanmeldungen und –eintragungen modifiziert für die vor dieser Mitteilung eingetragenen Gemeinschaftsmarken die in der früheren Mitteilung geäußerte Rechtsauffassung dahingehend, dass bei solchen Marken alle Waren und Dienstleistungen abgedeckt sein sollen, die in jener Fassung der alphabetischen Liste dieser Klasse aufgeführt sind, die zum Zeitpunkt der Anmeldung in Kraft war.6)
Die Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken vom Anmelder verlangt, die Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, so klar und eindeutig anzugeben, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den beantragten Schutzumfang bestimmen können.7)
Bei einer Verwendung der in den Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation enthaltenen Oberbegriffe muss der Anmelder klarstellen, ob sich die Anmeldung auf alle oder nur auf einige der in der alphabetischen Liste der betreffenden Klasse aufgeführte Ware oder Dienstleistungen bezieht und diese gegebenenfalls benennen.8)
Nach der insoweit maßgeblichen Auffassung des EuGH erfüllt eine Anmeldung, die nicht erkennen lässt, ob der Anmelder durch die Verwendung der Überschrift einer bestimmten Klasse der Nizzaer Klassifikation alle oder nur einen Teil der Waren dieser Klasse beansprucht, nicht das Erfordernis der hinreichenden Klarheit und Eindeutigkeit.9)
Nach dem auch vor der genannten Entscheidung des EuGH maßgeblichen deutschen Rechtsverständnis muss das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen die angegebenen Waren/Dienstleistungen so hinreichend klar bestimmen, dass der Schutzumfang der Marke auch im Registerverfahren schnell, umfassend und unmissverständlich feststellbar ist.10)
Hintergrund ist, dass Dritte und insbesondere Konkurrenten eines Anmelders bzw. Markeninhabers klar und eindeutig aus dem Register ersehen können müssen, auf welche bestimmten Waren/Dienstleistungen sich der Schutz einer Marke erstreckt. Mit dieser „Publizitätsfunktion“ des Markenregisters ist eine Rechtsunsicherheit dahingehend, dass sich der Schutzumfang eines eingetragenen Zeichens nicht allein anhand des Registers bestimmen lässt, sondern im Rahmen einer Markenrecherche unter Zuhilfenahme externer Datenbanken zum jeweils einschlägigen Inhalt der Nizzaer Klassifikation, nicht zu vereinbaren. Die Klassenüberschriften einer Klasse wiederum dienen allein dazu, bestimmte Sachgebiete zu bezeichnen, um eine brauchbare Einteilung aller nur denkbaren Waren oder Dienstleistungen zu ermöglichen. Aus der Natur der Sache heraus kann eine solche Einteilung nicht umfassend sein, sodass sich eine Vielzahl von Waren/Dienstleistungen eines Sachgebiets schlichtweg nicht unter die Oberbegriffe der Klassenüberschriften subsumieren lassen wird. Daraus ergibt sich aber auch, dass die Klassenüberschriften keine wirklich aus sich heraus verständliche, zuverlässige und ausreichend eingrenzbare Information über die konkret erfassten Waren oder Dienstleistungen liefern können. Die Annahme, alle Waren oder Dienstleistungen der Klasse seien vollständig vom Schutz erfasst, würde im Ergebnis der Publizitätsfunktion des Markenregisters widersprechen, weil dann der Schutzgegenstand der eingetragenen Marke tatsächlich nur aufgrund einer Recherche in den Waren und Dienstleistungen der Nizzaer Klassifikation zu ermitteln wäre, die zum maßgeblichen Zeitpunkt in Kraft war. Angesichts dessen ist kein Raum für eine Auslegung des Verzeichnisses dahingehend, dass bei Verwendung eines Oberbegriffs auch solche Waren vom Schutz einer Marke umfasst sind, die möglicherweise mit dem Oberbegriff in direktem Zusammenhang stehen, von dem Begriff aber nach dem üblichem Sprachverständnis nicht umfasst sind. Dies gilt erst recht, wenn ein möglicher, die Ware umfassender Oberbegriff zu einem späteren Zeitpunkt entfallen ist. Eine Auslegung des Warenverzeichnisses, dass auch nach dem Wegfall des Oberbegriffs darunter fallende Begriffe noch vom Schutz der Marke umfasst sind, ist widersinnig und offensichtlich unzulässig. Eine solche Auslegung widerspräche dem klaren und objektiven Erklärungsinhalt einer vorausgegangenen entsprechenden Verzichtserklärung bzw. ggfs. Löschungsanordnung.11)
Ausgehend von den vorstehenden dargestellten Rechtsgrundsätzen auch die aktuelle Rechtsauffassung und Amtspraxis des HABM gemäß den Mitteilungen des Präsidenten des Amtes Nr. 4/03 vom 16. Juli 2003 und 2/12 vom 20. Juni 2012, wonach Marken, die vor dem 20. Juni 2012 eingetragen worden sind und die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis alle (zum Zeitpunkt der Anmeldung) in der Überschrift einer bestimmten Klasse aufgeführten Oberbegriffe enthalten, Schutz genießen sollen in Bezug auf sämtliche in der maßgeblichen alphabetischen Liste zu der entsprechenden Klasse enthaltenen Produkte, fundamentalen registerrechtlichen Grundsätzen und auch der maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH gemäß IP-Translator (a. a. O.) widerspricht. Zunächst ist es für die Öffentlichkeit und insbesondere für die Mitbewerber von Inhabern solcher Marken bereits schwierig festzustellen, ob die betreffende Marke überhaupt unter diese Kategorie von Marken mit allen in der Klassenüberschrift enthaltenen Oberbegriffen einer bestimmten Klasse fällt. Denn auch diese Oberbegriffe unterliegen einem gewissen Wandel. So ist z. B. in der Klasse 29 das „tiefgekühlte Obst und Gemüse“ erst nach dem Jahr 2006 in die Klassenüberschrift aufgenommen worden. Die Feststellung, ob eine bestimmte Marke unter die oben bezeichnete Kategorie fällt, kann also nur dann sicher getroffen werden, wenn die zum Zeitpunkt der Anmeldung maßgebliche Auflistung von Oberbegriffen in der jeweiligen Klassenüberschrift mit der Liste der beanspruchten Produkte verglichen wird. Auch wenn bei diesem Datenabgleich eine exakte Übereinstimmung festgestellt werden kann, steht der Schutzumfang der Marke gleichwohl noch nicht fest. Denn hierzu muss auch noch die zum Zeitpunkt der Anmeldung maßgebliche alphabetische Liste der Nizzaer Klassifikation, die ebenfalls einem beständigen Wandel unterliegt, hinzugezogen werden. Der Schutzumfang einer solchen Marke kann demzufolge nicht unmittelbar aus dem Register entnommen werden. Vielmehr bedarf es hierfür eines zweistufigen Datenabgleichs, wobei diese Daten, insbesondere dann, wenn die Anmeldung mehrere Jahre zurückliegt, noch nicht einmal ohne weiteres zugänglich sind. Die Feststellung des genauen Schutzumfangs einer solchen Marke verlangt selbst von ausgewiesenen Klassifikationsexperten einen nicht unerheblichen Rechercheaufwand. Nach Auffassung des Senats ist offen sichtlich, dass diese Rechtsmeinung und Praxis des HABM mit dem registerrechtlichen Publizitätsgedanken, durch den das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und insbesondere der Mitbewerber befriedigt werden soll, nicht vereinbar ist. Soweit der EuG inzwischen in zwei Entscheidungen12) die Praxis des HABM u. a. mit Vertrauensschutzerwägungen gebilligt hat, kann dem nicht gefolgt werden. Fundamentale Grundsätze des Registerrechts, durch die das überragend wichtige Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und insbesondere der Mitbewerber in Bezug auf den Schutzumfang einer Marke (eines Konkurrenten) realisiert wird, können und dürfen nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Einzelner geopfert werden.13)
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